Islamistischer Anschlag / „Schockiert und traurig“ – Reaktionen von Luxemburgern aus Wien
Am Montagabend gegen 20 Uhr wurden Schüsse in der Seitenstettengasse in der Wiener Innenstadt gemeldet. Mittlerweile ist klar, dass es sich bei dem Anschlag um einen islamistischen Angriff handelt. Die Menschen in Wien sind „schockiert und traurig“.
Über den Montagabend verteilt und bis tief in die Nacht hinein hört die Wiener Bevölkerung Sirenen und Hubschrauber. In Chat-Gruppen werden Bilder und Videos geteilt. Eilig verlassen die Menschen am letzten Abend vor dem Lockdown Cafés und Restaurants. Es herrscht Chaos. Österreichs Regierung spricht von vier Toten und 14 Verletzten.
In einem Telefonat mit dem Tageblatt drückt Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sein Mitgefühl für die Betroffenen der Attacke aus. Unter den Verletzten sei auch ein Luxemburger Student, sagt Asselborn. Der junge Mann wurde am Montagabend am Ruprechtsplatz im Wiener Zentrum von einer Kugel in der linken Schulter getroffen, befindet sich jedoch nicht in Lebensgefahr. „Wir stehen in Kontakt mit der Familie des verletzten Luxemburgers und wir helfen ihnen wo wir können“ sagt Asselborn. Der Außenminister zeigt sich besorgt um das erneute Auftreten von islamistischen Attacken in Europa und erwartet jetzt eine klare Haltung der europäischen Politiker: „Ich hoffe, dass nicht noch zehn weitere Anschläge passieren müssen, bis die Politiker den Mut haben, die Gewalt zu verurteilen.“
Sander Janssen aus Monnerich studiert in Wien Architektur und war während des Angriffs in einem Restaurant im siebten Bezirk. Dort konnte man keine Schüsse hören – der Angriff fand im ersten Bezirk statt: „Wir haben es über die Nachrichten gesehen und sind dann sofort mit dem Auto nach Hause gefahren“, sagt Janssen und erklärt, dass Kinder am Dienstag nicht in die Schule müssen. Die Behörden raten den Wienern zudem davon ab, den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen. „Ein paar meiner Freunde mussten den Abend in ihrer Tanzschule verbringen, bis sie sicher nach Hause gehen konnten“, sagt der Student. In den Chat-Gruppen seien schnell Bilder und Videos vom Anschlag aufgetaucht. „Social-Media war wieder eine Katastrophe“, sagt Sander.
Tom Meyer aus Zolwer arbeitet als Barista in Wien und hat das Geschehen ebenfalls in den Chats mitverfolgt. „Ich habe den Fehler gemacht, mir die Videos vom Anschlag anzuschauen“, sagt Tom. „Bei einem sieht man aber zum Beispiel, wie ein Wiener den Attentäter aus dem Wohnungsfenster heraus beleidigt und eine Vase auf ihn schmeißt.“ Das sei der „Wiener Spirit“, der momentan noch nicht zu erkennen sei, aber demnächst auftauchen würde. Deshalb kann er auch ein bisschen seinen Chef verstehen, der ihn für Dienstag wieder zur Arbeit bestellt hat. „Einerseits bin ich wütend auf ihn und die Kunden, die heute in unser Geschäft kommen, nur um Café zu kaufen – andererseits verstehe ich es zu 100 Prozent und es zeigt, dass Wien nicht direkt den Kopf in den Sand steckt.“
Meyer hat bis 1 Uhr alle Newsticker und Texte gelesen, die er finden konnte. „Ich bin schockiert und traurig“, sagt er. „Man hört von solchen Attacken im Ausland, aber wenn das vor der eigenen Haustür passiert, dann ist das schon etwas anderes.“ Er sei momentan dankbar für die Menschen bei der Polizei und in den Krankenhäusern, die sich für andere in Gefahr begeben.
Chemie-Student Jim Cloos aus Canach verbrachte den Montagabend bei seiner Freundin im vierten Bezirk. „Der Ruprechtsplatz ist relativ beliebt bei Studenten und am Abend haben viele Menschen noch die letzte Feier-Gelegenheit vor dem Lockdown genutzt.“ Ein Freund von Jim war in der Gegend des Angriffes: „Er hat uns erzählt, dass die Polizei die Menschen angebrüllt und mit Waffen auf sie gezielt hat – es war ein ziemliches Chaos.“ Ab 21 Uhr seien auch im vierten Bezirk Sirenen und Hubschrauber zu hören gewesen. Das ging dann bis spät in die Nacht hinein: „Ich lag noch um 3 Uhr im Bett und konnte die Hubschrauber hören“, sagt Cloos. „Ich glaube, es war eine sehr unruhige Nacht für die Meisten.“ Die Situation sei noch immer angespannt, weil man nicht wisse „ob noch Angreifer herumlaufen oder nicht“.
„Ein Anschlag aus Hass“
Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz hat am Dienstagmorgen in einer Pressekonferenz bestätigt, dass vier „wehrlose Zivilisten kaltblütig ermordet“ wurden: Ein älterer Herr, eine ältere Dame, ein Passant und eine Kellnerin. 14 Menschen wurden mit Verletzungen in Krankenhäuser eingeliefert. Der Attentäter sei mit einem Sturmgewehr bewaffnet gewesen und habe außerdem als Attrappe einen Sprengstoffgürtel getragen. Die Polizei habe einen Täter erschossen und seine Identität festgestellt: ein 20-jähriger Wiener mit mazedonischen Wurzeln.
Wir werden uns von Terroristen nicht einschüchtern lassen. Wir werden unsere Grundwerte, unser Lebensmodell & unsere Demokratie mit aller Kraft verteidigen. Mit aller Entschlossenheit und ohne Kompromisse.
— Sebastian Kurz (@sebastiankurz) November 3, 2020
Kurz betonte allerdings, dass der Feind niemals alle Angehörige einer Religionsgemeinschaft seien, sondern nur die Extremisten und Terroristen. „Hierbei handelt es sich nicht um eine Auseinandersetzung zwischen Christen und Muslimen oder Ausländern und Österreichern, sondern zwischen Zivilisation und Barbarei“, sagte Kurz während der Pressekonferenz.
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