LuxFilmFest / Schlaflos in Luxemburg
Während der zehnten Auflage des LuxFilmFest werden während zehn Tagen über 100 Filme projiziert. Neben den zehn Wettbewerbsstreifen und sechs Dokumentarfilmen kann sich der Festivalgänger auf eine reichhaltige Auswahl an luxemburgischen Produktionen, peripheren Events und einigen hochkarätigen Filmen, die außerhalb des Wettbewerbs laufen, einstellen.
Seit nunmehr zehn Jahren ist das LuxFilmFest zum unumgänglichen Termin für Luxemburger Film-Aficionados geworden. Kaum sind die zahlreichen Vertreter der hiesigen Filmindustrie von der Berlinale zurück, gilt es sich auf das LuxFilmFest vorzubereiten, das dieses Jahr vom 5. bis zum 15. März stattfinden wird. Angesichts des vielfältigen Programmes wird wohl weder der Vertreter der Filmbranche noch der kinobegeisterte Luxemburger (den Festivalpass kann man für 35 Euro kaufen) viel Schlaf bekommen – zumal die zehnte Auflage auch ein gebührendes Nachtprogramm (sprich: Feten) bieten wird.
Im Vorfeld der Programmankündigung gab es dann auch die übliche (und teilweise verdiente) Lobhudelei: Laut der Präsidentin der Festivalvereinigung Colette Flesch sei es dem Festival im Laufe der Jahre gelungen, die Nähe zum Publikum zu gewinnen – auch wenn die Emotionen stets über der wirtschaftlichen Komponente gestanden hätten. Kulturministerin Sam Tanson hebt hervor, dass das LuxFilmFest kein reines Publikumsfestival sei – junge Luxemburger Filmemacher könnten dort ihre Kurzfilme zeigen (beim diesjährigen Kurzfilmmarathon sind Werke von Govinda van Maele und der Schauspielerin Larisa Faber vertreten), es gibt Master Classes (dieses Jahr unter anderem mit Costa-Gavras) und ab dieser Auflage auch die Industry Days, die es der luxemburgischen Filmindustrie und den Filmemachern verstärkt ermöglichen werden, das Interesse der internationalen Filmbranche zu erwecken.
Pitch Me
Hier kommt die Zusammenarbeit mit dem Film Fund, der dieses Jahr seinen 30. Geburtstag zusammen mit dem zehnten Festivalgeburtstag während einer „séance académique“ feiern wird, zur Geltung: Vor 20 Vertretern internationaler Festivals und potenziellen Käufern darf ein Dutzend von luxemburgischen Projekten während exakt drei Minuten und 52 Sekunden gepitcht werden – eine einmalige Gelegenheit, die hiesigen Produktionen ins Ausland zu bringen. Der vom Film Fund kuratierte Virtual-Reality-Pavillon wird dieses Jahr erstmals nicht im „Casino – forum d’art contemporain“ aufgerichtet, sondern kann in „Neimënster“ aufgesucht werden. Unter den 48 immersiven Werken soll zudem die beste Produktion erstmals mit einem Preis ausgezeichnet werden. (Das Casino wird aber erneut das QG des Festivals und die „Pub Fiction“-Pop-up-Bar beherbergen.)
Des Weiteren hob Tanson die Bildungsrolle hervor, die das Festival seit Jahren übernimmt. Sie erwähnte das „Jeunes publics“-Programm, das mittlerweile genauso dick sei wie der Katalog der allerersten Festivalauflage im Jahr 2011, das politische Engagement, das stets in der Programmierung durchscheine, sowie die Berücksichtigung der Gendergleichheit. Denn auch wenn die ersten drei Wettbewerbsfilme, auf die man sich geeinigt hat, eher virile Streifen waren, die von Männern gedreht wurden und sich auf eine männliche Hauptfigur zentrieren, war dem Auswahlkomitee, so Mitglied Duncan Roberts, doch klar, dass man eine ausgeglichene Auswahl aufstellen wollte. Weshalb es nicht nur viele Filme von Frauen, sondern auch Werke aus aller Welt geben sollte.
