Luxemburg / Coronavirus trifft auf Bildung: So funktioniert das Tracing in den Schulen
Flore Schank ist die Koordinatorin an der Schnittstelle zwischen Bildungs- und Gesundheitsministerium. In ihrer „Cellule de coordination“ laufen die Informationen zusammen. Im Tageblatt-Gespräch erklärt die Koordinatorin, wie diese Instanz genau vorgeht und wieso ihre Arbeit, die sie aus Überzeugung macht, so wichtig ist.
Viele Stimmen reden durcheinander. Dennoch ist der Lärmpegel insgesamt niedrig. Hier befindet sich das Herz der „Cellule de coordination“ auf Findel, der Schnittstelle zwischen dem Bildungs- und dem Gesundheitsministerium. In diesem Raum wird das Tracing bei Infektionen in Bildungseinrichtungen gemacht.
Etwa zwei Dutzend Menschen sitzen an den Computern. Viele führen gerade ein Telefongespräch. Andere lesen oder schreiben E-Mails. Ein Block ist für die Grundschulen, der andere für die Sekundarschulen und ein dritter für Bildungs- und Betreuungseinrichtungen für Kinder („Structures d’éducation et d’accueil“) zuständig, erklärt Flore Schank, Koordinatorin der „Cellule“, dem Tageblatt. Auf dem Weg in ihr Büro am Ende des großen Raumes begegnen wir zwei Männern, die bunte Zettelchen an eine Holzwand kleben. Sie sind der rechte und linke Arm von Schank, wie sie scherzhaft sagt. Eigentlich wechseln sich die drei Koordinatoren ab. An diesem Tag sind zufällig alle drei gleichzeitig auf Findel.
An diesen großen Raum angeschlossen befinden sich weitere Büros für Verwaltungsarbeiten sowie jenes von Flore Schank, welches durch eine Glastür abgeschlossen werden kann. Als Koordinatorin der „Cellule“ stellt Schank die Verbindung zwischen der Direktion der „Inspection sanitaire“ und ihrer eigenen Hierarchie aus dem Bildungsministerium her. „Ich versuche den Überblick über das Ganze zu halten“, sagt sie. Die Koordinatoren aus den jeweiligen Bereichen tauschen sich ständig aus, über positive Fälle aus, die sie einerseits von den Schulen und andererseits durch die „Santé“ gemeldet bekommen. Hier wird analysiert, wo Kinder und Schüler sind. Diese werden alle miteinander abgeglichen. So könne man sicher sein, dass man alle Fälle auf dem Schirm habe. „Diese Zusammenarbeit funktioniert wirklich sehr gut“, versichert Schank.
Auf der einen Seite haben wir hier die medizinische Expertise, auf der anderen jene Leute, die sich ‚um Terrain‘ gut auskennen. Das führt dazu, dass wir Entscheidungen treffen können, die im Sinne der Kinder sind.Koordinatorin der „Cellule de coordination“
Diese Fälle werden anschließend genauer beleuchtet. Es soll herausgefunden werden, wo es potenzielle Szenarien 2 gibt und wo Quarantänen in potenziellen Szenarien 3 oder 4 ausgesprochen werden müssen. Hat man mit einem Szenario 4 zu tun, wird grundsätzlich das „Comité de pilotage“ eingeschaltet. Aber auch bei anderen Szenarien kann dies je nach Situation der Fall sein, sagt Schank. Entscheidungen über Quarantänen werden stets gemeinsam mit der „Santé“ getroffen. Mit den Schulen werde dann geschaut, wie man konkret vor Ort vorgehen sollte. Auch wird in diesem Zusammenhang zwischen den Koordinatoren entschieden welche Gespräche prioritär geführt werden müssen. „Deshalb ist es so wichtig, dass wir als ‚Cellule‘ hier zusammensitzen.“
Oft wird von Fall zu Fall gehandelt. „Auf der einen Seite haben wir hier die medizinische Expertise, auf der anderen jene Leute, die sich ‚um Terrain‘ gut auskennen. Das führt dazu, dass wir Entscheidungen treffen können, die im Sinne der Kinder sind.“ Diese Informationen werden an das Bildungsministerium weitergereicht. Schank arbeitet auch am wöchentlichen „Bilan chiffré“ des Bildungsministeriums mit, in den die von der „Cellule“ erhobenen Daten einfließen.
