EU-Sanktionen gegen Putin-TV / „Schlag gegen Desinformations-Ökosystem“ – SES kann „RT“ vom Satelliten werfen
Seit Mittwochmittag darf Putin-TV in der EU nicht mehr senden. Die entsprechenden Sanktionen sind mit der Veröffentlichung im Amtsblatt in Kraft getreten. Das löst auch ein Problem für den Luxemburger Satellitenbetreiber SES.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte es am Sonntag angekündigt: Die staatlichen russischen Medienunternehmen Russia Today, Sputnik sowie deren Tochtergesellschaften sollen nicht mehr länger die Möglichkeit haben, in der Union „ihre Lügen zu verbreiten, um Putins Krieg zu rechtfertigen und Zwietracht in der Union zu säen“.
RT und Sputnik
RT und Sputnik stehen im Westen immer wieder als Propagandainstrument des Kreml in der Kritik. Zentraler Vorwurf: Der Sender verbreite im Auftrag des russischen Staates Verschwörungstheorien und Desinformationen und rechtfertige den Angriffskrieg in der Ukraine. (dpa)
Auch Luxemburgs Premier- und Medienminister Bettel ging bei einer Pressekonferenz am Montag hart mit RT und Sputnik ins Gericht. Luxemburg sei zwar ein Medienstandort und die Prinzipien der Meinungs- und Pressefreiheit und des Medienpluralismus seien wichtige Prioritäten – aber man müsse sich bewusst werden, dass der Sektor derzeit Teil eines „aggressiven militärischen Akts“ sei, sagte Bettel. RT und Konsorten seien „eine Waffe des russischen Staats und ein integraler Teil in diesem Krieg“.
RT-Sanktion gilt seit Mittwochmorgen
Am Mittwoch lieferte die Union dann: Mittags wurden die Sanktionen rund um die russischen Propagandasender im Amtsblatt veröffentlicht – und galten dann umgehend. Die Verordnung sei am Dienstag vom Rat im Rahmen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik einstimmig beschlossen worden – und mit sofortiger Wirkung in Kraft, sagte ein EU-Sprecher. Die Maßnahmen würden die beiden Medienunternehmen RT und Sputnik betreffen, wobei bei RT auch die Ableger RT English, RT UK, RT Deutsch, RT France und RT Espanol gemeint sind. Die Sanktionen seien verhangen worden, weil „diese Medienunternehmen wesentlich die Aggression gegen die Ukraine und die Destabilisierung seiner Nachbarn“ unterstützen würden. Sie seien zeitlich begrenzt und würden so lange aufrechterhalten, bis die russischen Angriffe beendet würden – und Russland sowie die Medienunternehmen stoppten, „mediale Aggressionen gegen Europa“ auszuüben.
„Die Maßnahmen sind mit Vorsicht gefertigt worden und sehr gezielt“, sagte der Sprecher und unterstrich, dass es sich um „Wirtschafts-Sanktionen“ handele, die nicht Teil des Rechtsrahmens zur Presse seien. Die EU-Kommission habe RT und andere Akteure beobachtet. RT und Sputnik seien keine „klassischen Medienunternehmen“, sondern Werkzeuge in der Werkzeugkiste der Desinformation und Instrumente für den Informationskrieg. „Wir können das beispielsweise daran sehen, dass RT offiziell eine strategische Organisation in Russland ist – geschaffen durch ein Dekret des Präsidenten.“ Zudem gäbe es ernstzunehmende Zweifel an der redaktionellen Unabhängigkeit. RT und Sputnik gehörten zu einem „Desinformations-Ökosystem“, das Hand in Hand mit anderen, weniger sichtbaren Aktivitäten gehe – über Webseiten, Informationsportale, Social Media oder unter direkter Kontrolle der russischen Geheimdienste.
Auch Streaming und Webseiten verboten
Vom Verbot seien nicht nur die Fernsehkanäle, sondern auch die Aktivitäten im Internet betroffen. „Es reicht nicht, nur Kabel- und Satelliten-Übertragungen zu kappen, weil die Inhalte von RT oft auch über die Apps oder die Webseite empfangen werden“, erklärte der Sprecher. Auch Video-Streaming-Plattformen dürften RT- und Sputnik-Inhalte nicht mehr verbreiten. Die Kommission arbeite mit den nationalen Regulierungsbehörden daran, die Maßnahmen in den Mitgliedstaaten umzusetzen. Klar sei aber: RT ist „jetzt illegaler Content – und wird blockiert wie jeder andere illegale Content, so wie Kinderpornografie oder terroristische Inhalte blockiert werden“.
„Wir reden hier über strenge Maßnahmen für einen speziellen Fall“, sagte der EU-Sprecher. Das Verbot sei eine Einschränkung der Freiheitsrechte und es gelte, die Informationsfreiheit mit dem Kampf gegen die Desinformation abzuwägen. „Wir sprechen über ein Drittland, das einen Angriffskrieg führt – wir sind nicht in einer normalen Situation.“ Dies unterscheide den aktuellen Fall von anderen Einschränkungen bei der Informationsfreiheit. Aber: „Wir erwarten, dass die Sanktionen angefochten werden.“
Die rechtliche Basis für das Verbot von RT und Konsorten erlaubt es jetzt auch dem Luxemburger Satellitenbetreiber SES, die Sender abzuschalten. SES hatte die russischen Staatssender noch am Dienstag weiter über Europa ausgestrahlt. Das Unternehmen hatte das zuvor gegenüber dem Tageblatt damit begründet, dass man noch auf eine „klare Ansage“ von Brüssel warte. Der Luxemburger Staat hält (direkt und indirekt) 33 Prozent der Stimmanteile an der SES.
„Vielschichtiges System von Jurisdiktionen“
Eine Sprecherin der Abteilung für Medien, Konnektivität und digitale Agenda im Staatsministerium erklärte am Dienstag im Gespräch mit dem Tageblatt, dass es für SES wesentlich komplizierter sei, die Sender abzuschalten als für einen nationalen Akteur wie der Post. SES sei ein „Global Player“ mit einem „vielschichtigen System von Frequenzen und Jurisdiktionen“.
Einige RT-Inhalte würden im Bundle – sogenannten „Bouquets“ oder „Platforms“ – ausgestrahlt, zum Beispiel verschlüsselt bei Pay-TV-Anbietern, erklärte eine SES-Sprecherin. Mindestens sechs solcher Kanäle würden für die Diffusion von RT genutzt. SES liefere diese Inhalte über seine Satelliten aus, aber das könne sowohl direkt als auch indirekt geschehen. Einige Anbieter würden beispielsweise nicht nur einzelne Sender über die Satelliten senden, sondern Kapazitäten für eine Vielzahl von Kanälen buchen. „Natürlich müssen wir unsere Partner informieren, bevor etwas abgestellt wird“, so die SES-Sprecherin. Laut ihrem Kenntnisstand habe es bereits im Vorfeld Gespräche gegeben.
Nicht einer der RT-Kanäle, die von SES verbreitet wurden, sei unter Luxemburger Jurisdiktion gefallen, erklärte die Sprecherin aus dem Staatsministerium. Sender seien in Frankreich, Spanien, Italien lizenziert. „Für einen Pay-TV-Anbieter ist es einfacher, einen Kanal aus seinem Angebot zu entfernen – aber SES kann das gar nicht.“
Für das Staatsministerium war die gemeinsame europäische Lösung auch aus diesem Grund so wichtig. „Damit ist die ganze Kette komplett abgedeckt“, so die Sprecherin aus der Abteilung für Medien. „Es geht darum, dass nicht ein Flickenteppich verschiedener Länder auf verschiedene Weisen das Ausstrahlverbot umsetzen, sondern dass der Sanktionsprozess sauber abgeschlossen wird.“
Auch YouTube schaltet ab
Die Videoplattform YouTube hat die Kanäle der russischen Staatssender RT und Sputnik europaweit gesperrt. „Aufgrund des andauernden Krieges in der Ukraine sperren wir mit sofortiger Wirkung YouTube-Kanäle, die mit RT und Sputnik in Europa verbunden sind“, teilte ein Firmensprecher am Dienstag mit.
Es werde eine Weile dauern, bis die Maßnahmen technisch umgesetzt werden. „Unsere Teams beobachten die Situation weiterhin rund um die Uhr, um schnellstmöglich zu handeln.“ Der Facebook-Konzern Meta und die Video-App Tiktok beschränkten bereits den Zugang zu Inhalten von RT und Sputnik in der EU. (dpa)
Man habe am vergangenen Wochenende vor zwei Möglichkeiten gestanden: Entweder bei den unterschiedlichen Regulierungsbehörden einzeln anzufragen, was viele verschiedene Szenarien und unterschiedliche Regelungen bedeutet hätte. „Oder eine starke und schnelle, EU-koordinierte Stellungnahme – und das ist, was wir vorgezogen haben.“ Das bedeute, dass es für die gesamte Union eine einheitliche Grundlage gebe. „Und damit für alle in dem Verbreitungsgebiet – Satellitenbetreiber, Plattformbetreiber und alle anderen, die damit etwas zu tun haben – die gleiche Grundlage existiert, um zu sagen: Das können wir stoppen.“ Damit habe man „kein Loch im Teppich“, sondern eine Grundlage mit maximaler Wirkung. Es solle schnell geschehen – aber auch durchdacht.
SES selbst überdenkt derzeit offenbar auch, was hinsichtlich der Ausstrahlung der umstrittenen Kanäle außerhalb Europas getan werden solle – „das sei der nächste Schritt“, sagte die Unternehmenssprecherin. „Wie alle Global Player versuchen wir herauszufinden, was wir tun müssen.“ Das Unternehmen, das sowohl eine Antennenstation als auch ein Büro in Kiew hat, wolle den Menschen in der Ukraine helfen. „Teams prüfen gerade, welche Möglichkeiten es gibt, der Ukraine Konnektivität bereitzustellen.“
RT hatte bereits am Dienstag auf seiner deutschsprachigen Internetseite den Umzug verkündet: Die „letzte Chance auf Direktinformationen“ gebe es zukünftig über Telegram.
Update 2. März, 14 Uhr
Auch nach dem Inkrafttreten der Sanktionen am Mittwochmittag war die Seite von RT auf Deutsch noch online. „Die jetzt veröffentlichte Änderung ist in einer derartigen Eile beschlossen worden, dass sie zahlreiche Fragen offen lässt“, heißt es in einem Statement von RT. „So ist unklar, ob sich das Ausstrahlungsverbot auf Rundfunk und Fernsehen erstreckt oder auch auf textliche Online-Angebote, die eigentlich nicht der Regulierung unterliegen.“ Ebenso unklar sei es, an wen sich die Verordnung richte, „denn der Begriff des ,Betreibers‘ist weder in der jetzt beschlossenen Änderung noch in vorausgehenden Fassungen definiert“.
Update 2. März, 17.40 Uhr
SES teilt mit, dass einige der Kanäle auf den Satelliten des Luxemburger Unternehmens nach und nach abgeschaltet werden. „Eine größer werdende Zahl der Kanäle auf unseren Satelliten wurde im Laufe des Nachmittags abgeschaltet“, heißt es in einer Antwort auf eine Tageblatt-Nachfrage.
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