Gemeinden / So funktioniert das Energie-Dashboard des Luxemburger Innenministeriums
Ein „Dashboard“, das den Energieverbrauch aller 102 Luxemburger Gemeinden im Blick hat? Was im mit öffentlichen Zahlen nicht unbedingt kleckernden Luxemburg wie eine ferne Utopie klingt, gibt es tatsächlich. Die Beamten im Innenministerium bedienen sich dafür eines Tricks: Sie schauen auf die Kostenstellen für Energie in den Budgets der Gemeindeverwaltungen. Das Tageblatt durfte sich das Tool anschauen.
Luxemburg soll Energie sparen. Und einer der Haupt-Adressaten des nationalen Energiesparplans sind die 102 Gemeinden des Landes. „Natürlich stehen wir alle vor einer zusätzlichen Herausforderung, um die 15 Prozent einzusparen“, sagte Innenministerin Taina Bofferding (LSAP) am 8. September, als der Energiesparplan der Regierung vorgestellt wurde. Bofferding ist in ihrer Funktion als Leiterin des „Intérieur“ die nationale Koordinierungsstelle für kommunale Angelegenheiten – und kommunale Finanzen. Die Ministerin will die Gemeinden vor allem widerstandsfähig gegenüber Krisen machen. Ihr Resilienzkonzept kann sie aufgrund der Energiekrise jetzt ein weiteres Mal auf den Prüfstand stellen. Zu ihm gehören Prävention, Reaktion, der Wiederaufbau nach einer Krise und dazwischen vor allem: Monitoring.
In der Energiekrise geht es vor allem um den Verbrauch. Wie soll der von 102 verschiedenen Gemeinden – und zig weiteren Syndikaten und Entitäten – erfasst werden? Von Gemeinden, die stellenweise selbst nicht ad hoc veröffentlichen wollen, was wie viel und wann Strom verbraucht hat?
Mit einem Datentool, sagte Bofferding. Ein Dashboard – also ein digitales Armaturenbrett – soll zeigen, wie Luxemburgs Gemeinden mit der Energie haushalten. Wie bitte? Ein „Dashboard“? Das alle Luxemburger Gemeinden überwacht? Bei der Pressekonferenz im September musste sich die Ministerin nach dieser Ankündigung gleich mehrere Fragen ungläubiger Journalisten erwehren. Aber: Das Dashboard gibt es. Mitarbeiter des Innenministeriums arbeiten seit Jahren an und mit dem Tool. Und es erlaubt tatsächlich Rückschlüsse auf die Energiekosten der Gemeinden. Dem Tageblatt gewährte das Ministerium einen exklusiven Einblick.
Das Innenministerium residiert in einem schmucklosen Bürogebäude in der Luxemburger Innenstadt. Dort, in der dritten Etage, steht David Remili vor einem hochgefahrenen Schreibtisch. Remili ist 27 Jahre alt, hat in England Physik und Astronomie studiert – und arbeitet seit zweieinhalb Jahren als Data Scientist im Innenministerium. Gemeinsam mit Kollegen hat er das Gemeinde-Dashboard aufgebaut. „Ich entwickele diese Sachen. Und ich analysiere sie auch“, sagt er. Das Tool zeigt nicht den Strom- oder Gasverbrauch der Gemeinden an – aber was die Kommunen dafür ausgeben. Denn das Dashboard aus dem Hause Bofferding zeigt das, worauf es unterm Strich ankommt: das Budget.
„Es sind Daten über die Finanzlage der Gemeinden“, sagt Remili. „Die kriegen wir jeden Monat von den 206 Entitäten.“ Zu denen gehören nicht nur die Kommunen, sondern auch Syndikate, Verbände, „Offices sociaux“. Die Gemeinden stellen im Vorjahr ihr Budget für das kommende Jahr auf. Ende des laufenden Jahres kommen Berichtigungen des aktuellen Budgets. Und zudem muss jede Luxemburger Gemeinde in monatlichem Turnus ihre laufenden Ausgaben in die große Datenbank des Innenministeriums eintragen – also quasi in die Cloud legen.
