Luxemburg-Stadt / Diskussion über die Folgen der Pandemie: „Für manche war es eine richtige Katastrophe“
Fieber, Kopfschmerzen oder große Müdigkeit: Wer an Corona erkrankt, spürt das oftmals körperlich. Doch neben diesen medizinischen Auswirkungen hat die Pandemie auch Folgen für die ganze Gesellschaft mit sich gebracht. In einer Diskussionsrunde von der „Plateforme immigration et intégration Luxembourg“ (Piilux) am Donnerstagabend in Luxemburg-Stadt soll nun über die Konsequenzen diskutiert werden, die die Pandemie für besonders gefährdete Menschen hatte.
Tageblatt: Antoni Montserrat Moliner, als Ratsmitglied der im Oktober 2021 gegründeten „Plateforme immigration et intégration Luxembourg“ (Piilux) koordinieren Sie ein Rundgespräch zu den psychosozialen Konsequenzen von Covid-19. Welche Folgen hatte die Pandemie für die Menschen?
Antoni Montserrat Moliner: Generell wurden uns im medizinischen Kontext die Grenzen aufgezeigt: Grenzen in puncto Krankenhauspersonal und Aufnahmekapazitäten. In der Bevölkerung haben viele während dieser Zeit das Vertrauen in das Gesundheitssystem verloren. Zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt hat die Pandemie auch in emotionaler Hinsicht Menschen beeinflusst. Das ist leider so. Wir haben zudem gemerkt, wo die europäische Zusammenarbeit ihre Grenzen erreicht. Es hat sich aber auch mehr Raum für die Forschung ergeben.
In der Diskussionsrunde wird es vor allem um die Auswirkungen der Pandemie auf gefährdete Bevölkerungsgruppen in Luxemburg gehen. Welche sind das?
Es wird um die jungen Menschen gehen, für die es emotional und mental sehr schwer war. Und darum, wie wir ihre Probleme in Zukunft angehen können. Es hat sich aber auch gezeigt, dass Personen mit einer seltenen Krankheit gelitten haben und es immer noch tun. Dann gibt es noch sozusagen die „Unsichtbaren“, ohne Krankenversicherung und Papiere. Schwer war es außerdem für von Wohnungsnot Betroffene. Und es gibt noch zahlreiche andere, über deren Situation wir reden könnten: Auch Ältere haben gelitten, ebenso wie Geflüchtete, die im März 2020 eben erst im Großherzogtum ankamen. Leider ist die Dauer einer solchen Diskussionsrunde nicht unendlich – deshalb haben wir uns auf die vier genannten Gruppen festgelegt.
Inwiefern waren und sind diese Gruppen denn besonders betroffen?
Heranwachsende waren nicht darauf vorbereitet, sich nicht sozialisieren zu können. Auch ihre Eltern hatten nicht damit gerechnet. Schulen und Universitäten waren geschlossen und Erfahrungen – wie jeder von uns sie mit 14 oder 15 Jahren macht – fehlen. Für manche war das eine richtige Katastrophe. Andere konnten besser damit umgehen und doch ist es tragisch. Bei den Menschen mit einer seltenen Krankheit ist es oft so, dass sie von mehreren Ärzten behandelt werden, und das immer wieder. Dieser Fall war während der Pandemie nicht vorgesehen und so mussten laufende Behandlungen unterbrochen werden. Das hatte Folgen.
Sie haben zudem Menschen ohne Papiere sowie von der Wohnungsnot Betroffene genannt.
Es gibt eine Tendenz, die Menschen ohne gültige Dokumente zu vergessen, die täglich von „Médecins sans frontières Luxembourg“ (MSF) behandelt werden. Es ist eine kleine Gruppe, aber diese existiert! Sie erfüllen zum Beispiel die rechtlichen Bestimmungen für eine Impfung nicht. Während der Pandemie wurden aber auch Paare sozusagen aus logistischen Gründen nicht getrennt und blieben zusammen. Die häusliche Gewalt nahm zu. In wirklich prekären Wohnverhältnissen war das Einhalten des sanitären Protokolls nicht möglich, wenn sich beispielsweise eine Person in einem Zimmer isolieren sollte.
Wenn den Menschen in den von Ihnen beschriebenen Situationen – aber auch anderen Personen – geholfen werden soll: Was muss dann jetzt und in naher Zukunft geschehen?
