Pipelines, Netze, Druckminderer / So funktioniert Luxemburgs Gasversorgung
Russland hat Europa den Gashahn zugedreht. Und deshalb muss gespart werden in der EU: Jedes Land – auch Luxemburg – soll seinen Verbrauch bis Ende März um insgesamt 15 Prozent senken. Richtwert dafür ist der Durchschnittsverbrauch der vergangenen fünf Jahre. Die Regierung hat dazu einen Energiesparplan aufgestellt. Die Maßnahmen, die darin vorgesehen sind, sind freiwillig – bis jetzt.
Im August und September hat Luxemburg das 15-Prozent-Sparziel erreicht. Die Monate, auf die es ankommt, kommen aber naturgemäß erst: In den vergangenen fünf Jahren war der August beispielsweise ohnehin der Monat mit dem niedrigsten Gasverbrauch. Im Januar wurde durchschnittlich fast das Dreifache verbraucht. „Wenn der Winter sehr kalt wird, könnte der Gasverbrauch für Heizzwecke noch erheblich ansteigen. Ich rufe daher weiterhin dazu auf, Energie zu sparen“, sagt Energieminister Claude Turmes („déi gréng“).
Am heutigen Mittwoch wird der neue „Plan d’urgence“ vorgestellt. Und der könnte Zwangsmaßnahmen vorsehen, falls absehbar wird, dass die Sparziele doch nicht erreicht werden. „Wenn das nicht ausreichen sollte oder auf europäischer Ebene der Notstand ausgerufen wird, werde ich per großherzoglichem Reglement verbindliche Maßnahmen beschließen“, erklärte Minister Turmes bei der Vorstellung des Luxemburger Gassparplans am 8. September. Man werde die Lage jedoch konstant überwachen und, falls notwendig, noch etwas „nachjustieren“.
Wie abhängig ist Luxemburg von dem Brennstoff aus der Erde? Wir geben einen Überblick. Zudem werfen wir einen Blick auf die Technik hinter der Gasversorgung. Alex Michels, Ingenieur beim Gas-Transportnetzbetreiber Creos, erklärt, wie der Brennstoff ins Land kommt, wie er verteilt wird – und warum eine leere Gasleitung gefährlich werden kann.
Luxemburgs Abhängigkeit – größer als gedacht?
Eigentlich macht Erdgas nur 15 Prozent im Luxemburger Energiemix aus. Da scheinen andere Länder abhängiger von dem Brennstoff aus der Erde zu sein: Italiens Energiemix bestand 2019 zu 38,6 Prozent aus Gas, Deutschlands zu 24,4 Prozent. Allerdings hat Luxemburg – Tanktourismus sei Dank – generell einen äußerst großen Energiehunger. Deshalb sieht die Statistik ganz anders aus, wenn man den Gasverbrauch mit der Einwohnerzahl verrechnet – dann ist Luxemburg plötzlich mit einem Gasverbrauch von 13,7 Megawattstunden pro Kopf Europas drittgrößter Gasverbraucher.
Der Gaspreis – vorläufiges Ende der Preisrallye
Die große Hektik auf dem Gasmarkt ist vorerst vorbei. Ende August war der Höchststand vorerst erreicht – mit einem Gaspreis von fast 350 Euro pro Megawattstunde. Zum Vergleich: Vor zwei Jahren wurde die Megawattstunde auf 15 Euro gehandelt. Am Montagvormittag kostete der als als richtungsweisend geltende Terminkontrakt TTF für niederländisches Erdgas im Tief rund 132 Euro je Megawattstunde. Das ist aber immer noch deutlich mehr als vor einem Jahr. Im Oktober 2021 kostete das TTF-Gas 50 Euro.
Die Geschichte – vom Stadtgas zum Erdgas
Früher wurde – besonders dort, wo die Stahlwerke waren – Stadtgas produziert. 1899 entstand in Esch beispielsweise ein Gaswerk. Es versorgte mit Gas, das in der Kokerei aus Kohle gewonnen wurde, die Straßenbeleuchtung in der Minettstadt, erklärt der Gasversorger Sudenergie auf seiner Webseite. 1966 war es mit dem Stadtgas vorbei – über eine Leitung aus Frankreich konnte Erdgas importiert werden. 1972 wurde die komplette städtische Gasversorgung auf Erdgas umgestellt. „Erdgas hat einen höheren Heizwert und enthält kein Kohlenmonoxid“, heißt es bei Sudenergie.
„Die Importleitungen kamen am Anfang aus Belgien und Frankreich“, sagt Creos-Ingenieur Alex Michels. Später kam eine Leitung aus Deutschland hinzu und eine weitere aus Belgien ins „Éislek“. Die Leitung aus Frankreich ist heute nicht mehr in Betrieb.
