Porträt / Sex als Beruf: Evelyna, die Prostituierte aus Luxemburg
Evelyna ist ihr Künstlername und Sex ihr Beruf. Wer steckt hinter der Person, die durch eine Fernsehreportage landesweite Berühmtheit als Prostituierte aus Luxemburg erlangte?
Seit einiger Zeit schon zieht sie die Blicke der Escher auf sich: Evelyna kommt fast täglich zum Rathausplatz, um auf der Terrasse einer Brasserie etwas zu trinken und Bekannte zu treffen. Sie trägt ein enges rotes Kleid. Ihre Alltagskleidung, wie sie sagt: „Mich siehst du nicht im Jogging.“ Mit ihren Reizen geizt sie nicht, das wäre auch wenig geschäftsfördernd. Evelyna ist eine Escortdame, ihr Körper ist ihr Kapital. Sie heißt nicht wirklich Evelyna. Es ist ein Künstlername. „Evelyna Exclusiv“ nennt sie sich in den einschlägigen Sex-Portalen. Exklusiv möchte sie nicht nur sein, sie ist es auch. Allein schon deshalb, weil sie als geborene Luxemburgerin eine Ausnahme im Erotik-Business ist und weil sie offen über ihren Beruf spricht. Seit einer RTL-Reportage Anfang des Jahres ist sie bekannt im Land, auch wenn die wenigsten offen zugeben, schon mal von ihr gehört zu haben.
„Der Name Evelyna ist ein wenig provokativ. Die Leute sind sofort ein bisschen schockiert“, erklärt die 24-Jährige. „Oft reden die Leute Französisch mit mir, weil sie denken, ich wäre eine Osteuropäerin wie so viele Sexarbeiterinnen in Europa.“ Den Künstlernamen hat sie sich als Schutz ihrer Familie zugelegt. „Aber inzwischen weiß sowieso jeder, wer ich bin. Das Land ist klein“, sagt sie. Begeistert ist ihre Familie nicht über Evelynas Berufswahl, trotzdem steht sie voll hinter ihr: „Natürlich hat mein Vater erst einmal geschluckt, als ich mit 15 den ersten Freund mit nach Hause brachte. Er war älter als er. Ich war nie ein gewöhnliches Mädchen“, sagt sie schmunzelnd. Während sich die Gleichaltrigen mit Party und Facebook beschäftigten, interessierte sich Evelyna früh für Erotik und das damit verbundene Abenteuer.
Trotzdem schlug sie zunächst einen anderen Berufsweg ein. Drei Jahre saß sie am Empfang des Schifflinger Rathauses. Doch die Arbeit war ihr zu eintönig. „Das hat mich nicht erfüllt. Ich wurde ein wenig depressiv. Der Tod meiner besten Freundin hat mich zum Umdenken gebracht. Da wurde mir bewusst, dass das Leben zu jedem Moment vorbei sein kann. Also habe ich beschlossen, mein eigenes zu ändern.“ Mit einem Freund fuhr sie nach Saarbrücken und meldete sich dort als Prostituierte an. In Deutschland ist Prostitution legal und streng geregelt. Die Sexarbeiterinnen müssen sich registrieren und einigen Gesundheitschecks unterziehen. Evelyna fing an, in einem Bordell in Saarbrücken zu arbeiten, doch sie fand keinen richtigen Draht zu den anderen Mädchen und gab den Job schnell wieder auf. Zudem lernte sie die Schattenseiten des Berufs kennen. „Ich habe die vielen traurigen Geschichten, die Verzweiflung der Mädchen aus dem Ausland nicht vertragen.“
Seitdem versucht sie sich als Selbstständige. Das ist ihr legaler Status in Luxemburg. Hier ist sie keine Prostituierte, sondern ein Escortmädchen. Sie wird vom Kunden für ihre Dienstleistung bezahlt, für die Begleitung, nicht für Sex. Kommt es zum Sex, dann ist der einvernehmlich. So die Theorie. Eine typisch luxemburgische Lösung. Jeder weiß es, jeder redet darüber, aber es findet hinter verschlossenen Türen statt. Nach dem Motto: Was wir nicht sehen, das gibt es auch nicht. Dass Sex und vor allem käuflicher Sex im 21. Jahrhundert noch immer ein Tabuthema ist, findet Evelyna nicht normal. Verstecken kommt für sie nicht infrage.