Alle sollen Zugang zu psychotherapeutischen Versorgung erhalten. Piilux fordert deshalb, dass die Gesundheitskasse auch Sitzungen bei einem Therapeuten rückerstattet – das ist uns ein dringendes Anliegen. Denn dass die CNS diese bisher nicht übernimmt, ist die Quelle von Ungleichbehandlung. Nicht jeder kann sich einen Therapeuten leisten. Es ist wichtig, immer wieder an diese Tatsache zu erinnern.
Informationen zu Veranstaltung und Organisator
Antoni Montserrat Moliner ist unter anderem Vorstandsmitglied bei „ALAN – Maladies rares Luxembourg“ und hat während 32 Jahren für die Europäische Kommission gearbeitet. Als Ratsmitglied der im Oktober 2021 gegründeten „Plateforme immigration et intégration Luxembourg“ (Piilux) koordiniert er das Rundgespräch „Les conséquences psychosociales du Covid-19: L’impact de la pandémie sur des populations vulnérables au Luxembourg“ am Donnerstagabend. Dieses findet um 19 Uhr auf der zweiten Etage im Kulturzentrum des hauptstädtischen Bahnhofsviertels, 29, rue de Strasbourg, statt. Austauschen werden sich dabei die Kinder- und Jugendpsychiaterin Salima Aarab vom „Service national de psychiatrie juvénile“ im Krankenhaus auf Kirchberg, die Präsidentin von „ALAN – Maladies rares“, Shirley Feider-Rohen, Sergio Ferreira als politischer Direktor der „Association de soutien aux travailleurs immigrés“ (ASTI) sowie die Psychotherapeutin und Sozialarbeiterin Nathalie Reuland, Mitglied von „Mieterschutz Lëtzebuerg“. Eine Anmeldung zur Konferenz ist nicht erforderlich, die Teilnahme kostenlos. Mehr Informationen gibt es per Mail an piiluxembourg@gmail.com oder unter der Nummer 621 190 496.
Wahrscheinlich gibt es noch in anderen Bereichen Handlungsbedarf.
Die Krise hat gezeigt, dass sich in Puncto Personalpolitik in den Krankenhäusern etwas ändern muss. Das ist allerdings europaweit ein Problem. Es müssen wieder mehr Menschen in Spitälern arbeiten wollen. Allgemein gilt es sich besser auf eventuelle Krisen in der Zukunft vorzubereiten – mit unter anderem den nötigen materiellen Ressourcen. Aber das ist auf europäischer Ebene bereits vorgesehen, dass es beispielsweise nicht mehr zu einem Mangel an Beatmungsgeräten oder Masken kommt und ein Minimum an Ressourcen vorhanden ist.
Sie sprechen über die Folgen, anderseits werden nahezu alle sanitären Maßnahmen aufgehoben, Feste werden wieder gefeiert und allgemein gibt es wieder mehr Leichtigkeit. Ist die Pandemie überstanden?
Ich würde nicht sagen, dass die Pandemie vorbei ist. Mit der Entwicklung neuer Varianten weiß man auch nicht, was kommt. Aktuell leiden viele unter Omikron. Zwar ist es oft nicht so schlimm, aber diese Menschen fehlen dann wieder eine Woche bei der Arbeit. Diese Wiederholung – dass ständig ein Teil der berufstätigen Gesellschaft abwesend ist – ist aus wirtschaftlicher Sicht nicht gut. Und tendenziell sieht es danach aus, dass sich diese Situation in den kommenden Wochen nicht verbessern wird.
Das Thema Pandemie ist und bleibt in Ihren Augen demnach aktuell. Deshalb auch jetzt diese Konferenz?
Über Covid wird meist auf eine medizinische Art berichtet: Wie viele liegen im Krankenhaus, wie viele sind gestorben? Wir aber wollen darauf aufmerksam machen, dass viele Gruppen unter der Pandemie leiden. Das sind Menschen mit Gesichtern – und niemand redet über sie. Unsere Diskussionsrunde ist interessant für alle, die wissen wollen, wer diese Menschen sind. Und für Verantwortliche von Vereinigungen, aus der Politik oder aus dem wissenschaftlichen Bereich. Es wird über die rein medizinischen Auswirkungen hinausgehen und sich stattdessen um die sozialen Folgen der Pandemie drehen.
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Welche Folgen hatte die Pandemie? Die ist noch lange nicht vorbei auch wenn alle Vorsichtsmassnahmen über Bord geworfen werden! Und gerade deshalb kommt es wohl wieder zu extrem vielen Infektionen!