Die Eingangspunkte – Luxemburgs lebenswichtiger Anschluss
2021 wurden ins Luxemburger Gasnetz 53 GWh Biogas injiziert. Der Verbrauch des Landes lag aber insgesamt bei 8.708 GWh – also 164 Mal höher. Anders ausgedrückt: Luxemburg ist komplett vom Import abhängig, muss fast 100 Prozent des im Land verbrauchten Gases importieren. Das passiert über drei „Eingangspunkte“. An zwei Stellen – Petingen und Bras – überqueren Pipelines aus Belgien das Land; bei Remich eine Pipeline aus Deutschland, die an die mitteleuropäische Gasleitung „Megal“ angeschlossen ist.
78 Prozent des in den vergangenen fünf Jahren in Luxemburg verbrauchten Erdgases wurde über Belgien geliefert. In diesem Jahr scheint das anders zu sein – die Versorgung geschah seit Januar zu 94 Prozent aus Belgien.
Das Transportnetz – von der Grenze durch das ganze Land
„Wir haben ein Hochdruck-Netz, um das Gas zu importieren“, sagt Creos-Ingenieur Michels. Luxemburg wird von Osten nach Westen und von Norden nach Süden von diesen Hochdruckleitungen durchquert – das Gas-Transportnetz. „Es ist insgesamt 280 Kilometer lang und funktioniert mit einem Druck bis 32 bar“, sagt Michels. Die Leitungen sind für einen Druck von 40 bar ausgelegt, in der Praxis wird aber ein kleinerer Wert angewandt.
Der Großteil des Transportnetzes ist aus Stahl, der kleinere Teil aus Polyethylen, also Plastik. Die Stärke der Wände ist so ausgelegt, dass es bei den Drücken keine Probleme gibt. Die Leitungen liegen unter der Erde und haben einen Durchmesser von maximal 40 Zentimetern. „Über den Leitungen werden jährlich Kontrollflüge gemacht, um sich zu vergewissern, dass es keine Lecks gibt“, sagt Michels. Vom Hubschrauber aus kann man das nämlich sehen – ist irgendwo ein Leck, gibt es im Bereich darüber keine Vegetation mehr. Zusätzlich wird das Gebiet über den Verteilnetzleitungen mit Detektoren überprüft. „Wir machen regelmäßig Begehungen über den Leitungen, um mit Schnüfflern zu schauen, ob es Leckagen gibt.“
Es gibt Betriebe, die einen so großen Gasbedarf haben, dass sie direkt ans Transportnetz angeschlossen sind. Der meiste Brennstoff fließt jedoch über eine der 58 Druckminderstationen im Land zu anderen Industriekunden – oder in die feindgliedrigeren Verteilnetze. Dafür wird in den Übergangsstationen der Druck von 32 auf 4 bar reduziert.
Das Verteilnetz – von der Hauptleitung zu den Haushalten
Als Transportnetz-Betreiber bringt Creos das Gas bis zu den Druckminderstationen. Dort wird es dann an die technisch wie rechtlich anders ausgelegten Verteilnetze übergeben. Drei Verteilnetzbetreiber gibt es in Luxemburg: Sudenergie, die Stadt Düdelingen – und auch Creos selbst betreibt einen großen Teil davon. Die „Mitteldruck-Gasverteilnetze“ werden „nur“ mit einem Druck von 4 bar betrieben. Und sie haben sich geografisch in der Nähe des Transportnetzes ausgebildet, sagt Creos-Ingenieur Michels. Sprich: Im Süden und im Zentrum gibt es relativ dichte Verteilnetze. Auch entlang der Pipeline, die bei Bras die Grenze zu Luxemburg übertritt, haben einige Gemeinden Gas. Im Nordosten dagegen muss beispielsweise auf andere Weise geheizt werden.
Die Leitungen im Verteilnetz haben einen Durchmesser zwischen 10 und 30 Zentimetern, sagt Michels. „Je näher wir zu den Endkunden kommen, umso mehr wird der Druck herunterreguliert. Wenn wir in die Straßen kommen, wo es in die Verteilung an die Häuser geht, haben wir einen Niederdruck von 50 Millibar.“ Im Haus selbst? Sind es dann nur noch 22 Millibar. Das Creos-Verteilnetz hat eine Länge von 1.900 Kilometern.
„Wir sind dafür da, um das Gas vom Eingangspunkt im Land zum Endkunden zu bringen“, sagt Michels „Unsere Verantwortung –und unser Netz – hört am Absperrahn um Haus auf.“ Es käme nur noch der Gaszähler hinzu, der ist auch noch Eigentum des Verteilnetzbetreibers.
