Luxemburg / „Seit einem Monat wächst kein Futter mehr“ – Trockenperiode belastet Agrarproduktion
Seit Wochen genießt Luxemburg sommerliche Temperaturen um die 30 Grad: Gute Voraussetzungen zum Sonnenbaden, allerdings weniger günstig für die Landwirtschaft. Die Bauern hoffen auf baldigen Regen, um die Schäden an ihrer diesjährigen Produktion zu minimieren. Einige Regionen des Landes wurden von der Dürre besonders hart getroffen und müssen zum Teil mit einem Totalausfall rechnen.
Bräunliche Wiesen, staubige Felder, ausbleibender Niederschlag, ein Rückgang der Grundwasserspeicher und Temperaturen von bis zu 36 Grad kennzeichnen den diesjährigen Sommer in Luxemburg. Dass diese Wetterbedingungen nicht ideal für die Landwirtschaft sind, dürfte allen, die schon mal selbst ihr eigenes Gemüse angepflanzt haben, klar sein. Das Tageblatt hat beim Präsidenten des „Fräie Lëtzebuerger Bauereverband“ (FLB), Aloyse Marx, und beim Landwirtschaftsministerium nachgefragt, mit welchen Konsequenzen sie für die diesjährige Ernte rechnen.
„Seit einem Monat wächst kein Futter mehr“
Zu diesem Zeitpunkt seien detaillierte Angaben zu den Einbußen aufgrund der Trockenheit noch nicht abwägbar, teilt das Landwirtschaftsministerium auf Tageblatt-Nachfrage mit. Mitte September werde allerdings bei den alljährlichen „Erntegesprächen“ zwischen den Vertretern des Landwirtschaftssektors und dem Landwirtschaftsminister das Erntejahr einer Gesamtanalyse unterzogen.
Bewässerung in Luxemburg
Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern werden die Ackerbaufelder in der Luxemburger Landwirtschaft nicht bewässert, so das Landwirtschaftsministerium. Obst- und Gartenanbau seien hierbei die Ausnahme. Demnach könne man auch hierzulande nicht von einer großflächigen Bewässerung sprechen.
Aloyse Marx hingegen macht auf regionale Unterschiede bezüglich der Auswirkungen des Trockenstresses auf die diesjährige Produktion aufmerksam. Den Südosten des Großherzogtums habe es am härtesten getroffen, weil diese Region noch wesentlich weniger Regen abbekommen habe als der Rest des Landes: Um die Lage in Worte zu fassen, „katastrophal ist da noch ganz milde ausgedrückt“, sagt Marx gegenüber dem Tageblatt. Seit dem Frühjahr habe es dort im Grunde nicht mehr richtig geregnet – praktisch jeder Bereich sei davon betroffen. Demnach habe es in dieser Region des Landes eine „katastrophal schlechte Ernte“ gegeben.
In den anderen Regionen Luxemburgs habe es im Mai und im Juni Niederschlag gegeben, was laut Marx bei den Agrarkulturen den Umständen entsprechend eine mehr oder weniger normale Ernte ermögliche. Auch das Ministerium lokalisiert die durch den Trockenstress verursachten Schäden am Getreide vor allem auf den Süden des Landes. Im Norden halte sich der Schaden noch „in Grenzen“ und „allgemein ist die Qualität des Getreides aktuell gut“.
Was die Futtermittelproduktion betrifft, ist die Lage landesweit äußerst problematisch: „Seit einem Monat wächst kein Futter mehr auf Weiden und Wiesen und die Grünlandflächen trocknen aus“, geht aus dem Antwortschreiben des Ministeriums hervor.
Reserven gehen zur Neige
Doch „wir hatten Glück im Unglück“, meint Marx. Die meisten Betriebe besäßen noch Futterreserven aus dem vergangenen Jahr, die sie diesen Sommer an ihre Tiere verfüttern können. Demnach müssten Kunden nicht mit kurzfristigen Preissteigerungen (bei Milch und Fleisch) aufgrund der Trockenheit rechnen – kommendes Jahr könnte das allerdings schon anders aussehen. Das Problem: Die Reserven, die die Bauern jetzt aufbrauchen, würden wiederum im Herbst und Winter fehlen. Wenn die derzeitigen Wetterverhältnisse weiter bestehen bleiben, „dann wird es ein sehr langer Winter“, meint Marx. Luxemburgs Milchbauern und Viehzüchter stehen unter großem Druck.
Sollte es jedoch in den nächsten Wochen mal wieder nennenswerten Niederschlag geben, dann könnten die Landwirte ihre Reserven wieder aufstocken und die Lage würde sich etwas entspannen. Der Schaden am Mais bleibe allerdings irreversibel. Das Ministerium präzisiert, dass sich die nationalen Maiskulturen in unterschiedlichem Zustand befinden – sie reichen vom Totalschaden bis hin zu Kulturen, die noch nicht unter der Trockenheit gelitten haben.
Spätestens Mitte August, und somit drei bis vier Wochen früher als üblich, werde die Silomaisernte beginnen. Bis dahin sei laut Landwirtschaftsministerium Regen entscheidend. Wobei es mit einem Regenschauer an einem einzigen Tag nicht getan ist. Das richtige Ausmaß an Niederschlag über mindestens ein bis zwei Wochen verteilt sei ausschlaggebend, um das Schlimmste noch abzuwenden, sagt Marx.
