Klimawandel / Seniors for Climate: „Klimakonform leben kann wunderschön sein“
„Youth for Climate“ ist vielen ein Begriff. Staunend verfolgten viele, wie es die jungen Leute in Massen für die Begrenzung des Klimawandels auf die Straße trieb. Sie waren laut und nicht zu übersehen in ihrem Anliegen, eine lebenswerte Zukunft haben zu wollen. Jetzt machen die „Seniors“ es ihnen nach und gründen ebenfalls eine Bewegung. Auch sie treibt das Thema auf die Straße.
Die „Seniors for Climate“ rennen gegen Vorurteile an. „Wir können doch nicht auf die Bäume zurück“ oder „was kostet das Ganze denn?“ sind nur zwei der gängigen Kommentare, die immer dann von älteren Gesprächspartnern kommen, wenn es um Klimawandel geht. „Es ist das genaue Gegenteil“, sagt Lucien Reger (62). „Wenn wir nichts machen, dann kosten uns die Folgen richtig viel Geld.“
Reger ist im wohlverdienten Ruhestand, wie es so schön heißt. Doch eigentlich ist er im Unruhestand. Zusammen mit anderen baut er gerade die Sektion „Seniors for Climate Luxembourg“ auf. Informieren, Sensibilisieren, der Resignation und dem Mainstream-Lebensstil etwas entgegensetzen oder jahrzehntelang über Werbung und Konsumverhalten trainierte Lebenswelten hinterfragen – die selbst gewählte Aufgabenliste der noch jungen Bewegung ist umfangreich.
Seniorinnen aus der Schweiz geben Anstoß
Ihren ersten offiziellen Auftritt haben sie schon hinter sich. Am 29. März reisen die Aktivisten, die sich lieber gesellschaftlich engagieren als die sprichwörtlichen Rosen im Garten zu züchten, nach Straßburg. Sie unterstützen die „Klimaseniorinnen Schweiz“ bei ihrer öffentlichen Anhörung vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Die Frauenorganisation mit nach eigenen Angaben über 2.000 Mitgliedern im Pensionsalter hatte Klage eingereicht.
An dem Tag tragen sie Erkenntnisse aus Studien vor, die belegen, dass der Klimawandel mit den großen Temperaturschwankungen vor allem für Frauen ab 65 Jahren eine ernsthafte gesundheitliche Belastung ist. Der Schutz der Gesundheit der Bürger aber ist eine staatliche Aufgabe und ein Grundrecht. Sollten die Richter die Verbindung zwischen Gesundheit und Klimawandel per Urteil anerkennen, ist der Weg frei, die nationale Politik zu zwingen, mehr gegen den Klimawandel zu tun.
Es wäre ein Präzedenzfall. Von denen hatte Reger viele, denn ein respektvoller Umgang mit der Natur und ihren Ressourcen zieht sich durch das Leben des „Babyboomers“. Als gelernter Elektriker repariert der gebürtige Kayler nach seiner Ausbildung acht Jahre lang Waschmaschinen. Dabei macht er eine Entdeckung: Sie sind oft gar nicht kaputt, sondern nur verstopft, weil zu viel Waschmittel verwendet wurde. Das gibt ihm zu denken und er hat eine Idee.
Ein von Umweltbewusstsein geprägtes Leben
Mit Genehmigung seines Chefs beginnt er nebenbei einen Handel mit biologischen Waschmitteln, repariert die Maschinen und berät die Kunden. Obwohl er viel Wert auf ein ökologisches Bewusstsein legt und dem Taten folgen lässt, ist der Erfolg mäßig. Heute sieht er sich mit seinem frühen Handeln bestätigt. Er ist von jeher jemand, der beim Kauf eines Autos, während der Verkäufer noch die Vorteile von Sitzheizung, elektrischen Fensterhebern oder der Klimaanlage anpreist, als Erstes nach dem Verbrauch fragt.
Und er macht sich schon immer Gedanken über das Für und Wider einer Flugreise und lehnt Produkte aus China wegen des langen Transportweges ab. Etwas später gründet er in Bonneweg ein Geschäft, in dem er unter hohen ökologischen und sozialen Standards hergestellte Produkte verkauft. Mit „Non-Food-Bio-Buttek“ charakterisiert er seine Idee. Er ist Mitbegründer des „Weltbuttek“ in Esch und seit seiner Jugend Mitglied bei Greenpeace.
