Luxemburg-Stadt / „Keine Sternstunde der Politik“: Polfer, Bofferding und Gloden reagieren auf Chamber-Bericht zum Bettelverbot
Das sogenannte Bettelverbot in der Hauptstadt von Luxemburg ist „wahrscheinlich verfassungswidrig“ – so ist es seit Mittwochabend in einem auf der Webseite der Abgeordnetenkammer veröffentlichten Bericht zu lesen. Während Lydie Polfer (DP) und Léon Gloden (CSV) diesem wenig Beachtung schenken wollen, begrüßt ihn Taina Bofferding (LSAP). Auch der Verein „Solidaritéit mat den Heescherten“ bezieht Stellung, während die Justiz das lässt.
„Das ist nichts Neues und ändert nichts an der Sache. Deshalb will ich auch gar nicht darauf eingehen“, erklärt die städtische Bürgermeisterin Lydie Polfer (DP) auf Nachfrage vom Tageblatt und bezieht sich dabei auf eine Analyse zum sogenannten Bettelverbot in Luxemburg, die am Mittwochabend auf der Webseite der Chamber veröffentlicht wurde. In der schlussfolgert das wissenschaftliche Team der Abgeordnetenkammer, dass die entsprechende Regelung in der hauptstädtischen Polizeiverordnung wahrscheinlich verfassungswidrig ist.
Eine Sichtweise, die bei der Diskussion um das umstrittene Verbot laut Lydie Polfer (DP) mehrere Beteiligte einnehmen. Aber, so die Hauptstadtbürgermeisterin: „Wir sind anderer Meinung und basieren uns da auf die Arbeit von guten Juristen. Eine Reihe Leute sagen aber das Gegenteil.“ Klarheit in der Diskussion um das seit dem 15. Dezember 2023 in Luxemburg-Stadt geltende Verbot soll laut Lydie Polfer das Vorhaben von Justizministerin Elisabeth Margue (CSV) bringen, die existierenden Gesetzestexte samt Wortwahl zum Betteln zu untersuchen.
Festgefahrene Diskussion
Die Hauptstadtbürgermeisterin wundert sich indes darüber, dass die Chamber – von der sie Mitglied ist – Ansichten zu dem Thema veröffentlicht hat. „Das passt nicht in die Gewaltentrennung“, sagt die Abgeordnete über den 62 Seiten langen und von der sogenannten „Cellule scientifique“ angefertigten Bericht. Seit 2021 gibt es die wissenschaftliche Abteilung, deren acht Mitglieder laut Webseite der Chamber über gesicherte Kenntnisse in verschiedenen Bereichen wie Jura, Naturwissenschaften oder Wirtschaft verfügen und mit kritischem sowie unabhängigem Blick Informationen zu komplexen Themen zusammentragen sollen.
Auf eine Anfrage von den Abgeordneten der LSAP hin, ist das auch bei dem angesprochenen Bericht geschehen. Vor einigen Monaten haben sie laut Parlamentarierin Taina Bofferding (LSAP) die „Cellule scientifique“ um einen wissenschaftlichen Überblick zum Thema gebeten. „Wir befanden uns in dem Moment in einer Sackgasse, deshalb war es uns wichtig, dass sich mit der Frage beschäftigt wird, ob die Regelung verfassungskonform ist.“ Die ehemalige Innenministerin bedauert jetzt umso mehr, dass ihr Nachfolger Léon Gloden (CSV) im Dezember 2023 ihre Entscheidung revidiert hat, einer Abänderung der Polizeiverordnung von Luxemburg-Stadt nicht zuzustimmen.
Über diesen Entschluss sollte vor Gericht diskutiert werden – bis der neue Innenminister Artikel 42 zustimmte und sich so ein Prozess erübrigte. „Die Prozeduren liefen und ohne seinen Entschluss wäre die Angelegenheit vor das Verwaltungsgericht gekommen und es würde eine klare Rechtssicherheit geben. Aber wie ich damals bereits sagte: Der Innenminister hat selbst Richter gespielt.“ Auch Taina Bofferding hofft, dass die neue Justizministerin durch Nachbesserungen im Strafgesetzbuch Klarheit schafft: „Das wurde jetzt einige Male gesagt, einen Text haben wir bisher aber noch nicht gesehen. Die festgefahrene Diskussion ist ein Trauerspiel und sicher keine Sternstunde der Politik.“
Beharrliches Festhalten
Ihr Nachfolger nimmt den Bericht übrigens zur Kenntnis. Im Gespräch mit „RTL Lëtzebuerg“ sagte er am Donnerstag: „Es ist eine Meinung unter vielen.“ Viel mehr wollte auch er dazu nicht sagen und wies darauf hin, dass er als Regierungsmitglied einen Text der Chamber nicht kommentieren wolle. Wie Lydie Polfer im Gespräch mit dem Tageblatt wies aber auch der Innenminister darauf hin, dass die Justizministerin Klarheit schaffen wird. Abschließend bemerkte er, dass der städtische Gemeinderat den umstrittenen Artikel 42 zum Bettelverbot beschlossen hätte, als noch die ehemalige Verfassung in Kraft war.
Frage der Verfassungswidrigkeit aktuell nicht vor Gericht Thema
Als Fazit einer Analyse mit dem Titel „Das Verbot von Betteln in Luxemburg“ weist das wissenschaftliche Team von der Chamber darauf hin, dass es einzig und alleine im Zuständigkeitsbereich einer Richterin oder eines Richters liegt, zu entscheiden, ob das sogenannte Bettelverbot verfassungswidrig ist. Aktuell läuft vor Gericht kein Prozess, in dem genau diese Frage Thema ist. Das teilt die Pressestelle der Staatsanwaltschaft auf Nachfrage mit. Solche Fälle – wie zum Beispiel die Selbstanzeige von Christian Kmiotek wegen Bettelei – kommen gar nicht erst bei einer Richterin oder einem Richter an, wenn sie vorher Ad Acta gelegt werden. „Da muss man abwarten und sehen, ob ein Prozess zu dieser Frage zustande kommt. Das liegt im Ermessen der Staatsanwaltschaft“, heißt es von der Pressestelle der Justiz, die sich nicht weiter zu dem veröffentlichten Bericht äußern will.
„Léon Gloden aber hat dem Artikel zugestimmt, als schon die neue Verfassung galt “, bemerkt Guy Foetz (déi Lénk). Als ehemaliges, städtisches Ratsmitglied und Präsident der Vereinigung „Solidaritéit mat den Heescherten“ verfolgt er die Diskussion seit Beginn. „Der Bericht bestätigt, was wir schon vorher gesagt haben: Dass das Bettelverbot nicht der Verfassung entspricht“, so Guy Foetz. Er persönlich findet deutliche Worte für das Festhalten der politischen Verantwortlichen an dem vielkritisierten Verbot: „Das ist total daneben. Bei allem, was inzwischen vorliegt, müssen sie einsehen, dass sie einen Fehler gemacht haben und Artikel 42 außer Kraft setzen.“
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