Chamber / Säbelrassler und Friedenstauben: Abgeordnete diskutieren über Russland-Krise
Das Parlament hat sich am Dienstag (8. Februar) mit der angespannten Situation an der russisch-ukrainischen Grenze und der Rolle der NATO bei dieser Krise befasst. Die Gelegenheit für die meisten Redner, ihre unverbrüchliche Treue zur NATO zu bezeugen und zum Dialog aufzurufen. Insbesondere Außenminister Jean Asselborn bemühte sich um ein differenzierteres Bild. Die Sicherheitsbedenken Russlands müssten ernst genommen und ein Dialog angeboten werden. Moderatere Töne kamen auch von der ADR und „déi Lénk“.
Eine Aktualitätsstunde der DP-Fraktion und eine erweiterte parlamentarische Anfrage von Claude Wiseler (CSV) zur ukrainisch-russischen Krise standen am Dienstag auf der Tagesordnung der ersten Plenarsitzung dieser Woche. Russland zufolge gefährde die Annäherung der Ukraine an die NATO seine Sicherheit. Die NATO wirft dem Land ihrerseits vor, über 100.000 Soldaten nahe der ukrainisch-russischen Grenze zusammengezogen zu haben. Westliche Geheimdienste und Medien sehen die Gefahr eines imminenten Angriffs.
Russlands Argument sei, dass die Sicherheit in Europa unteilbar sei, so Außenminister Jean Asselborn (LSAP). Dieses Prinzip sei sowohl in der Abschlussakte von Helsinki von 1975 als auch in der Pariser Charta nach dem Fall der Berliner Mauer festgehalten worden. Meinungsverschiedenheiten bestünden jedoch darin, wie dieses Prinzip vor Ort aussehen soll, so Asselborn. Die NATO sei eine defensive Allianz, betonte er. Sie stelle keine Gefahr für irgendein Land dar. Die NATO würde Russland niemals angreifen, und die Existenz der NATO widerspreche dem Prinzip ungeteilter Sicherheit keineswegs. „Unsere Sicherheit beeinträchtigt die russische nicht.“ Das Ansinnen von Russlands Präsident Wladimir Putin, Einflusszonen zu schaffen, sei drei Jahrzehnte nach Ende des Kalten Krieges nicht mehr zeitgemäß. Es sei nicht hinnehmbar, dass Russland diktiere, welche Bündnispartner sich ein einzelnes Land auswählen dürfe. Schließlich fordere man das auch nicht von Russland.
In den Gründungsdokumenten der OSZE stehe, dass die Grenzen nicht mit Gewalt verändert werden dürften, keine Gewalt angedroht werden dürfe, jedes Volk das Recht auf Selbstbestimmung und auf Bündniswahl habe. Diese Prinzipien müssten auch für Russland gelten. Er stimmte der Aussage von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zu, dass Europa nur sicher sei, wenn auch Russlands Sicherheit gewährleistet sei. Dass sich einzelne EU-Spitzenpolitiker um eine friedliche Lösung des Konflikts bemühen, sei in der EU koordiniert. Auch die NATO spiele im Dialog mit Russland ein große Rolle. Die Schreiben der USA und der NATO als Antwort auf die Forderungen Moskaus enthielten durchaus Elemente, über die diskutiert werden könne, u.a. jene über Waffenkontrollen.
Große Hoffnungen setzt Asselborn auf die Wiederbelebung des 1997 gegründeten NATO-Russland-Rates. Dort könne über alles geredet werden, um Vertrauen wieder aufzubauen. Die USA, die NATO und die EU würden Russland die Hand reichen, ohne jedoch von den eigenen Prinzipien abzuweichen. Größere Meinungsverschiedenheiten in der EU bezüglich Russland wollte Asselborn nicht sehen. Es gebe durchaus Nuancen, aber allgemein herrsche Übereinstimmung. Sogar Ungarns Premierminister Victor Orban, vor kurzem noch bei Präsident Putin, habe es sich nicht geleistet, die Seiten zu wechseln.
Sicherheitsarchitektur für Europa
Angesichts der rezenten Treffen von Macron und dem deutschen Kanzler Olaf Scholz in Washington, Moskau, Berlin und Kiew will Asselborn Anzeichen erkennen, dass es nicht zur militärischen Intervention Russlands kommen wird. Im Rahmen der OSZE, in der alle Konfliktparteien vereint sind, würde an einer Sicherheitsarchitektur für Europa gearbeitet. Die Lage vor Ort sei bedenklich. Er sei zwar kein Freund von Geheimdiensten, so Asselborn, nannte aber deren Angaben über 150.000 russische Soldaten samt Angriffsausrüstung an der Grenze. Russland sollte ein Zeichen des guten Willens geben. So könnten die 30.000 zum Manöver in Belarus entsandten Militärangehörigen nach der Übung abgezogen werden.
Sollte es zu einer russischen Intervention in der Ukraine kommen, sind weitere Sanktionen angesagt. Hunderte Leute würden daran arbeiten, so Asselborn. Jedes Land müsse da mitmachen. Das sei eine normale Solidaritätsgeste. Im Fokus stünde dabei die Gaspipeline Nord Stream 2. Dann werde eben kein Gas durch diese Leitung fließen. Man müsse jedoch eine militärische Intervention in der Ukraine verhindern. Die Sicherheitsbedenken Russlands müssten ernst genommen, ein Dialog angeboten werden. Zusammen müsse eine andere Sicherheitsarchitektur geschaffen werden.
