Deutschland / Scholz wirft Lindner aus Ampel-Koalition – und will Anfang Januar Vertrauensfrage stellen
Es ist entschieden, Bundeskanzler Olaf Scholz hat am Mittwochabend Finanzminister Christian Lindner aus der Koalition entlassen. Die Ampel ist damit gescheitert. Vorausgegangen war ein beispielloser Krimi.
Es lag den ganzen Tag in der Luft im politischen Berlin, nur eine Frage bestimmte jede Unterhaltung: Bleibt Christian Lindner in der Regierung oder nicht? Bis in den Abend hinein war unklar, ob der Finanzminister und FDP-Chef gehen würde. Mehrere Krisengespräche von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Lindner waren zuvor ohne Entscheidung zu Ende gegangen. Erst im Koalitionsausschuss am Mittwochabend kam dann der Knall – nach einer dramatischen Zuspitzung der Regierungskrise.
Lindner hatte Angaben von Insidern zufolge Neuwahlen in den Raum gestellt. Die Gespräche hätten gezeigt, dass keine ausreichende Gemeinsamkeit in der Wirtschafts- und Finanzpolitik herzustellen sei, zitieren Teilnehmer Lindner. Es sei im Interesse des Landes, schnell Stabilität und Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen.
Scholz soll den Vorschlag zu den Neuwahlen abgelehnt haben. Und gegen 20.30 Uhr war es dann so weit: Scholz entließ Lindner, warf den Finanzminister aus der Koalition. Es blieb ihm nach der Volte keine andere Wahl. Zuvor hatten die Spitzen von SPD, Grünen und FDP zweieinhalb Stunden beraten, um Wege aus der Ampel-Krise zu finden. Im Kern ging es darum, wie das Milliardenloch im Haushalt 2025 gestopft und die schwer angeschlagene deutsche Wirtschaft wieder auf Trab gebracht werden kann.
Zu oft hat Bundesminister Lindner Gesetze sachfremd blockiert. Zu oft hat er kleinkariert parteipolitisch taktiert. Zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen.
Doch aus Ampel-Kreisen hieß es, Lindner sei bereits mit einem fertigen Drehbuch in diese Woche der Entscheidungen gegangen. Er habe den Ampel-Bruch fest im Blick gehabt, sei dann allerdings durch die Verhandlungen mit Scholz und Habeck und durch den Trump-Wahlsieg in den USA noch einmal ins Zögern geraten. Bestätigt ist das nicht.
Keine Vertrauensbasis mehr
Als Scholz dann am Abend vor die Mikrofone tritt, ist ihm die Anspannung anzumerken. Mit klarer, harter Miene begründet er Lindners Rauswurf – das Statement wird zur Abrechnung. „Zu oft hat Bundesminister Lindner Gesetze sachfremd blockiert“, sagt Scholz. „Zu oft hat er kleinkariert parteipolitisch taktiert. Zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen.“ Es gebe keine Vertrauensbasis für die weitere Zusammenarbeit. „So ist ernsthafte Regierungsarbeit nicht möglich“, sagt Scholz. Ein solches Verhalten wolle er dem Land nicht weiter zumuten.
Scholz wirft Lindner auch Verantwortungslosigkeit vor. Als Finanzminister habe er keinen Willen gezeigt, auf Vorschläge zum Wohle des Landes einzugehen. Ihm sei es nur um Klientelpolitik und das kurzfristige Überleben der eigenen Partei gegangen. „Solcher Egoismus ist unverständlich.“ Es gebe kein Vertrauen mehr für eine Zusammenarbeit mit Lindner.
Und dann legt Scholz direkt einen Fahrplan vor: Am 15. Januar im Bundestag will er die Vertrauensfrage stellen, das deutet also auf Neuwahlen und nicht auf eine längere Phase mit einer rot-grünen Minderheitsregierung hin. Aber: Bis Weihnachten werde er alle Gesetzesvorhaben im Bundestag zur Abstimmung stellen, die keinen Aufschub duldeten, sagt Scholz. Dazu zählten der Ausgleich der kalten Progression bei der Steuer, die Stabilisierung der gesetzlichen Rente, die Reform der europäischen Asylpolitik wie auch Sofortmaßnahmen für die Wirtschaft.
Scholz wirbt um Zustimmung der Union
Scholz wirbt in seinem Auftritt um die Zustimmung der Union bei weiteren Projekten. Er wolle in zwei entscheidenden Fragen konstruktiv mit der Opposition zusammenarbeiten – „bei der schnellen Stärkung unserer Wirtschaft und unserer Verteidigung“. Die Wirtschaft könne nicht warten, bis Neuwahlen stattgefunden hätten, und es brauche Klarheit über die solide Finanzierung der Sicherheit und Verteidigung, so Scholz.
Ob das gelingen wird, ist völlig offen. Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) hat mit Blick auf die Umfragewerte eigentlich kein Interesse an einer längeren Fortsetzung von Scholz’ Kanzlerschaft als unbedingt nötig. CDU und CSU führen haushoch in den Umfragen, bei zeitnahen Neuwahlen hätten sie große Chancen, stärkste Kraft zu werden und Merz zum Kanzler zu machen.
Kurz nach Scholz tritt auch Vizekanzler Habeck vor die Kameras und betont, „dass sich das heute Abend falsch und nicht richtig anfühlt“. Obwohl Lösungsmöglichkeiten auf dem Tisch lagen, habe man die Haushaltslücke nicht schließen können. „Die FDP war nicht bereit, diese Wege zu gehen“, sagt Habeck. Die Entlassung von Finanzminister Christian Lindner sei letztlich so folgerichtig wie unnötig gewesen. Die Grünen wollen seinen Angaben zufolge nach dem Ende der Ampel-Koalition zunächst Teil einer Minderheitsregierung mit der SPD bleiben. Er spricht sich aber auch dafür aus, „jetzt zügig den Weg zu geordneten Neuwahlen freizumachen“.
Als FDP-Chef Christian Lindner auftritt, im Bundestag, gerät das Statement seinerseits zu einer Abrechnung mit Scholz. „Olaf Scholz hat leider gezeigt, dass er nicht die Kraft hat, unserem Land einen neuen Aufbruch zu ermöglichen“, sagt Lindner – und wirft Scholz vor, die Zusammenarbeit mit ihm und der FDP aufgekündigt und damit einen „kalkulierten Bruch dieser Koalition“ herbeigeführt zu haben.
Noch am Abend wollte die SPD-Bundestagsfraktion zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Es sind dramatische Stunden im politischen Berlin – der Ausgang ist ungewiss.
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