Situationen wie in Steinsel werden intensiv diskutiert
Daneben steht Schank im regelmäßigen Austausch mit Bildungsminister Claude Meisch und dessen Beratern, welche sie stets auf den neuesten Stand bringt. Meisch wird zeitnah darüber informiert, wenn sich die Situation an den Schulen verändert oder wenn die „Cellule“ neue Phänomene oder Aspekte bemerken sollte. Diese werden dann mit dem Bildungsminister besprochen. Schank nennt als aktuelles Beispiel die Infektionen an der Grundschule in Steinsel. „Solche Situationen werden ganz intensiv diskutiert“, sagt sie. „Da halten wir stets Rücksprache mit den Regionaldirektoren, den Lehrkräften, dem Bildungsministerium sowie mit der Direktion der ‚Inspection sanitaire‘. So eine Entscheidung könne man nicht in zwei Minuten nehmen. „Da gehen wir ins Dossier und tragen alles zusammen, was wir darüber haben.“
Die Informationen, die die Mitarbeiter des Tracing-Teams sammeln, werden zentral in einem informatisierten Ordner eingetragen. Auf diesen haben alle Mitarbeiter Zugriff. Informationen können nicht nur eingetragen, sondern auch eingesehen werden, um sich eine Übersicht zu verschaffen. Die Holzwand mit den bunten Zetteln nennt Schank das Backoffice. Hier wird auf analoge Art die Situation, wie sie im zentralen Ordner des Computersystems eingegeben wurde, nachgestellt. An der Pinnwand für die Grundschulen kleben zum Beispiel oben 15 rosa Zettel mit den Nummerierungen der Regionaldirektionen von 1 bis 15. Darunter kleben andere Zetteln mit Notizen, die einer Schule der jeweiligen Regionaldirektion zugeordnet wird.
In der „Cellule de coordination“ arbeiten rund hundert Leute, sagt Schank. Diese werden durch viele weitere Mitarbeiter aus den verschiedenen Departements des „Menje“ („Ministère de l’Education nationale, de l’Enfance et de la Jeunesse“) unterstützt. Die meisten Mitarbeiter der „Cellule de coordination“ sind dem Tracing-Team zugeordnet. Dieses arbeitet in zwei Schichten von morgens 8 bis abends 20 Uhr. Meist findet der Schichtwechsel gegen 14 Uhr statt. Die Leute aus diesem Team stammen aus den verschiedenen Departements des Bildungsministeriums und auch aus anderen Verwaltungen des Bildungswesens. „Sie haben sich gemeldet, um hier eine Hand mit anzupacken“, sagt Schank. Sie werden demnach im Rahmen ihrer gewöhnlichen Anstellung, je nach Möglichkeit, nun bei der „Cellule“ eingesetzt. „Für uns ist es wichtig, dass es sich dabei um Personen handelt, die sich ‚um Terrain’ auskennen, also im ‚Primaire‘, ‚Secondaire‘ und in den ‚Structures d’éducation et d’accueil‘.“ Dies vereinfache den Dialog und den Austausch mit den Akteuren unheimlich, sagt die Koordinatorin. Zudem verfügen diese Leute über die nötige Sensibilität, um auf Fragen eingehen zu können, damit zusammen nach Lösungen gesucht werden kann.
Wir sind reaktiv, damit wir die größtmögliche Chance haben, um Infektionsketten zu unterbrechen. Das ist es, was wir hier machen und was uns antreibt.Koordinatorin der „Cellule de coordination“
Das Tracing-Team telefoniert, verarbeitet E-Mails und überprüft, ob es Erhebungen zu allen Fällen gibt, welche die Schulen gemeldet haben. Findet eine Meldung über Telefon statt, schreiben sie eine schriftliche Bestätigung, damit es eine Spur zu der Meldung gibt. Die Mitarbeiter, die nur telefonieren, sollen demnächst aufgestockt werden.
