Bombe am Ende des Tunnels / Russland zerschießt die ukrainischen Eisenbahnen – und die Waffen aus dem Westen
Russland nimmt das ukrainische Bahnnetz verstärkt unter Beschuss. Die Waffenlieferungen aus dem Westen sollen nicht an die Donbass-Front im Osten gelangen. Russlands Rechnung geht bislang auf. Für die Ukraine wie für den Westen bedeutet das: Die Zeit drängt.
Im Osten der Ukraine erinnern die Kämpfe zurzeit an Schlachten aus dem Ersten Weltkrieg. Schützengräben, Artillerie-Dauerbeschuss und zu Geröll zerbombte Dörfer zeugen genauso davon wie die ganzen Landstriche, die nach Einschlägen von Kratern übersät sind. Stellt man die Fotos auf Schwarz-Weiß, erinnern sie an Verdun. Es sind Bilder extremer Gewalt. Doch auch im Westen der Ukraine schlagen die russischen Streitkräfte zu – anders, aber nicht weniger bedrohlich für die Zukunft der Ukraine.
Alleine in der Nacht zum Mittwoch wurden laut Angaben des russischen Verteidigungsministeriums 40 militärische Ziele in der Ukraine, einschließlich vier Munitionsdepots, getroffen. Darunter befinden sich auch sechs Bahnstationen im Westen und im Zentrum der Ukraine, die für die Versorgung des ukrainischen Militärs mit ausländischen Waffen von großer Wichtigkeit sind. Aus Moskau heißt es am Mittwochmorgen, sie seien unbrauchbar gemacht worden. „Das sind deutliche Anzeichen für ein in weiten Bereichen zerstörtes ukrainisches Luftabwehrsystem“, sagt Österreichs Top-Militärexperte Markus Reisner, Leiter der Abteilung Forschung und militärische Strategie an der Theresianischen Militärakademie in Wien, zum Tageblatt. Jedes Ziel, das die Russen in der Ukraine beschießen wollten, könnten sie inzwischen auch treffen.
Den Strom gekappt
Angriffe auf kritische Infrastruktur wie Bahnhöfe und die für den Bahnverkehr nötige Stromversorgung wie Umspannwerke durch Luft- und seegestützte Langstreckenwaffen häufen sich immer mehr. Am Mittwochabend schien auch das Umspannwerk getroffen worden zu sein, das den Beskyd-Tunnel in der Nähe von Lwiw mit Strom versorgt. Die knapp 1,8 Kilometer lange Röhre gilt als einer der wichtigsten Knotenpunkte für die Waffenlieferungen aus dem Westen an die Ukraine. Auch in Teilen der Stadt Lwiw soll der Strom ausgefallen sein.
Hinzu kommt der erste Beschuss der Region Transkarpatien nahe den Grenzen zu Ungarn und der Slowakei. Auch hier sei das Ziel die Bahninfrastruktur gewesen, heißt es von ukrainischer Seite. In Kirowograd, im Zentrum der Ukraine, dasselbe – erneut zielten russische Raketen auf die Verbindungsadern der Eisenbahn. Ebenso in Kamjanske, einer Stadt in der Oblast Dnipropetrowsk im Zentrum der Ukraine. Keine Frage, die Präzisionsschläge gegen die Infrastruktur, die Russland aus der Ferne abfeuert, setzen der Ukraine stark zu.
Die Waffenlieferungen sind ein Wettlauf gegen die Zeit
Auch wenn bereits vor Wochen vereinzelt Infrastrukturprojekte im Westen und im Zentrum der Ukraine unter Beschuss durch russische Raketen kamen, sieht Reisner eine Strategieanpassung auf russischer Seite. Die Ukraine brauche für den Kampf im Donbass „dringend neue Waffen“, sagt Reisner. Das ist ohne funktionierendes Bahnnetz fast ein Ding der Unmöglichkeit. Panzer und Geschütze müssen in der Regel über die Schiene zur Front gebracht werden. Wenn die Stromversorgung der Bahn zusammenbricht, muss die Ukraine auf Diesel-Lokomotiven zurückgreifen, von denen es jedoch kaum genügend gibt.
Was jetzt geliefert werde, bleibe seit Tagen meistens westlich vom Fluss Dnepr, der die Ukraine von Norden nach Süden teilt, auf der Strecke stehen. Die Angriffe auf Umspannwerke und Trafostationen im Westen der Ukraine unterbrechen die Versorgungslinien jetzt um ein Weiteres. Die Ukraine mit Waffen zu versorgen, sei „ein Wettlauf gegen die Zeit“, unterstreicht Reisner.
Das Gegenmittel fehlt
Helfen könnten der Ukraine zurzeit vor allem Luftabwehrsysteme. Die von Deutschland in Aussicht gestellten Luftabwehrpanzer vom Typ Gepard können zwar Kampfhubschrauber, Kampfjets und Drohnen vom Himmel holen, Flugkörper und Raketen, wie sie Russland einsetzt, aber nicht. Dafür bräuchte es, erklärt Militärstratege Reisner, sowjetische S-300- oder S-400-Systeme. Die knapp 250 Stück S-300-Systeme, die die Ukraine in ihren Beständen hatte, sind aber größtenteils bereits zerstört. Die Slowakei hat ein solches System an die Ukraine geliefert, welches aber noch nicht im Einsatz dokumentiert wurde und zudem kaum ausreichen würde. Auch amerikanische THAAD-Systeme (THAAD steht für Terminal High Altitude Area Defense), die mit Patriot-Raketen bestückt werden, würden der Ukraine helfen. Gebraucht würden demnach Raketenabwehrsysteme, die eine ganze Region gegen ballistische Raketen schützen könnten. Geliefert wurden aber auch solche bislang nicht.
Was also tun? Nicht nur die Russen, auch die Ukrainer scheinen ihre Strategie anzupassen – und mit ähnlichen Mitteln zurückzuschlagen. Im westrussischen Gebiet Kursk nahe der Grenze zur Ukraine ist am Dienstag eine Eisenbahnbrücke teilweise eingestürzt. Auch das ist beileibe kein Einzelfall. In den beiden vergangenen Wochen wurden zahlreiche Brände von Treibstofflagern oder militärischen Einrichtungen sowie Angriffe auf die Bahninfrastruktur in Russland gemeldet, wo nicht mit endgültiger Sicherheit gesagt werden kann, wie es zu den Schäden kam. Sabotage oder ukrainische Drohnenangriffe sind aber die plausibelsten Gründe. Das Rennen gegen die Zeit – es ist auch ein Rennen um die Existenz der Ukraine.
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Wir möchten dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt, träumt Ursula von der Leyen! Die Gorch Fock schwimmt ja auch wieder!Der auf territoriale Integrität der Ukraine beharrende, kompromisslose Selenskyj führt sein Volk in den Untergang mit Hilfe von US Waffenlieferungen und Geheimdienstinformationen die zu spät kommen.Hauptsache der Russe wird ausgebremst und geschwächt.Neues Denken ist gefragt, doch dazu sind die Politiker nicht fähig……
@Romain: Dann erklären sie mir mal ihr Denken. Es scheint hochinteressant zu sein.
@ Romain… neues Denken? wie soll das funktionieren wenn die eine Seite nur in rückwärtsgewandten revanchistischen Mustern denkt, etwa die andere Wange hinhalten?
Ich schreibe alles in einem Buch nieder, das sprengt den Rahmen der hier zur Verfügung steht.Ob es je veröffentlicht wird weiß ich noch nicht.Man wird mich als Querdenker oder Extremist abstempeln.Das brauche ich nicht.