Interview / Sandy Artuso macht mit „Queer Little Lies“ Esch zum queeren Kultur-Hotspot
Sandy Artuso vom Escher Theaterkollektiv „Independent Little Lies“ über die vierte Ausgabe des queeren Kulturfestivals „Queer Little Lies“: Warum es 2024 kleiner ausfällt und ob Esch queere Kulturhauptstadt ist.
Tageblatt: Sandy Artuso, Sie organisieren das „Queer Little Lies“ (QLL) seit 2018 und kooperierten dafür bereits mit dem Escher Theater. Warum verlagern Sie das Festival jetzt in Escher Cafés und in das Kulturzentrum „Bâtiment4“ (B4)?
Sandy Artuso: Das hat logistische Gründe: Wer mit Kulturinstitutionen wie dem Escher Theater ein Festival auf die Beine stellt, muss weit vorausplanen. Das kam uns dieses Jahr nicht entgegen. Wir wollten flexibel bleiben und andere Orte in Esch in den Mittelpunkt rücken, an denen Menschen Kultur erleben können.
Was für Auswirkungen hatte das auf das Programm?
Im Escher Theater lag der Fokus auf der Bühnenkunst. Dieses Jahr fiel die Wahl auf das „Ratelach“ der Kulturfabrik, das „Escher Kafé“ und das „B4“ – die „Home Base“ unseres Theaterkollektivs „Independent Little Lies“. Die Cafés eignen sich für kleine Ausstellungen, Konferenzen, Lesungen und Performances; das B4 ist ideal für Ateliers und Konzerte – dementsprechend haben wir unser Angebot gestaltet.
Dem breiten Publikum fällt der Gang ins Café vermutlich leichter als der ins Theater.
Wir erreichen in den Cafés ein anderes Publikum als in etablierten Kulturinstitutionen. Manche Besucher*innen erblicken die Werke von Nora Marie Back und Lynn Kelders im Escher Kafé zufällig und stoßen so auf unser Festivalprogramm. Wir möchten möglichst viele Menschen erreichen. In den Vorjahren war ich in dem Sinne erfreut, unbekannte Gesichter bei den Veranstaltungen anzutreffen statt nur die üblichen Verdächtigen aus der queeren Szene.
Die „Luxembourg Pride“ steigt ebenfalls in Esch: Entwickelt sich die Stadt zum Hotspot für queere Kultur?
Das kann ich bestätigen. Das Team der Escher Kulturfabrik sendet diesbezüglich ein klares Zeichen, genauso wie die städtische Bibliothek oder das Theater. Überall stoßen wir auf Interesse; dasselbe gilt für die Akteur*innen, mit denen wir dieses Jahr zusammenarbeiten. Das QLL organisieren wir im Herbst, damit queere Kultur auch außerhalb der Pride-Monate im Gespräch bleibt – doch spätestens seit die Luxembourg Pride in Esch stattfindet, signalisiert die Stadt als solche ebenfalls ihre Offenheit für queere Kultur.
Spätestens seit die Luxembourg Pride in Esch stattfindet, signalisiert die Stadt als solche ebenfalls ihre Offenheit für queere KulturOrganisatorin „Queer Little Lies“
Ist das nicht überall in Luxemburg der Fall?
In Luxemburg-Stadt wären mir als Anlaufstellen für das QLL, wie wir es dieses Jahr organisieren wollten, nur explizit queere Orte eingefallen, etwa das „Rainbow Center“ oder die Bar „Letz Boys“. Institutionen wie das Tanzzentrum „Trois C-L“ in Luxemburg-Stadt oder der „Kinneksbond“ in Mamer legen in ihrem Programm zwar Wert auf queere Angebote, aber ich nehme sie eher als Begegnungsort wahr.
Die Entscheidung, in Esch zu bleiben, fördert nebenbei die lokale Kulturszene.
Das liegt uns als ILL am Herzen, da wir fest in Esch verankert sind: Hier kennen wir uns aus, hier sind wir vernetzt – das erleichtert die Planung. Hinzu kommt unser Bestreben das – u.a. queere – Kulturangebot zu dezentralisieren. Nun könnten uns Menschen, die nördlich von Luxemburg-Stadt wohnen, vorwerfen „Esch ist weit vom Schuss“. Und für sie ist die Lage ungünstig, das stimmt. Um ein QLL in Ettelbrück bemühe ich mich in einem zweiten Leben. (lacht)
Im Gegensatz zu vergangenen Ausgaben kommen auch die Künstler*innen alle aus Luxemburg, oder?
Das ist eine Premiere! Bis auf die Künstlerin Valerie Reding sind die meisten noch dazu recht unbekannt. So tragen an unserer „Soirée littéraire“ im Escher Kafé (28. November ab 19 Uhr, d.R.) Luce van den Bossche, Lara Well und Patrick Vedie ihre Texte vor. Auch das will das QLL: Menschen eine Plattform geben, die selten auftreten. Dasselbe gilt für die Lavendears (29. November ab 19 Uhr, B4, d.R.): Die Rockband feiert im B4 ihren ersten Auftritt. Die Idee für das Konzert ergab sich spontan.
Ist all dies Gegenstand der Eröffnungskonferenz „Queer Culture in Luxembourg“?
Bei dieser „gestured lecture“ (Mischung aus Konferenz und Performance, 27. November ab 19 Uhr, Ratelach, d.R.) wirft Sand Gattus, Expert*in auf dem Gebiet, einen Blick auf die allgemeine Entwicklung queerer Kulturangebote in Luxemburg, u.a. auf das QLL. Der Vortrag sowie die Figur Sand Gattus sind Teil einer Performance, die locker in das Thema einführt. Eine akademischere, schriftliche Auseinandersetzung folgt im Dezember online in „Les Cahiers QGF“ des „Laboratoire d’études queer, sur le genre et les féminismes“.
Und Sie sind bereits mit der Planung der nächsten Ausgabe beschäftigt?
Wie es mit dem QLL weitergeht, wird sich noch zeigen.
„Queer Little Lies“ (27.-30. November)
Das Festivalprogramm finden Sie unter ill.lu oder queerlittelies.lu. Der Eintritt zu den Veranstaltungen ist frei, eine Anmeldung für die Workshops via contact@ill.lu erwünscht.
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