Hohe Reaktivität soll Infektionsketten brechen
Die Hauptaufgabe der „Cellule“ ist es, herauszufinden, welche Personen in einem bestimmten Zeitraum mit einem positiv getesteten Menschen, egal ob Schüler, Lehrer oder Erzieher, in Kontakt waren. Dabei haben sich die Mitarbeiter eine hohe Reaktivität auf die Fahnen geschrieben, sagt Schank: „Wir sind reaktiv, damit wir die größtmögliche Chance haben, um Infektionsketten zu unterbrechen. Das ist es, was wir hier machen und was uns antreibt.“ Die „Cellule“ bildet dabei die Schnittstelle zwischen einerseits den Ansprechpartnern in den Schulen, den Akteuren „um Terrain“ und den „Maisons relais“ und andererseits der „Santé“ und den dortigen Leuten, die Entscheidungen treffen müssen. „Das ist unser Platz in dem Ganzen“, sagt die Koordinatorin.
Bevor man das Herzstück der „Cellule“ betritt, befindet sich ein weiterer großer Raum auf der rechten Seite. Es ist die Hotline der „Santé“. Dort können Menschen anrufen, die allgemeine oder spezifische Fragen zum Thema Coronavirus haben. Auf der anderen Seite sind die Büros der Mitarbeiter der „Santé“. Mit ihnen tauschen sich die Koordinatoren des Bildungsministeriums regelmäßig aus. Mehrmals über den Tag verteilt, sagt Schank. „Wir bündeln morgens direkt die Fälle, die hereingekommen sind.“ „Santé“ und „Menje“ tauschen sich darüber aus, wer welche Informationen zu den Fällen hat und wem was noch fehlt. Im Laufe des Tages kommen dann weitere Fälle hinzu, die dann wieder zwischen den Koordinatoren abgeglichen werden.
Die „Cellule de coordination“ wurde am Tag der „Rentrée“, am 15. September, ins Leben gerufen. Inzwischen waren die ursprünglichen Räumlichkeiten zu klein geworden und die „Cellule“ musste auf Findel umziehen. Schank ist sehr zufrieden mit dem neuen Standort. Von der Infrastruktur her passe alles gut. Ein Stockwerk über der „Cellule“ befindet sich das „normale“ Tracing, also jenes, das für alle nicht-schulischen Fälle zuständig ist. Im zweite Stockwerk des Gebäudes sitzt die „Inspection sanitaire“. Die räumliche Nähe erleichtert die Kooperation, findet Schank.
In der Hierarchie steht das „Comité“ de pilotage“ über der „Cellule de coordination“. Das „Comité“ besteht sowohl aus führenden Personen aus der „Santé“-Direktion als auch aus dem Bildungsministerium. Die Aufgabe dieses Komitees ist es, die ganzen Instrumente zu steuern. Dabei werden laut Schank stets grundsätzliche Fragen diskutiert, welche die normale Funktionsweise betreffen. Es soll festgestellt werden, was in den Schulen gemacht wird.
Dies wiederum wird aus den verschiedenen Perspektiven der Expertise durchleuchtet, die im Komitee zusammenkommt. Dort werden auch Fragen zur Wissenschaftlichkeit erörtert. Eine der Missionen des „Comité de pilotage“ besteht laut Schank nämlich darin, sich einen Überblick über existierende Studien zu verschiedenen relevanten Themen zu verschaffen, um die Entscheidungen zu Vorgehensweisen und Maßnahmen wissenschaftlich zu fundieren. Über diese Befunde findet ein regelmäßiger Austausch mit der „Cellule de coordination“ statt. „In der Regel tauschen wir uns zweimal die Woche mit dem Komitee aus“, sagt Schank.