Starke Frauen
Der diesjährige Eröffnungsfilm „Promising Young Woman“ (mit Carey Mulligan) zeugt auf jeden Fall davon, dass diese Gleichberechtigung nicht nur theoretisch ist: Der feministische Rachefilm, der seine Weltpremiere auf dem Sundance-Festival feierte, dreht sich um eine junge Frau, die sich auf die Jagd nach sexuellen Triebtätern macht. Während des Abends der Preisüberreichungen wird außerdem die luxemburgische Amour-Fou-Koproduktion „Yalda, La nuit du pardon“ vorgestellt, in dem eine zu Tode verurteilte iranische Frau um ihre Begnadigung in einer Fernsehsendung bittet.
Welcher Streifen die offizielle Auswahl gewinnen soll, wird die internationale Jury bestimmen – bisher sind drei Mitglieder, darunter Luc „Capitani“ Schiltz, Mike Newell („Harry Potter“) und die Präsidentin Marjane Satrapi („Persepolis“) bekannt. Bei den Wettbewerbsfilmen werden wir unter anderem einem von Malaria befallenen portugiesischen Soldaten in Mosambik („Mosquito), drei Figuren, die sich gegen die Herrschaft der digitalen Apparate auflehnen („Effacer l’historique“), einem Fischer, der sich gegen die Gentrifizierung seiner Insel einsetzt („Bait“), und einem Vater, dessen Söhne von kolumbianischen Milizen getötet wurden („Valley of Souls“), begegnen.
Unter den sechs Dokumentarfilmen sollte man sich „Collective“ – der Brand einer Diskothek am Tage der Release-Party einer rumänischen Metalband führt zum Aufdecken eines Skandals im Gesundheitswesen und dem Fall der rumänischen Regierung – und „Midnight Family“ über die Privatisierung der Krankenwagenindustrie in Mexiko vormerken.
Marie Curie und Hugo Gernsback
Vormerken kann man unter den luxemburgischen Werken die Koproduktion „Dreamland“ (die Geschichte eines Auftragsmörders, der den Finger einer Jazzlegende suchen soll), die Dokumentarfilme „Eng Äerd“ von Tom Alesch und „River Tales“ von Julie Schroell, den luxemburgischen Horrorstreifen „Skin Walker“ (eine Tarantula-Produktion), „Les épouvantails“ (eine Samsa-Koproduktion über zwei tunesische Frauen, die nach Syrien geschickt werden, um dort als Sexsklavinnen zu arbeiten), und „Tune into the Future“ (Samsa), einen Dokumentarstreifen über Hugo Gernsback, den Luxemburger, der nach Amerika auswanderte, um dort die Science-Fiction zu erfinden (und der in fast jedem wissenschaftlichen Scifi-Essay als wenig talentierter Schriftsteller erwähnt wird).
Aus Platzmangel lassen wir euch die Filme, die außerhalb des Wettbewerbes laufen, auf der Internetseite des Festivals (luxfilmfest.lu) entdecken – neben einem Streifen der Jury-Präsidentin über Marie Curie (mit Rosamund Pike) gibt es hier noch „Dreamland“ (zwei Filme der diesjährigen Auflage tragen den gleichen Titel), einen Film von Miles Joris-Peyrafitte (Sohn des luxemburgischen Dichters Pierre Joris) mit Margot Robbie oder die Dokumentarfilmkomödie „Wrinkles the Clown“ zu entdecken.
Betrachtet man die Vielfalt der Locations, die zahlreichen Partnerschaften – mit dem Mudam, mit „CID Fraen a Gender“, mit dem IPW, mit dem „Festival de Villerupt“ (dank der Matteo Garrones „Pinocchio“ mit Roberto Benigni gezeigt wird), mit dem „Casino Luxembourg“, mit den Rotondes – und die vielen peripheren Aktivitäten, zu denen ein Video-Clip-Abend in Zusammenarbeit mit dem Rocklab, diverse Partys und Ausstellungen gehören, kann man sich Anfang März (im guten Sinne) auf eine kulturelle Übersättigung einstellen.
Mehr Details auf luxfilmfest.lu.
- Barbie, Joe und Wladimir: Wie eine Friedensbotschaft ordentlich nach hinten losging - 14. August 2023.
- Des débuts bruitistes et dansants: la première semaine des „Congés annulés“ - 9. August 2023.
- Stimmen im Klangteppich: Catherine Elsen über ihr Projekt „The Assembly“ und dessen Folgeprojekt „The Memory of Voice“ - 8. August 2023.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos