Deutschland / Schnelle Reform für legale Abtreibungen unwahrscheinlich
Abtreibungen sind in Deutschland grundsätzlich strafbar. Eine Expertenkommission empfiehlt hier Änderungen. Die Bundesregierung möchte jedoch in Ruhe darüber diskutieren – und lässt offen, ob es noch in dieser Legislaturperiode zu einer Gesetzesänderung kommen wird.
Das Thema polarisiert, die Debatte über Schwangerschaftsabbrüche hat das Potenzial zur Spaltung der Gesellschaft. Sollten Abtreibungen legal werden? Sollte Leihmutterschaft erlaubt werden? Es sind weitreichende, ethisch heikle Fragen, mit denen sich eine Expertenkommission beschäftigt hat im Auftrag der Ampel-Koalition. Die Ergebnisse liegen nun vor. Doch eine rasche Reform wird es voraussichtlich nicht geben.
Die Kommission unterteilt die Schwangerschaft in drei Phasen. Demnach empfiehlt das Gremium, eine Abtreibung in der Frühphase, den ersten zwölf Wochen, in jedem Fall straffrei zu stellen und als rechtmäßig zu kennzeichnen. Es obliege dem Gesetzgeber, das mit einer Beratungspflicht zu verbinden. In der mittleren Phase, bis zur 22. Woche, könne der Gesetzgeber entscheiden, unter welchen Voraussetzungen ein Abbruch straffrei sein solle. Ab der 22. Woche sei der Abbruch rechtswidrig. Bei medizinischer oder kriminologischer Indikation müsse es zudem weiterhin Ausnahmen geben, auch in späteren Phasen der Schwangerschaft.
Die 18 Mitglieder der Kommission empfehlen dem Gesetzgeber in ihrem 600 Seiten umfassenden Bericht zudem, die Eizellspende zuzulassen. Eine gesetzliche Grundlage müsse dann darauf beruhen, dass der notwendige Schutz der Spenderinnen und das Kindeswohl gewährleistet würden, sagte die zuständige Sprecherin der Arbeitsgruppe, Claudia Wiesemann. Beim Thema Leihmutterschaft tut sich die Kommission deutlich schwerer. Ein weiteres Verbot sei nachvollziehbar, sagte die zuständige Sprecherin, die Mainzer Juristin Friederike Wapler. Eine Legalisierung sei aber unter engen rechtlichen Voraussetzungen möglich. Zentral wäre dann, dass eine Ausbeutung der Leihmutter rechtlich verhindert werde.
Reaktion der Bundesregierung
Die Bundesregierung hat die Vorlage von Empfehlungen der Kommission zur Reform des Abtreibungsrechts begrüßt, aber Erwartungen an schnelle Änderungen gedämpft. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprach von einem „sehr wichtigen Bericht“. Nun brauche es vor möglichen Änderungen „einen breiten gesellschaftlichen und natürlich auch parlamentarischen Konsens“. Er warnte dabei aber vor einer weiteren „Debatte, die die Gesellschaft spaltet“. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) bezeichnete die Empfehlungen als „gute Grundlage für den nun notwendigen offenen und faktenbasierten Diskurs“. Zurückhaltender äußerte sich Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). „Inwieweit es möglich wäre, den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuchs zu regeln, ist eine äußert anspruchsvolle rechtliche, aber vor allem auch ethisch äußerst sensible und bedeutsame Frage“, sagte er.
Die Kommission hat verdeutlicht, dass in der früheren Phase einer Schwangerschaft das Selbstbestimmungsrecht der Frau überwiegt und in der späteren Phase das Lebensrecht des UngeborenenGrünen-Politikerin
Zugleich sieht man in der Grünen-Fraktion einen klaren Handlungsauftrag in dem Bericht. Die unabhängige Kommission habe sich sehr gründlich und ausführlich mit den Möglichkeiten einer Neuregulierung von Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland auseinandergesetzt, sagte die frauenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Ulle Schauws, auf Anfrage. „Die Kommission hat verdeutlicht, dass in der früheren Phase einer Schwangerschaft das Selbstbestimmungsrecht der Frau überwiegt und in der späteren Phase das Lebensrecht des Ungeborenen“, betonte die Grünen-Politikerin. „Daher ist eine Neuregelung von Schwangerschaftsabbrüchen außerhalb des Strafgesetzbuchs geboten.“
In Deutschland sei jede dritte Frau einmal in ihrem Leben ungewollt schwanger. Doch die Versorgungslage verschlechtere sich hierzulande rapide, kritisierte Schauws. Immer mehr Ärztinnen und Ärzte, die Abbrüche vornehmen, würden zeitnah in den Ruhestand gehen, und Schwangerschaftsabbrüche seien immer noch nicht Bestandteil der medizinischen Ausbildung. „Es ist aber Pflichtaufgabe des Staates, für eine wohnortnahe Versorgung zu sorgen“, mahnte die Grünen-Politikerin. Mit einer Entkriminalisierung und Entstigmatisierung ließe sich die Versorgung deutlich verbessern. Die aktuelle Regelung sei nicht mehr zeitgemäß.
Kritik aus der Opposition
Unionsfraktionsvize Dorothee Bär (CSU) warf der Ampel-Koalition vor, mit der Debatte eine Spaltung der Gesellschaft zu riskieren. „Die Ergebnisse der Kommission zum Thema Schwangerschaftsabbruch kann ich nicht mittragen, die gesamte CDU/CSU-Bundestagsfraktion kann dies nicht“, sagte Bär dem Tageblatt, und fügte an: „Ich hoffe darauf, dass besonders die FPD und hier konkret der Bundesjustizminister bei seinem Wort bleibt, das er in früheren Debatten gegeben hatte. Er sagte damals, dass die Aufhebung des Werbeverbots für Abbrüche keine Streichung des Paragrafen 218 nach sich ziehe.“ Mit Blick auf die Drohungen aus der Union, gegen eine mögliche Gesetzesreform in Karlsruhe zu klagen, sagte Bär weiter: „Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion kann nicht zu jeder Fehlentscheidung der Ampel vor das Bundesverfassungsgericht ziehen müssen.“
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Es gab eine Zeit, da war das Lebensrecht der (un)geborenen gutrassigen und das Todesrecht der (un)geborenen schlechtrassigen Kinder in Deutschland und in Luxemburg ein bevölkerungspolitisches Problem.
▪ „Geschlechtsverkehr mit andersrassigen Frauen“, 26. März 1943: Der Reichsführer SS wünscht, daß in denjenigen Fällen, in denen durch den Geschlechtsverkehr zwischen einem Angehörigen der SS und Polizei und einer fremdvölkischen Frau der besetzten Ostgebiete eine Schwangerschaft entsteht, grundsätzlich eine Schwangerschaftsunterbrechung durch den zuständigen Arzt der SS bzw. Polizei erfolgt, es sei denn, daß die betreffende Frau gutrassig ist.“ (IfZ, MA 333); Documenta occupationis (Anm. 163), Bd. IX, S. 246; Meldeblatt der Kriminalpolizeileitstelle Köln vom 10. Jan. 1944.
(„Schwangerschaftsunterbrechung bei Ostarbeiterinnen“)
(Gisela BOCK, Historikerin, Zwangssterilisation im Nationalsozialismus, 1986, Seite 519)
MfG
Robert Hottua