Pflichten von „Menje“ und „Santé“ klar aufgeteilt
Die Koordinatorin erklärt, dass die Pflichten von Bildungsministerium und „Santé“ klar aufgeteilt sind. Die Kontaktaufnahme mit einer positiv getesteten Person läuft über die „Santé“. Die Informationen an die Eltern, im Falle einer Quarantäne, übernehmen Leute aus dem Bildungsministerium. „Es ist ein anderer Blickwinkel, wenn ein Pädagoge die Eltern darüber informiert, als wenn das die ‚Inspection sanitaire‘ tut“, so Schank. In diesem Gespräch mit den Eltern gehe es vor allem darum, zu erklären, was die Quarantäne nun für das Kind und die Schule bedeutet.
Die mobilen Teststationen, die seit einer guten Woche in den Schulen eingesetzt werden, unterstehen nicht der „Cellule de coordination“. Hierfür ist laut Schank ein anderes Team zuständig. Die „Cellule“ liefere diesem Team Informationen über Schule und Schüler, damit sie ihr Testing dort durchführen können. Auch stellt die „Cellule“ dem anderen Team die notwendigen Kontakte zur Verfügung, damit die „Ordonnances“ ausgefüllt werden können. Diese sind notwendig, um die Tests durchführen zu können.
Der Fall Steinsel hat auf jeden Fall gezeigt, dass das Infektionsrisiko bei Erwachsenen in Schulen eine Tatsache istKoordinatorin der „Cellule de coordination“
Wann wird denn eigentlich der von Claude Meisch versprochene Bericht zu den Infektionszahlen bei Erwachsenen in den Schulen vorgestellt? Man arbeite daran, sagt Schank. Wichtig sei es, dies nicht übers Knie zu brechen. Die „Cellule“ liefert die Daten zum Bericht. Dort sitzen mehrere Leute, die darauf spezialisiert sind, Daten zu analysieren. Vor kurzem habe man erst den Bericht zu den Infektionszahlen bei Kindern vorgestellt. „Der Fall Steinsel hat auf jeden Fall gezeigt, dass das Infektionsrisiko bei Erwachsenen in Schulen eine Tatsache ist“, so Schank.
Zu den neuen Maßnahmen, die am Montag von Premier Bettel und Gesundheitsministerin Paulette Lenert angekündigt wurden, wollte sich Schank im Vorfeld nicht äußern. Auch nicht dazu, was das nun für die Schulen bedeute. Sie wolle den Ministern nicht vorgreifen. Nur so viel: Je nachdem, wie sich die Situation weiter entwickele und welche Maßnahmen konkret angekündigt werden, komme vielleicht der eine oder andere Aspekt in ihrer Arbeit dazu. Im Kern wird die Arbeit der „Cellule“ aber die gleiche bleiben, versichert Flore Schank. „Solange Kinder zur Schule gehen, werden wir immer wieder Fälle haben, wo sie sich anstecken, sei es in der Schule oder draußen.“
Das Engagement der Mitarbeiter der „Cellule“ sei sehr groß, sagt Schank. Sie selber mache diese Arbeit aus Überzeugung. „Es hat eine fundamentale Wichtigkeit, was wir hier machen.“ Normalerweise habe sie viele andere Projekte, denen sie nachgeht, aber diese müsse sie nun zurückstellen. „Wir sind in einer speziellen Zeit, die noch niemand von uns so gekannt hat, und wir wollen hier einfach helfen, damit wir alle möglichst gut durchkommen.“
- Was Jugendliche im Internet treiben: Bericht zeigt Nutzungsverhalten auf digitalen Geräten - 8. Februar 2023.
- Kritik am FDC: Die „schmutzigen“ Investments des „Pensiounsfong“ - 7. Februar 2023.
- Ein Plan für mehr Naturschutz in Luxemburg - 3. Februar 2023.
Wéi dann? An der Schoul stécht dach kee sech un, dixit, wié scho méih?
@J.C.Kemp
Eben.dat do verwonnert mech och.Alles komplett paradox….
Dat kléngt alles sou gutt a leider kommen d’Ordonnance fir d’Schüler, di Kontakt matt engem positive Mattschüler haten ëmmer nach net rechtzäiteg un …
@MuSiMu: Ma et gët dach keng positiv Matschüler, well an der Schoul …