Keine neuen Maßnahmen / Schule: Gesetz zur Personal-Rekrutierung der A- und B-Wochen wird reaktiviert
Die Infektionszahlen in Luxemburg steigen in schwindelerregende Höhen. Ähnlich sieht es bei den neuen Infektionen an den Schulen aus. Neue Maßnahmen im Bildungswesen wurden vorerst keine beschlossen, sagt das Ministerium auf Tageblatt-Nachfrage. Stattdessen rekrutiert es viel neues Personal, um die zahlreichen Ausfälle zu kompensieren. Aus mehreren Ecken hagelt es Kritik am Laisser-faire des Bildungsministers. Ein Überblick.
Am vergangenen Freitag hat Luxemburgs Regierung neue Maßnahmen beschlossen, welche den seit Tagen steil ansteigenden Corona-Infektionszahlen entgegenwirken sollen. Am Sonntagabend wurde kurzfristig eine Kommissionssitzung des Bildungswesens für Montag einberufen. Dies sagte Claude Wiseler (CSV) am Montagmorgen in einem Interview auf Radio 100,7. Es sei rar, dass eine solche Sitzung so kurzfristig anberaumt werde, sagte Wiseler.
Wieso die Eile? Sollen nun etwa die Maßnahmen in den Schulen an jene, die am Freitag von der Regierung beschlossen wurden, angepasst werden? – Fehlanzeige. Auf Tageblatt-Nachfrage beim Bildungsministerium heißt es, dass in der Parlamentskommission vom Montag ein Text auf der Tagesordnung steht, der es dem Ministerium erlauben wird, bis zum Ende des Schuljahres zusätzliches Aufsichts- und Ersatzpersonal sowohl in den Grund- als auch in den Sekundarschulen zu rekrutieren.
Die Regelungen, welche die Regierung am vergangenen Freitag beschlossen hat, haben keinen Einfluss auf den Stufenplan in den Schulen
Neue Maßnahmen sollten demnach nicht beschlossen werden. Vorerst nicht. „Die Regelungen, welche die Regierung am vergangenen Freitag beschlossen hat, haben keinen Einfluss auf den Stufenplan in den Schulen“, so eine Sprecherin des Ministeriums. Die Maßnahmen dieses Plans bleiben somit unverändert. Punktuell soll aber ein Parallelismus zwischen dem neuen Gesetzesprojekt und verschiedenen Anweisungen hergestellt werden. Hierzu zählt das Bildungsministerium beispielsweise den Schultransport und die Kantinen. In der Tat, in vollgestopften Schulbussen ist die Einhaltung der Distanzregel zurzeit nicht möglich und in den Kaninen trägt man während des Essens keine Maske und sitzt zu mehr als zu viert an einem Tisch. Diese zwei Punkte passen nicht in die allgemeine Logik der sanitären Maßnahmen.
Gilles Baum, (DP) Sprecher der Kommissionssitzung für Bildung, sagt auf Tageblatt-Nachfrage, dass ein Gesetz in der Sitzung vom Montag vorbereitet wurde. Es soll die Grundlage schaffen, die es erlaubt, Lehrkräfte anzuwerben, ohne das dafür sonst notwendige vierwöchige Praktikum zu absolvieren. Das gleiche Gesetz war bei der „Rentrée“ im Juni gestimmt worden, um Personal für die sogenannten A- und B-Wochen zu rekrutieren. Nun werde es reaktiviert, so Baum. Es wird aber in dem Sinne ausgeweitet, dass auch in den „Lycées“ Personal eingesetzt werden kann, hier allerdings nur als Aufsichtskräfte, nicht als Lehrpersonal. In erster Linie werden Leute mit Bachelor eingestellt. Kann diese Bedingung nicht erfüllt werden, gilt als Mindestvoraussetzung der Besitz eines Abiturzeugnisses und die Beherrschung der drei Landessprachen. In der Kommissionssitzung habe sich Bildungsminister Claude Meisch (DP) nochmals für die Autonomie der Lyzeen ausgesprochen, beispielsweise in Bezug auf die Maskenpflicht.
Es hagelt Kritik gegen Claude Meisch
Dass an den bestehenden Maßnahmen nicht gerüttelt wird, trifft auf viel Unverständnis. Es hagelt Kritik aus unterschiedlichen Ecken. So hatte sich die Lehrergewerkschaft Féduse-CGFP bereits am Sonntag auf Facebook und dann am Montag via Pressemitteilung an die Öffentlichkeit gewendet. Das Schreiben ist an Claude Meisch gerichtet: „Här Minister, stoppt d’Märchestonn! Iwwerhuelt endlech Verantwortung, éier et ze spéit ass!“
Die Gewerkschaft stört sich insbesondere daran, dass in den Klassenräumen trotz rasant steigender Infektionszahlen weder eine generelle Maskenpflicht noch ein Mindestabstand gelten. Die Tatsache, dass das Bildungsministerium weiter behauptet, dass sich die aktuellen Maßnahmen aus dem Stufenplan bewährt hätten und ausreichten, ist für die Féduse ein Märchen. Ein geregelter Präsenzunterricht sei in vielen Schulen nicht mehr möglich und viele Kurse würden aufgrund zahlreicher Quarantänen ganz ausfallen. Dazu gehören der Sportunterricht, „Travaux pratiques“ und die Berufsausbildung. Durch die aktuelle Entwicklung werde sich die Situation in den nächsten Wochen weiter zuspitzen, wenn nicht gegengesteuert werde, so die Gewerkschaft.