Anderssein
Salomé Balthus ist eine deutsche Autorin und Prostituierte. Die Textpassage „Anderssein“ gefällt Evelyna ganz besonders, denn sie findet, dass sie auch perfekt auf ihre Person passt: „Ich bin ja nicht anders, weil ich Hure bin. Ich bin nicht eines Morgens aufgewacht und habe gesagt: ‚Ach, jetzt werde mal Hure!‘ Mir war ziemlich klar, was ich da tue. Ich bin Hure, weil ich mich von vornherein anders gefühlt habe. Es braucht gewisse innere Voraussetzungen, wenn man – so wie ich – diesen Beruf selbstbestimmt ergreift, nicht genötigt wird, es zu tun oder es die einzige Option ist.“
Deshalb sitzt sie auch gerne am Rathausplatz und freut sich, wenn sie angesprochen wird. „Meistens wollen die Leute ein Foto mit mir. Ich ernte aber auch so manchen bösen Blick von Frauen.“ Die meisten ihrer Kunden sind verheiratete Männer, die etwas Neues ausprobieren wollen. Fremdgehen findet Evelyna nicht schlimm: „Ich halte Monogamie für eine Illusion“, sagt sie. Jünger als 40 sollen die Kunden nicht sein, das ist ihre Regel. Sie will eine Edelprostituierte sein und nennt sich deshalb „Evelyna Exclusiv“. Ihre Freier sollen Stil und natürlich auch Geld haben. „Die jüngeren Männer wollen sofort über den Preis diskutieren, dabei ist der nicht verhandelbar“. So offen sie auch über ihren Beruf redet, ihren Stundenpreis möchte sie nicht in der Zeitung lesen. „95 Prozent meiner Kunden sind Männer, aber auch Frauen buchen mich.“ Zum Sex kommt es dabei nicht immer. Oft möchten die Kunden einfach nur reden, so Evelyna.
Ich habe nichts verbrochen, habe kein schlechtes Gewissen und bereue meine Entscheidung nicht. Im Gegenteil: Ich brenne für mein Leben, es ist meine Leidenschaft.Prostituierte
Die Kontaktaufnahme läuft über Internetportale wie kaufmich.com oder myescort.lu. „Ech lëen vill Wert op Manéieren, Aanhéicht, Respekt & Niveau“, ist hier neben ihren Bildern zu lesen. Zunächst einmal kommt es zum Schriftverkehr. Über die Art und Weise, wie der potenzielle Freier die SMS schreibt, erfolgt eine erste Einschätzung. Auch werden bereits hier die Wünsche des Kunden ausgelotet. Obwohl Evelyna offen für alles ist, gibt es Grenzen. „Es muss menschlich bleiben“, sagt sie. Getroffen wird sich im Hotel oder beim Kunden, nie in ihrem Haus in der Grenzregion. Sie möchte nicht, dass die Freier wissen, wo sie wohnt. Eine Vorsichtsmaßnahme. Es ist schon schwierig genug, sich die Stalker vom Hals zu halten. Vor kurzem ist jemand in ihr Haus eingebrochen. Seitdem schläft sie auf dem Sofa, um verdächtige Geräusche besser hören zu können – den Baseballschläger stets in Griffweite. Bei der Arbeit ist sie noch nie in eine gefährliche Situation geraten. „Das Auftreten ist wichtig. Ich habe Selbstvertrauen. Meine größte Waffe ist mein Mut und mein Glaube. Der Glaube an mich selbst und vor allem an Gott und meine Schutzengel machen mich stark.“
Bodenständig und religiös
In eine Schublade lässt sich Evelyna nicht stecken. Es gibt durchaus Widersprüche in ihrem Leben. Sie ärgert sich über eine verklemmte Gesellschaft, ist aber gleichzeitig religiös. Da spielt es keine Rolle, dass die Kirche jahrhundertelang der Gesellschaft ihre Sexualmoral aufgedrängt hat. „Die Religion gibt mir Halt. Ich gehe samstags und sonntags in den Gottesdienst.“ Und zwar in ihrer Alltagskleidung. „Aber ich ziehe einen Mantel darüber“. Im Beichtstuhl war sie noch nicht. „Ich habe nichts verbrochen, habe kein schlechtes Gewissen und bereue meine Entscheidung nicht. Im Gegenteil: Ich brenne für mein Leben, es ist meine Leidenschaft“, sagt Evelyna. Auf ihrem linken Handgelenk ist ein Kreuz tätowiert, daneben zwei Vögel, die Freiheit symbolisieren. Freiheit ist ihr wichtig, weshalb sie auch an Demonstrationen gegen die Corona-Regeln teilnahm. Es ist nicht die einzige Tätowierung. „Redlight“ ist auf ihrer rechten Brust zu lesen. „Um zu ,zeigen, dass ich dazu stehe, was ich mache.“ Am Oberschenkel ist ein Straps mit einem Colt tätowiert. Ein weiteres Tattoo sehen nur die Kunden. Sie bewundert Rosemarie Nitribitt (1933-1957), eine Edelhure, deren Ermordung 1957 deutschlandweit für Schlagzeilen sorgte. „Eine unfassbar starke und einzigartige Persönlichkeit. Was würde ich nicht alles dafür geben, mit ihr über die heuchlerische, prüde, scheinheilige Gesellschaft sprechen zu können. Und über Freier.“
Trotz aller Extravaganz ist Evelyna bodenständig. Urlaub macht sie regelmäßig im Schwarzwald, immer in derselben Pension. Und immer allein, denn sie ist eine Einzelgängerin, möchte keine Beziehung eingehen. In ihrem Haus sieht es aus wie bei Großmutter. Alte Möbel und viel Kitsch gibt es hier. Dazu sammelt sie Porzellanpuppen. Sie ist zwar Einzelgängerin, aber Fiona ist stets dabei, außer wenn es zu einem Kunden geht. Fiona ist ein drei Monate alter Zwergspitz, dem Evelyna gerne ein rosa Tutu anzieht. So sitzen die beiden auf der Terrasse am Escher Rathaus. Sie kennt viele Menschen, die hier unterwegs sind. Vor allem diejenigen, die in der Gesellschaft zu kurz gekommen sind. Eine ältere, etwas verwahrloste Dame kommt an den Tisch und flüstert ihr etwas ins Ohr. Evelyna zückt ihr Portemonnaie und steckt der Frau einen Schein zu. Sie erntet dafür einen Kuss auf die Stirn.