So wird das Gas „gezählt“ – und daraus besteht es
An jedem Eingangspunkt nach Luxemburg werden drei Werte des einströmenden Gases festgestellt: „Das Volumen, der Druck und die Temperatur“, sagt Creos-Mann Alex Michels. „Aus diesen drei Komponenten wird ein Normvolumen bei Umgebungsdruck und bei genormter Temperatur berechnet – damit jeder das Gleiche für die gleiche Menge Gas bezahlt.“ Alleine über den Druck funktioniert das nicht. Denn: Wenn die Temperatur steigt, dehnt sich das Gas aus – und der Druck wächst. Bei den Industriekunden wird über den Energiegehalt des Gases abgerechnet, sagt Michels. Der ist nämlich nicht immer gleich: „Je nachdem, woher das Gas kommt, ist der Brennwert oder der Energiegehalt unterschiedlich“, erklärt der Ingenieur. Bei einer Heizung in einem Privathaushalt mache das aber keinen großen Unterschied.
Erdgas ist nichts anderes als Methan. „Man muss das Gas filtern und gegebenenfalls trennen, damit man nahezu reines Methangas bekommt“, sagt Michels. Flüssiggas wie Butan oder Propan sei etwas ganz anderes. Es werde in Raffinerien hergestellt und sei ein Beiprodukt von Erdöl. Die Fäulnisgase aus der Biogasproduktion bestünden auch zum Teil Methangas.
Risiko Gasknappheit – warum der Druck nicht abfallen darf
Sollte es zu einer Gasknappheit kommen, muss Last „abgeworfen“ werden, damit das Netz nicht zusammenbricht. Denn: „Was nicht in Betrieb ist, sollte dennoch unter Druck stehen“, sagt Alex Michels. So könne man merken, wenn es irgendwo ein Leck gibt: Gibt es keinen Druckabfall, weiß man, dass die Leitung dicht ist.
Wenn ein Kunde abschaltet, geht der Verbrauch im Netz herunter – und der Druck im Netz bleibt höher. „Und wenn der Verbrauch größer ist als das, was nachfließt, müssen verschiedene Großkunden reduziert werden, damit der Druck nicht unter einen kritischen Wert fällt“, erklärt Michels. Dieser Wert sei rein technisch und hänge auch vom Netz ab, er sei lokal überall anders. „Wichtig ist, dass das Gas immer nachströmt“, sagt Michels. „Deshalb überwachen wir den Druck in all unseren Leitungen. Wenn wir sehen, dass es irgendwo ein Problem gibt, müssen wir Gegenmaßnahmen treffen.“
Man könne das auch nicht einfach mit Luft aus der Leitung pumpen, um sie zu leeren oder das letzte Quäntchen Gas herauszupressen. „Sobald man ein Gemisch aus Luft und Gas hat, wird es gefährlich“, sagt Michels. Ist in der Luft ein Anteil von vier bis fünf Prozent Gas, ist das Gemisch explosiv. Das bedeutet auch: Wenn aus einer Leitung an einem Ende Gas ausströmt und mit Luft in Verbindung kommt, dann ist irgendwo in der Mitte die Gaskonzentration im explosiven Bereich. „Und dann wird es gefährlich“, sagt Michels.
Aus diesem Grund ist immer 100 Prozent Gas in den Leitungen. „Bei einer Leitung, in der ein Gas-Luft-Gemisch ist, muss das Gemisch so lange austreten gelassen werden, bis nur noch Gas in der Leitung ist“, sagt Michels. Wenn ein Gas-Luft-Gemisch in eine Heizung kommt, dann könne diese explodieren. „Keine kontrollierte Verbrennung – sondern eine Explosion“, sagt Michels.
Aus diesem Grund könnten die Haushalte auch nicht einfach vom Gas „abgeklemmt“ werden – denn in die stillgelegten Leitungen strömt dann Luft nach. „Wir haben gesagt, dass es gefährlich wird, wenn es ein Gas-Luft-Gemisch gibt“, sagt Michel. „Wir müssten dann in jedes Haus gehen und die Leitung entlüften. Ein unglaublich großer Aufwand.“ Deshalb würde darauf geachtet, dass die Haushaltskunden immer genug Gas bekommen.
„Wenn die Heizung abgestellt ist, heißt das ja nicht, dass die Gasleitung leer ist“, sagt Michels. Es sei deshalb wichtig, dass niemand in Eigeninitiative an seiner Heizung „herumfummele“ – sondern, dass nur qualifizierte Betriebe daran arbeiten. „Mit Gas spielt man nicht.“
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