Auch die ACEN („Association des chargés de l’enseignement national“), die Gewerkschaft der „Chargés“, sowie die ADR-Fraktion haben am Montag Pressemitteilungen verschickt, in denen sie sich über die aktuelle Situation beklagen und neue Maßnahmen in den Schulen fordern. Die ADR fordert unter anderem transparente Zahlen zu den Infektionen in den Schulen und fordert Meisch auf, etwas gegen den überfüllten Schülertransport zu unternehmen. Auch solle das Ministerium prüfen, inwiefern Homeschooling sowie das Splitting der Klassen in A- und B-Gruppen möglich sei.
Die ACEN zeigt sich nicht nur besorgt über das aktuelle Infektionsgeschehen, sondern auch über die mangelnde Kommunikation des Bildungsministeriums und die horrenden Logikfehler, die aktuell produziert würden. Durch die zahlreichen Abwesenheiten und Isolationen sei es überhaupt nicht einfach, den Schulbetrieb weiter am Laufen zu halten. Nicht unbedingt notwendige außerschulische Aktivitäten sollten laut ACEN in diesen Zeiten eingeschränkt oder abgesagt werden. Nicht logisch findet die ACEN die Tatsache, dass Schüler einerseits in den Schulen isoliert werden müssen und andererseits in vollgestopften Schulbussen eng zusammengepfercht sind.
Drei Gründe für die Personalaufstockung
Das Bildungsministerium sieht aber vorerst keinen Bedarf, die aktuellen Maßnahmen zu überdenken, und sucht stattdessen nach neuem Personal. Auf Tageblatt-Nachfrage gibt das Ministerium gleich mehrere Gründe für den Bedarf an Personal an. Erstens: Im Herbst und Winter gibt es grundsätzlich mehr Ausfälle wegen Krankmeldungen. Hier muss man sich allerdings die Frage stellen, ob dies nicht allgemein bekannt ist und demnach zu erwarten war. Zweitens gibt es Lehrer, die wegen Quarantäneverordnungen nicht in ihren Klassen unterrichten können. Und drittens werden schwangere Lehrerinnen jetzt bereits am Anfang ihrer Schwangerschaft als vulnerabel eingestuft.
Ein Blick auf die aktuell vom Bildungsministerium publizierten Infektionszahlen in den Schulen lassen aufhorchen und erklären, wieso es einen Mangel an Personal gibt. Innerhalb einer Woche (17. bis 23. Oktober) haben sich 257 Schüler und 114 Lehrer mit Covid-19 infiziert. Diese Zahlen verraten also, wieso nun plötzlich Eile bei der Rekrutierung angesagt ist. Die 114 neu infizierten Lehrer und ihre zahlreichen Kollegen, die hier nicht aufgelistet sind und die immer wieder in Quarantäne gesetzt werden, müssen irgendwie ersetzt werden, wenn man nicht möchte, dass das ganze System zusammenbricht. Das Bildungsministerium muss also tatsächlich massiv aufrüsten.
Ein gutes Beispiel dafür, dass eine Schule mangels Lehrern nicht mehr richtig funktionieren kann, ist das ECG („Ecole de Commerce et de Gestion“). Am Montagnachmittag hat die Schule sämtliche Klassen für mehrere Tage ins Homeoffice versetzt. Direktor Joseph Britz sagt gegenüber dem Tageblatt, dass die Entscheidung eine rein organisatorische sei. „Das hat keinen sanitären Hintergrund“, sagt er. Im ECG sind zehn Lehrer sowie die Direktion auf Anordnung der „Santé“ unter Quarantäne gestellt worden, sagt der Direktor. Er selbst sei auch betroffen. Diese Personen standen alle in Kontakt zu dem Beamten aus der Verwaltung, der positiv getestet wurde.
Britz kann den Unterricht mangels Lehrkräften und Ersatzpersonal nicht so organisieren, wie es seiner Auffassung nach notwendig wäre, um qualitativ anspruchsvolle Kurse anzubieten. „Aus Respekt vor der Qualität des Unterrichts switchen wir nun in das Homeschooling.“ Über das Programm MS Teams können nun auch die Lehrer, die in Quarantäne sind, ihren Unterricht normal abhalten.
Weil er nicht weiß, wann die Ergebnisse des getesteten Personals verfügbar sind, und weil in der nächsten Woche Ferien sind, hat er sich in Absprache mit den Lehrern dazu entschlossen, den Unterricht bis zum nächsten Freitag inklusive ins Homeschooling zu verlagern. Habe man die negativen Resultate davor, könne man auch schon früher wieder zum Präsenzunterricht übergehen. Im ECG gab es laut Britz seit der „Rentrée“ nur einen positiven Fall bei den Schülern. Auch Infektionsketten habe es keine in seinem Lyzeum gegeben. Die Schule sei außerdem nicht geschlossen. Das technische Personal ist vor Ort und auch die Abendkurse anderer Organisationen, die dort stattfinden, sollen weiterlaufen.
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Ça dit bien cel?