Diese Daten werden dann von Remili und seinem Team abgefragt und visualisiert. „Es geht darum, eine Übersicht zu haben, wie es den Gemeinden in ihrer finanziellen Planung geht“, sagt der Datenspezialist. Die Budgets seien zwar Jahresbasis aufgestellt, aber anhand der monatlichen Daten zur Ausgabensituation kann man sehen, ob das auch aufgeht. Zudem kann Remilis Dashboard die Kosten mit dem Jahresbudget und den Ausgaben der Vorjahre vergleichen. So könnten Risiken und aus dem Ufer laufende Kostenstellen bestenfalls schon dann identifiziert werden, wenn noch etwas Geld in der Kasse ist.
Anruf aus dem Ministerium
Ist ein Budgetpunkt am Limit, beginnt dort eine rote Lampe zu blinken. „Es gibt verschiedene Parameter, die abgeprüft werden – und wenn da bei einem ein rotes Licht aufleuchtet, dann wissen die Zuständigen in der Finanzabteilung hier: Da müssen wir nachfragen.“ Seit Beginn dieser Legislaturperiode arbeitet das Luxemburger Innenministerium mit „QlikSense“, einer Software zur Datenanalyse eines schwedisch-amerikanischen Unternehmens. Remili: „Ich arbeite mit den Daten und schaue, wie wir sie verarbeiten können, wie wir sie verstehen können und welche Analysen man machen kann – und was nicht.“ Dafür gibt es unterschiedliche Mittel. Heatmaps, Diagramme – und eben auch rote Lampen. „Wir arbeiten ständig an dem System“, sagt Remili. „Es gibt es schon seit ein paar Jahren, aber wir bauen immer mehr drauf – Stück für Stück.“
Auch für die Energie gibt es eine „App“. „Was die Daten uns beispielsweise nicht zeigen können, ist der Verbrauch“, sagt Remili. „Wir haben nur die Kosten. Wir sehen nicht, ob die Gemeinden weniger oder mehr verbrauchen. Es sind Euros.“ Aber auch die werden monatlich aktualisiert – und lassen Rückschlüsse zu. Remilis Energie-App zeigt unter anderem eine Karte mit den Luxemburger Gemeinden. Kommunen, die in diesem Jahr bis jetzt relativ tief in ihr Energiebudget gegriffen haben, werden darauf dunkler dargestellt als jene, die noch wenig ausgegeben haben. Der Spitzenreiter – eine Gemeinde im Westen des Landes – hat beispielsweise bereits 88 Prozent seines Jahresbudgets für Energie aufgebraucht. „Aber das kann viel bedeuten“, sagt Remili. „Vielleicht hat die Gemeinde die Preise unterschätzt, oder sie verbrauchen mehr, oder sie bezahlen mehr.“ Die Budget-Daten seien keine Informationen, die man „direkt“ benutzen sollte. Stattdessen sieht das Innenministerium sie als Warnsystem dafür, falls eine Kommune droht, Probleme zu bekommen.
Allerdings lässt sich auch beim Budget-Dashboard in Sachen Energie bereits ein Trend ablesen. Im August dieses Jahres waren die Energiebudgets global zu 52,2 Prozent ausgelastet. Das hört sich unspektakulärer an, als es ist. „Die Gemeinden versuchen immer ein bisschen mehr zu budgetisieren, als sie brauchen“, sagt Remili. Das zeige ein Blick auf die Vorjahre: Da lag die Budgetbelastung bei der Energie im August stellenweise nur bei 40 Prozent. „Das heißt: Es geht schneller, als die Gemeinden es sich erwartet haben“, sagt Remili. „Sie haben theoretisch schneller konsumiert – nicht die Energie, sondern das Geld. Sie haben mehr ausgegeben als geplant.“ Das sei nicht dramatisch, aber man sehe schon eine kleine Tendenz.