Seine erste Begegnung mit Umweltfragen hat er als 15-Jähriger. Er engagiert sich noch als „Lycée technique“-Schüler bei Demonstrationen der Atomkraftgegner in Luxemburg. An den ersten selbstproduzierten Aufkleber der Bewegung erinnert er sich noch genau. Er war genauso groß wie der mit „Atomkraft? Nein danke“, aber er war blau. Und die luxemburgische Bewegung wählte Gänseblümchen als Symbol für ihre Botschaft.
„So gesehen hatte Cattenom etwas Positives“, sagt er. „Da habe ich angefangen, mir Gedanken zu machen über Umwelt, Natur, Nachhaltigkeit.“ Dass die EU kürzlich Atomkraft als „saubere“ Energie klassifiziert hat, ist für ihn ein Treppenwitz der aktuellen Politik.
Etwas Sinnvolles im Leben machen
Bei Simon Norcross (66) kommt der Moment, sich für den Klimawandel zu interessieren, später. Während seiner Berufstätigkeit und der Zeit, als seine Kinder noch klein sind, fehlt die Zeit, sich damit zu beschäftigen. Als seine Kinder älter sind – er arbeitet zu dem Zeitpunkt als Informatiker bei einer Bank –, geht es los. Das war 2004. „Da ist mir klar geworden, wie schwerwiegend die Folgen des Klimawandels sind“, sagt er. Die Tragweite schockiert ihn. Auch er ist langjähriges Mitglied bei Greenpeace und unterstützt mit Spenden. Der Wunsch, etwas Sinnvolles für die Gesellschaft tun zu wollen, wächst. Als er 2009 in Pension geht, engagiert er sich aktiv bei der NGO.
Über den Kontakt stößt er zu den Gründungswilligen von „Seniors for Climate Luxembourg“. „Ich finde es wichtig, dass es die ‚Seniors’ gibt“, sagt er. „Und jetzt habe ich Zeit, mich zu engagieren.“ Sein soziales Engagement versteht er als Mittel, um Druck auszuüben. Ähnlich wie Reger vermisst Norcross die Ernsthaftigkeit im politischen Handeln angesichts einer Uhr, die tickt. Die „Seniors“ sehen sich als Unterstützer der Jugend. Nicht oberlehrerhaft, sondern in Solidarität.
Mit ihrer Lebenserfahrung sehen sie sich als wertvolle Zeitzeugen einer sich über nur zwei Generationen stark wandelnden Welt. Weite Teile ihres Lebens haben ohne Smartphone stattgefunden, der Begriff „Selfie-Gesellschaft“ war noch nicht geboren, und sie kennen aus Erzählungen ihrer Eltern ein Luxemburg, das im Winter zwei Monate ununterbrochen mit einer zwei Meter dicken Schneedecke bedeckt ist. „Ich selbst habe das schon nicht mehr erlebt“, sagt Reger. „Es ist vielen nicht bewusst, wie schnell der Klimawandel sie betreffen wird.“
Es ist menschlich – trotz allen Wissens – das Thema woanders verorten zu wollen, nur nicht im eigenen Vorgarten. Wegdiskutieren lässt es sich nicht mehr. Dafür haben Wissenschaftler, Klimakonferenzen und Weltklimarat zu viele Fakten präsentiert und mediale Aufmerksamkeit errungen. Den „Seniors“ und ihren jungen Mitstreitern aber geht alles viel zu langsam. „Klimakonform leben kann wunderschön sein“, sagt Reger aus eigener Lebenserfahrung. „Aber wir dürfen damit nicht noch zehn Jahre warten.“
Kontakt
Die „Seniors“ suchen Mitstreiter. Zwar melden sich derzeit viele, aber nur sehr wenige Frauen. Anmeldungen sind per E-Mail an Myrna.koster@greenpeace.org oder telefonisch unter der Nummer 54 62 52-1 von Greenpeace Luxemburg möglich.
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Die einen kleben sich am Asphalt fest die anderen steigen auf Bäume. Das sieht nach Verzweiflung aus. Wenn ich mit 70 in eine Baumhütte umziehe,gesetzt den Fall ich komme noch hoch,dann nützt das wenig solange die ganz großen sich einen Dreck um´s Klima scheren.Aber gut: es beruhigt das Gewissen.Aber passt auf wenn die Herbststürme kommen,gut festhalten.
Dann bewegen die sich sicher nur per pedes oder mit dem Fahrrad fort. Alter schützt vor Torheit nicht.
Diese Senioren sollten sich mehr interessieren und informieren für und über die Bodentemparatur in 1,20 bis 1,50 Meter unter der Erde.