Prostitution in Luxemburg
Prostitution ist in Luxemburg weder erlaubt noch verboten – sie ist toleriert. Etwa 700 Prostituierte waren 2020 im Drop-in der „Croix-Rouge“ registriert. Das Drop-in bietet ihnen genau wie auch Drogenabhängigen materielle, psychologische und medizinische Unterstützung an. Die Dunkelziffer sollte wesentlich höher als 700 liegen. Schätzungen gehen von 1.500 bis 2.000 Sexarbeiterinnen aus.
Die Sexarbeit ist hierzulande nicht offiziell legal, sie wird aber auch nicht kriminalisiert. Das hat sich mit dem „Gesetz zur Bekämpfung der Prostitution, der Zuhälterei und des Menschenhandels“ von 2018 nicht geändert. Damit bleibt das Großherzogtum eines der Länder, die sich in der Grauzone bewegen. Im Ausland sind neben der Grauzone drei Modelle verbreitet. Beim prohibistischen Modell wird sowohl der Kauf als auch der Verkauf von Sexdienstleistungen bestraft (Beispiel Irland, USA). Beim schwedischen Modell werden nur die Freier, nicht aber die Prostituierten belangt (Beispiel Skandinavien, Frankreich). Beim letzten Modell, der Legalisierung und Regulierung, ist Prostitution legal. Hier sieht das Gesetz einen Rahmen vor, in dem Prostitution stattfinden darf (Beispiel Deutschland).
In Luxemburg macht man sich strafbar, wenn man zu Prostituierten geht, die unter 18 Jahre alt, schutzbedürftig („vulnérable“) oder Opfer von Menschenhandel oder Zuhälterei sind. Mit dem Begriff „schutzbedürftig“ sind beispielsweise behinderte Menschen gemeint. Hier sowie bei Minderjährigen sieht der Gesetzgeber Strafen von ein bis fünf Jahren Gefängnis und eine Geldstrafe von 251 bis 50.000 Euro für den Freier vor. Bei Prostituierten, die Opfer von Menschenhandel oder Zuhälterei sind, sind acht Tage bis sechs Monate Gefängnis sowie ebenfalls eine Geldstrafe von 251 bis 50.000 Euro möglich. Ziel des Gesetzes vom 28. Februar 2018 war vor allem, härter gegen Menschenhandel und Zuhälterei vorzugehen. Deswegen steht seitdem die Konfiszierung oder Zerstörung von Ausweisdokumenten unter Strafe. Zuhälter beziehungsweise Menschenhändler können hier mit drei bis fünf Jahren Gefängnis sowie 10.000 bis 50.000 Euro Geldstrafe bestraft werden.
Viele sind während der Pandemie in eine finanzielle Notlage geraten, weil die Kundschaft ausgeblieben war und sie auch keine Kurzarbeit beantragen konnten. Dadurch verschärfte sich ihre Situation noch weiter. (P.M., niw)
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all Respekt fir déi Dame, sie steht zu dem waat se mëcht,an geht domader an d’Öffentlechkeet,bravo
„An allem nagt der Zahn der Zeit.“ Aber egal. Wenigstens braucht man keine Klage vor Gericht zu befürchten weil man der Dame zu lange auf’s Decolleté geschaut hat. Alice Schwarzer würde mir Recht geben.
Wenn sie intelligent ist, hat sie in ein paar Jahren ausgesorgt. Sie macht nicht den Eindruck, dass sie das Drop-in benötigt.
„Prostitution ist in Luxemburg weder erlaubt noch verboten – sie ist toleriert. “
Nein. Sie ist erlaubt, wie alles was nicht verboten ist.