73,3 Millionen Euro für Energie
Insgesamt belaufen sich die Gemeindebudgets im Jahr 2022 auf 2,723 Milliarden Euro. 73,3 Millionen Euro davon sind für Energie eingeplant. Remili kann auch berechnen, was passiert, wenn die Energiekosten weiter explodieren. „Wir können zum Beispiel simulieren, wenn die Elektrizität im Budget 2023 2,5-mal teurer wird“, sagt Remili. Die Vorhersagen änderten sich in den vergangenen Wochen ziemlich oft. Umgekehrt kann das Datentool auch ins Detail blicken. „Es gibt Kostenstellen und Sektoren, zum Beispiel Schulen, Gesundheit, Kultur, Freizeit“, sagt Remili. Und auch die Energiesorten sind klassifiziert. Kostenstelle 608112 ist Elektrizität, 608113 ist Gas.
Und was passiert, wenn eine Gemeinde einen dieser Energie-Posten vor Jahresende ausgereizt hat? „Dann fragt die Verwaltung eine Budgetänderung an“, sagt Remili. Das Ministerium müsse die dann prüfen. Aber das seien obligatorische Ausgaben, da gebe es keine großen Diskussionen. Prinzipiell muss am aufgestellten Budget aber festgehalten werden. „Wenn Sie für die Schulen so viel Geld eingeplant haben, dann können Sie nichts davon wegnehmen“, sagt Remili. „Es ist nicht so, dass man sagen kann: Oh, wir haben ein bisschen Spielraum bei der Schule, wir nehmen es hiervon und investieren es.“ Im Prinzip hätten die Gemeinden die Wahl, erklärt Ministeriumssprecher Eric Ewald: „Entweder sie stimmt einen Kredit nach oder sie wartet bis zum korrigierten Haushalt, der zum Ende des Jahres verabschiedet wird.“ Auch wenn kein Energiebudget mehr vorhanden ist, könne die Verwaltung die Energiekosten bezahlen, weil diese aufgrund eines Vertrags immer beglichen werden müssten.
Das Ministerium des Innern
Hauptaufgaben des Ministeriums sind laut Luxemburger Regierung die „kommunalen Angelegenheiten, die kommunalen Finanzen, die kommunale Planung und Stadtentwicklung, die Kontrolle der Konten der Gemeinden sowie die zivile Sicherheit“. Dienstherrin ist seit Dezember 2018 die LSAP-Politikerin Taina Bofferding.
Wie die Gemeinden ihre Rechnungen bezahlen, ist unterschiedlich. „Einige bekommen den aktuellen Stromtageswert verrechnet, andere bezahlen wie Privathaushalte Vorauszahlungen, und einmal im Jahr wird abgerechnet“, sagt Ewald. Es stünde den Gemeinden frei, ihre Verträge mit dem Energielieferanten ihrer Wahl abzuschließen. Dabei gebe es auch Gemeinden, die ihren eigenen Strom produzieren oder die Dächer ihrer Gebäude zur Verfügung stellen, sodass Energiekooperativen hier Anlagen installieren können. Dazu habe das Ministerium aber keine Statistik.
Ein Hilfspaket, um den Gemeinden bei der Bezahlung ihrer Gasrechnung zu helfen, ist im Hause Bofferding bis jetzt nicht geplant. „Das Innenministerium beobachtet die momentane Entwicklung auf dem Gebiet der Gemeinden genau und wird zudem die der makroökonomischen Zahlen aus dem Finanzministerium abwarten“, sagt Ewald. Allerdings: „Wir sind da, um den Gemeinden bei der Buchhaltung zu helfen, nicht finanziell.“ Und pleitegehen könne eine Gemeinde ohnehin nicht.
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