Italien / Salvini liebäugelt mit Rückkehr zur Kernkraft
Italiens Vizepremier und Minister für Infrastruktur und Transport, Matteo Salvini, denkt nun laut über eine Rückkehr des Landes zum Atomstrom nach. Genauer, zum Bau von Kernkraftwerken im eigenen Lande.
Es war kein Stammtischgespräch, auf dem Lega-Chef Matteo Salvini, Stellvertretender Ministerpräsident der rechtsgerichteten Regierung, seine Gedanken äußerte. Salvini wählte sich die jährliche Tagung des Thinktanks The European House – Ambrosetti (TEHA) als Ort, seine Vorstellungen von der energetischen Zukunft Italiens vorzutragen.
Zum jährlichen Treffen in Cernobbio am Comer See versammeln sich internationale Spitzen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, um strategische Ziele zu beraten. Vor den illustren Gästen breitete Salvini seine Pläne zur Nuklearenergie aus, eingebettet in Visionen von der Winterolympiade 2026 in Mailand und der Brücke, die das italienische Festland mit Sizilien verbinden soll.
Kernenergie sei eine saubere Sache, meinte Salvini, sie könne nicht nur alle energetischen Probleme des Landes lösen, sondern auch die Portemonnaies der Italiener entlasten. Franzosen würden in den Haushalten 30 Prozent weniger für Strom bezahlen müssen als hierzulande, meinte Salvini, und Industriestrom sei sogar für nur die Hälfte des italienischen Preises zu haben. Er sei überzeugt, so der Minister für Infrastruktur, dass sich ein Referendum heute mit großer Mehrheit für einen Wiedereinstieg in die Kernenergie, das heißt: für den Bau von Atomkraftwerken auf italienischem Territorium, aussprechen würde.
Salvini zielte mit diesen Worten auf Volksbefragungen der Vergangenheit ab. Am 8. November 1987 hatten sich nach der Katastrophe von Tschernobyl 90 Prozent der Italiener für einen Ausstieg aus der Kernenergie entschieden. Die bestehenden Kraftwerke wurden bis 1990 abgeschaltet – ohne gravierende Folgen für die Energieversorgung, denn der Anteil von Atomstrom betrug ohnehin nur fünf Prozent. Das konnte von konventionellen und modernisierten Kraftwerken aufgefangen werden.
In der ersten Dekade des neuen Jahrtausends wuchs allerdings der Appetit auf die Atomenergie erneut, nicht zuletzt befeuert von Energiekonzernen wie Enel, die sich ohnehin schon im Ausland an Kernkraftprojekten beteiligten. Doch ein erneutes Referendum, das die Berlusconi-Regierung in ihrer Endphase initiierte, führte erneut zur Absage. Am 12. Und 13. Juni 2011 stimmten 94,1 Prozent der Wahlbeteiligten unter dem Eindruck der Katastrophe von Fukushima erneut gegen eine Wiederaufnahme der Atomprogramme. Dies umso mehr, als die Berlusconi-Regierung den Bau von Kernkraftwerken an Orten vorschlug, die gerade erst in der jüngsten Vergangenheit von verheerenden Erdbeben heimgesucht worden waren. Deren Schäden sind im Übrigen zu großem Teil bis heute noch nicht repariert worden.
Zwei Referenden dagegen
Eines der Hauptargumente, die Salvini bei seinem jüngsten Vorstoß nutzte, war die Tatsache, dass Italien längst Strom aus Kernkraftwerken jenseits der Landesgrenzen bezieht. Lieferanten sind die Nachbarländer Frankreich, Schweiz und Slowenien. Den Opponenten der Kernenergie warf der Minister Scheinheiligkeit zu und erklärte, dann sei es doch ehrlicher, den Strom gleich auf eigenem Territorium zu produzieren. Unterstützt wird er dabei nicht nur von weiten Teilen der Energieindustrie, die dem Ambrosetti-Forum eine 156 Seiten umfassende und bejahende Studie lieferten.
Geht es nach den Intentionen der Mitte-rechts-Regierung unter Giorgia Meloni, könnten die ersten Meiler im Jahre 2032 errichtet werden. Ab 2040 sollten dann Reaktoren der vierten Generation folgen, die laut Industrie „noch sicherer“ wären. „Die produzierende Industrie fordert von uns ein deutliches Absenken der Strompreise, um international wettbewerbsfähig zu bleiben“, so Industrieminister Adolfo Urso (Fratelli d’Italia). Aus diesem Grunde sähe er keinen Weg, der an der Kernenergie vorbeiführte.
Ob es jedoch wirklich zur Realisierung kommt, wird auch vom Wahlvolk abhängen. Denn ein Wiedereinstieg in die Atomenergie dürfte wohl kaum ohne eine entsprechende Volksbefragung vonstattengehen. Und ob die italienischen Wähler wirklich gemäß der Überzeugung Salvinis den Plänen zustimmen, ist dahingestellt. Denn auch 34 Jahre nach Abschalten der letzten Kernkraftwerke geht deren Rückbau schleppend voran und es gibt noch keine brauchbaren Vorschläge für eine Endlagerung des angefallenen Atommülls.
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