Wintergetreide weniger stark betroffen
Doch auch im Garten- und Obstbau sieht die Lage nicht ganz rosig aus: „Im Feingemüseanbau (Blattgemüse, Fruchtgemüse …) ist eine Produktion ohne Bewässerung in der momentanen Lage nicht machbar“, schreibt das Landwirtschaftsministerium. Bei ausreichender Bewässerung würden diese Kulturen aber noch gut wachsen. Allerdings dürften dabei die Kosten nicht außer Acht gelassen werden. Das treffe laut Marx besonders auf Freilandbauern zu. Doch auch bei länger stehenden Kulturen, die nicht so viel Wasser benötigen, wie etwa Kohl-, Wurzel- und Knollengemüse, mindert der Trockenstress Wachstum und Qualität, so das Ministerium. Für endgültige Aussagen sei es allerdings noch zu früh.
Wintergetreide und Raps hingegen seien weniger stark von der Trockenperiode betroffen. Da gebe es laut Landwirtschaftsministerium im Norden des Landes sogar Aussichten auf gute Erträge.
Im Weinbau müssten junge Reben verstärkt bewässert werden, jedoch würden auch alte unter der Trockenheit leiden. Das Weinbauinstitut rechne mit größeren Ertragsverlusten. Was die Qualität betrifft, dürfte sich die Trockenheit positiv auf die roten Trauben auswirken, geht aus der Antwort des Ministeriums hervor. Beim Weißwein sei es für eine Qualitätsbeurteilung noch zu früh.
Alles unvorhersehbar
„Wir stellen uns derzeit Fragen, die wir uns in der Vergangenheit nicht gestellt haben oder nicht stellen mussten“, sagt Marx. Mit einer äußerst volatilen Preisfront und dem extrem unsicheren Wetter sei inzwischen alles so unvorhersehbar geworden, dass das Erstellen verlässlicher Prognosen unmöglich geworden ist. Aber eben das würde den Beruf ausmachen: „Als Unternehmer muss man in die Zukunft planen können“, meint der Präsident des FLB.
In den Jahrzehnten davor habe es bestimmte Wettermuster gegeben, in denen im Wechsel einige Wochen „gutes“ und einige Wochen „schlechtes“ Wetter herrschte. Doch die jüngere Entwicklung, bei der es oft über Monate hinweg regnet oder aber konstant nur die Sonne scheint, ohne einen Tropfen Wasser, sei für die Landwirtschaft sehr schwer zu bewältigen. Sicherlich habe es früher auch schon Trockenperioden gegeben, diese seien aber meistens regional begrenzter gewesen.
Kostenfaktor Düngemittelpreise
Nicht nur die Trockenheit, sondern auch die wegen des Ukraine-Kriegs durch die Decke gegangenen Düngemittel- und Energiepreise setzen den Landwirten stark zu. Im April/Mai hätten die Düngemittelpreise ihren Höhepunkt erreicht und seien laut Marx rund das Vierfache im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Inzwischen seien die Preise wieder auf „nur“ das Zwei- bis Dreifache im Vergleich zu vergangenem Oktober gesunken. Das bestätigt auch das Landwirtschaftsministerium. Allerdings sei die Düngemittel-Nachfrage gerade zu dieser Jahreszeit auch relativ gering.
Insgesamt seien die Produktionskosten in der Landwirtschaft deutlich gestiegen, was sich wiederum auf die Preise der Erzeugnisse ausgewirkt hat. „Ob und in welchem Ausmaß eventuell weitere Steigerungen zu erwarten sind, hängt überwiegend von der Lösung des Abtransports der Getreidevorräte aus der Ukraine ab. Dieser Faktor beeinflusst die Märkte derzeit weltweit am stärksten“, schreibt das Landwirtschaftsministerium.
Die Trockenheit in einigen Regionen Europas habe wiederum einen eher geringen Einfluss auf die Preise des Weltmarkts für Agrarprodukte und somit auch auf jene von Lebensmitteln. Auch die mögliche Energieknappheit (Erdgas) werde weiterhin preistreibend sein – in welchem Ausmaß, sei allerdings nicht vorhersehbar.
Viele Bauern hätten sich mittlerweile einen gewissen Düngemittelvorrat fürs nächste Jahr angelegt, da niemand wisse, ob kommendes Jahr welches verfügbar sein wird und zu welchem Preis. Ersten Schätzungen zufolge wurden dieses Jahr etwa 30 Prozent weniger mineralische Stickstoffdünger ausgebracht, so das Ministerium. Die organischen Dünger seien umso gezielter eingesetzt worden. Insgesamt seien die Auswirkungen der Trockenheit auf die Qualität der Sommerfrüchte größer als der geringere Düngemitteleinsatz.
Geradewegs in die nächste Abhängigkeit hinein
Der staatliche Rabatt auf Kraftstoffe sei zwar in einigen Bereichen um einen Monat verlängert worden – die Landwirtschaft falle allerdings nicht darunter. Demnach sei die staatliche Unterstützung in diesem Bereich nicht mehr als eine „eine Lachnummer“, so Marx. Wie so oft werde die Luxemburger Landwirtschaft links liegengelassen. „Das fügt sich ein in eine Strategie, die immer erkennbarer wird“, meint Marx.
Die Regierung lasse zunehmend erkennen, dass die nationale Lebensmittelproduktion nicht zu ihren Prioritäten gehört – im Gegenteil: Obwohl die Luxemburger Landwirtschaft weitaus fortschrittlicher und klimafreundlicher als jene in anderen Ländern sei, müsse sie immer mehr dem Erreichen nationaler Klimaziele weichen – anstatt dass sie weiter ausgebaut und unterstützt würde.
Erst kürzlich sei sich Europa seiner Energieabhängigkeit schmerzlich bewusst geworden, und nun manövriere sich Luxemburg geradewegs in eine Lebensmittelabhängigkeit hinein – „aus Gründen, die vonseiten der Landwirtschaft nicht nachvollziehbar sind“, sagt Marx.
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Hier im Osten sehe ich das Mais trotzdem gen Himmel wachsen. Bauern eben…