Die Aktualitätsdebatte war vom DP-Abgeordneten Gusty Graas initiiert worden. Er zählte die Missetaten Russlands seit der Krim-Annexion 2014 auf, nannte dabei Syrien, Moldawien und den Fall des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny. Russland habe eine Reihe von Werten verletzt, schimpfte Graas. Nun sei sogar die Mitgliedschaft Russlands im Europarat infrage gestellt. Die aktuelle Lage bezeichnete er als eine in den letzten 20 Jahren noch nie dagewesene Eskalation. Man sollte zwar nicht in Panik verfallen, die Lage aber ernst nehmen. Experten würden eine Aggression weiterhin nicht ausschließen.
Die NATO sei der Garant für Frieden in Europa, sagte auch CSV-Sprecher Jean-Marie Halsdorf. Sie sei eine Wertegemeinschaft. Wenn es sie nicht gäbe, müsste man eine solche schaffen. Alles müsste getan werden, um einen Krieg zu verhindern.
Für Lydia Mutsch (LSAP) stellte die aktuelle Krise ein Déjà-vu dar. Noch sei die Annexion der Krim nicht verdaut, und erneut werde ein souveräner Staat in seiner territorialen Integrität bedroht. Man durchlebe derzeit eine globale Sicherheitskrise und komme sich vor wie in früheren Zeiten, mit zwei Lagern, den US-europäischen und den russischen Block, mit einem Präsidenten, der seinen Einflussbereich ausdehnen wolle. Mutsch betonte jedoch, dass im Falle einer Invasion der Beistandsartikel der NATO nicht ausgelöst werden könne, da die Ukraine genauso wie Georgien lediglich Partner und nicht Allianzmitglieder seien. Auch wenn eine friedliche Lösung derzeit schwer vorstellbar sei, müsse der Dialog weitergeführt werden. Beide Seiten müssten bereit sein, Wasser in ihren Wein zu gießen.
Laut Djuna Bernard („déi gréng“) untermauere die aktuelle Situation die Daseinsberechtigung der NATO. Die gewagte Forderung Russlands, die Allianz dürfe sich nicht erweitern, schubse auch Finnland und Schweden näher zur NATO. Auch die russischen Sicherheitsinteressen dürften nicht geschmälert werden – genauso wenig wie die der anderen. Jedes souveräne Land müsse das Recht haben, sein Bündnis zu wählen. Die Ukraine sei derzeit nicht in der NATO, weil Russland dies als Provokation ansehe. Russland habe sich auf einen richtigen Angriff vorbereitet, das habe nichts mit Verteidigung zu tun. Damit die NATO ihren Aufgaben weiterhin gerecht werde, müsse die Kohäsion in der Allianz verstärkt und die notwendigen Mittel bereitgestellt werden.
Russland als Partner
Die NATO solle weiterhin eine Verteidigungsallianz bleiben, so Fernand Kartheiser (ADR). Sie biete ihren Mitgliedern Schutz, aber nicht anderen Ländern, die ihr nicht angehörten. Die ADR möchte die traditionell freundschaftlichen Beziehungen zu Russland weiter stärken. Die aktuellen Spannungen gehörten zu den post-sowjetischen Konflikten, u.a. territorialer Natur.
Man sollte nicht aufgrund eines russischen Expansionismus argumentieren, betonte er. Russland dürfe nicht umzingelt werden. Man wolle Russland als Partner haben und es nicht in Richtung China drücken. In den 1990er Jahre habe man viele Chancen der Annäherung verpasst. Diese Fehler sollte man nicht wiederholen. Russland sollte die Rolle zugestanden werden, die ihm zustehe. Als einziger sprach sich Kartheiser gegen Sanktionen aus. Sie schadeten auch den demokratischen Gesellschaften, seien ineffizient und kontraproduktiv. Die Minsker Abkommen könnten zur Entspannung der Situation beitragen. Die primäre Verantwortung für deren Umsetzung falle Kiew zu.
Ihr Sympathie für die russische Führung sei begrenzt, betonte Nathalie Oberweis („déi Lénk“) eingangs. Die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und die De-facto-Annexion der Ostukraine seien nicht hinnehmbar. Problematisch sei jedoch auch die Rolle der NATO. Dass die Ukraine für Russland strategische Bedeutung habe, sei nicht neu, und dass es im Fall einer Annäherung an die NATO so reagieren würde, sei vorhersehbar gewesen. Das Problem bestehe im Fehlen einer Sicherheitsarchitektur für Europa. Viele Akteure hätten Interesse am Säbelrasseln, aber nicht an einer echten Konfrontation, so Oberweis. Alle Beteiligten sollten verbal abrüsten, statt immer mehr Öl ins Feuer zu gießen.
Putin teste erneut, was für die USA und die NATO annehmbar sei, so die Einschätzung von Sven Clement (Piratenpartei). Solange die Ukraine kein Mitglied der NATO sei, habe die Allianz nicht das Recht, dort zu intervenieren. Doch jedes Land müsse das Recht haben, Waffen an die Ukraine zu liefern. Russland müsse man Grenzen aufzeigen. Die Ukraine werde niemals wieder Teil Russlands sein, gab sich Clement überzeugt. Die EU müsse sich klar für schmerzhafte Sanktionen aussprechen, und falls Luxemburg Material an die Ukraine liefern wolle, dann solle es das tun.
- Ein Pumptrack im Ortszentrum: Park Ouerbett wird vergrößert - 10. Oktober 2024.
- Entwicklungsplan soll Möglichkeiten der Gemeinde über längeren Zeitraum festhalten - 11. Juli 2024.
- Kunterbunte Fragestunde im Parlament – Känguru Sammy ist auch dabei - 13. Juni 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos