Freigabe von 108.000 Barrel / So groß sind Luxemburgs Öl-Notreserven – und so lange werden sie reichen
Der Ölpreis steigt wegen des Ukraine-Kriegs in astronomische Höhen. Die Internationale Energieagentur hat deshalb erklärt: Mitgliedstaaten können Teile ihrer strategischen Ölreserven in den Markt pumpen, um den Preis zu stabilisieren. Luxemburg macht mit 108.685 Barrel mit. Aber wie groß sind unsere Reserven tatsächlich – und für wie lange würden sie im absoluten Notfall reichen?
Es ist eine Nachricht, an die man sich inzwischen fast gewöhnt hat: Die Spritpreise in Luxemburg erreichen ein Rekordhoch. Für Super-95-Treibstoff ist das auch seit Freitag, 0 Uhr, wieder der Fall. Dann kostet der Saft an der Tanke ganze 1,658 Euro – eine Preissteigerung von mehr als sechs Cent an nur einem Tag.
Getrieben werden die Preise für Öl – und damit auch den Kraftstoffen – vom Krieg in der Ukraine. Laut der Nachrichtenagentur dpa sind dafür vor allem Ängste wegen möglicher Lieferausfälle infolge des Kriegs verantwortlich. Fachleute hielten es demnach zudem für möglich, dass große Volkswirtschaften wie die USA die Einfuhr russischen Erdöls sogar komplett verbieten könnten. Und umgekehrt werden auch Gegensanktionen aus Moskau für möglich gehalten – bis hin zu einem völligen Ausfuhrstopp aus Russland.
Das ist für Europa – und Luxemburg – kein geringes Problem. Laut der Europäischen Kommission machte russisches Erdöl 2019 mehr als ein Viertel allem importieren Öls in die Union aus. Die Länder in der EU sind dabei unterschiedlich stark von den Importen abhängig. Wenig überraschend liegt Luxemburg mit einer „Energie-Abhängigkeitsrate“ von 90 Prozent unter den Spitzenreitern. „Bei Rohöl, Gas und Festbrennstoffen hängt die EU hauptsächlich von Russland ab, gefolgt von Norwegen“, schreibt die EU-Kommission.
45 Prozent teurer seit Jahresbeginn
Seit Jahresbeginn sind die Ölpreise um rund 45 Prozent gestiegen, allein seit Wochenbeginn um mehr als zehn Dollar, berichtet die dpa. Die beiden wichtigsten Ölsorten Brent und WTI haben laut der Nachrichtenagentur am Donnerstag erneut einen der höchsten Preise seit Jahren erreicht. Ein Barrel – also 159 Liter – der Nordseesorte Brent wurde mit bis zu 118,20 Dollar gehandelt. Ein Barrel WTI kostete bis zu 114,99 Dollar. „Das ist der höchste Stand seit dem Jahr 2008“, schreibt die dpa. „Gegenüber dem Vortag legten die Preise um jeweils vier Dollar zu. Zum Vergleich: Im Dezember lag WTI laut finanzen.net noch bei knapp über 70 Dollar, vor einem Jahr sogar darunter.
Die Internationale Energieagentur (IEA) – Luxemburg ist wie die USA, Deutschland oder Frankreich einer der 31 Mitgliedstaaten – hat am Dienstag erklärt, deshalb Teile der Rohölreserven freizugeben. Insgesamt sollen 60 Millionen Barrel Rohöl in den Markt gepumpt werden. Mit der Freigabe von Rohölreserven sollen die Folgen des Krieges in der Ukraine an den Märkten abgemildert werden. Luxemburg schließt sich der Mehrheit der IEA-Mitgliedsländer an, darunter insbesondere die USA, Deutschland, Frankreich und die Niederlande, erklärte die Regierung in einer Pressemitteilung am Donnerstagnachmittag.
Insgesamt werden die 31 IEA-Länder demnach 60 Millionen Barrel Rohöl freigeben. So sollen Angebotsengpässe infolge des Krieges abgemildert werden. „Der Ölmarkt ist ein globalisierter Markt – die Beteiligung Luxemburgs am Plan zur Entnahme von Ölnotvorräten ist eine Selbstverständlichkeit, um die organisierte kollektive Aktion zu unterstützen“, wird Energieminister Claude Turmes („déi gréng“) in der Pressemitteilung zitiert. „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind die Sicherung der Ölversorgung und die Stabilisierung der Preise eine Priorität für die Regierung.“
Wie die dpa berichtet, verfügen die IEA-Mitglieder über Notfallreserven in Höhe von 1,5 Milliarden Barrel. Freigegeben werden also nur vier Prozent. Die Ölpreise reagierten am Dienstag zunächst kaum auf die Entscheidung. Dass Reserven in einer koordinierten Aktion freigegeben werden, ist erst das vierte Mal. Zuletzt erfolgte dies im Jahr 1991 – während des Krieges im Irak.
Luxemburg gibt 108.685 Barrel frei
Das letzte Mal, dass Luxemburg auf die „Ölnotvorräte“ zurückgreifen musste, war laut L’essentiel im Jahr 2005. Damals legte der Hurrikan Katrina die Ölproduktion der Vereinigten Staaten lahm. Luxemburg beteiligt sich jetzt an der „freiwilligen gemeinsamen Aktion“ der IEA mit 108.685 Barrel. Das sind in etwa drei Prozent der „Notölreserven“ Luxemburgs, die sich demnach insgesamt auf drei bis vier Millionen Barrel belaufen.
Was hat es mit den Öl-Notreserven auf sich? „Es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass man Notvorräte für 90 Tage haben muss“, erklärt ein Sprecher des Energieministeriums am Donnerstagabend gegenüber dem Tageblatt. Luxemburg habe sogar Reserven für insgesamt 93 Tage angelegt. Der absolute Wert für einen „Tag“ berechnet sich anhand des Durchschnittsverbrauchs Luxemburgs. Insgesamt muss der Anteil der Endprodukte – also Benzin und Diesel – laut Energieministerium für 40 Tage reichen, der Rest kann aus Rohöl bestehen. Die Vorräte sind in drei Teile aufgeteilt: Ein Teil lagert auf Luxemburger Staatsgebiet, einer in der Großregion, ein weiterer auf dem Territorium der Europäischen Union. Wie viel wo und wie gelagert wird, bestimmt das Gesetz. Für mindestens acht Tage müssen die Vorräte reichen, die im Land selbst ruhen. 37 Tage lang jene, die in der Region gebunkert sind. Die restlichen 45 Tage können aus Reserven bestritten werden, die in irgendwo in der EU liegen.
Während in Luxemburg nur bereits raffinierte Produkte eingelagert sind, die direkt angezapft werden können – also Benzin und Diesel –, haben die Tanks, die in der „Region“ verteilt sind, auch teilweise Rohöl gelagert. Wichtig ist: Sie müssen sich in einem Umkreis von 230 Kilometern ums Land herum befinden. Laut Energieministerium lagern die Notölvorräte Luxemburgs in Bartringen und Mertert, die in der Großregion zum größten Teil in Belgien. Die langfristige Reserve besteht größtenteils aus Rohöl, das auf zwei Weisen abgerufen werden kann. Einerseits „kontraktuell“ – also über vertragliche Verpflichtungen, anderseits als tatsächliches, physisches Tanklager. Dieser Teil der Luxemburger Reserven schlummert in den Niederlanden – und genau von ihnen werden jetzt auch die 108.685 Barrel für die Stützung des Ölmarkts angezapft.
Keine Freudentränen im Finanzministerium
108.685 Barrel (17.280.915 Liter) Rohöl haben Stand Donnerstag einen Marktwert von 120 bis 130 Millionen Dollar. Aber bevor die neue Finanzministerin Yuriko Backes in Freudentränen ausbricht: Die Ölreserven „gehören“ nicht dem Staat. „Wir haben hier ein Prinzip der Zwischenlagerungshaltung, die der Industrie obliegt“, sagt der Sprecher aus dem Energieministerium. Die Lagermenge werde vom Staat heruntergesetzt und die Industrie bringe das Öl auf den Markt. Die Kosten seien beim Energieunternehmen eingebettet. „Geld verdienen kann man da nicht“, erklärt der Sprecher. Die „Pflichtlagerhaltungen“ seien Volumen, die auch wieder zurückgekauft werden müssten. Bis jetzt ist geplant, dass die Lager bis Ende Juni wieder aufgefüllt würden. „Aber man muss abwarten, was die Internationale Energieagentur sagt.“
Wie sehr die konzertierte Aktion der 31 IEA-Länder den Markt beeinflussen wird, ist noch unklar. Seit dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine ist der Preis stetig und heftig gestiegen. „Man erwartet, dass sich die Preise stabilisieren oder im Idealfall reduzieren, wenn die Produkte physisch auf den Markt kommen“, sagt der Sprecher aus dem Hause Turmes. Vorderstes Ziel des Schrittes sei, dass die Volatilität, die derzeit auf dem Ölmarkt herrsche, abgebremst werden könne. Prognosen, wie sich die Preise mittelfristig schlimmstenfalls entwickeln könnten, will der Experte nicht wagen. „Man kann im Moment nicht sagen, was in naher Zukunft passiert – im Idealfall stabilisieren sich die Preise oder das Öl wird sogar billiger.“ Aber es könne auch wieder eine Gegenaktion von Russland geben, die den Markt erneut destabilisiere.
„Im Moment ist die Versorgung auf jeden Fall gesichert“, sagt der Sprecher. „Unsere Notvorräte sind voll – und im Moment wird auch noch geliefert.“ Für extreme Situationen gäbe es auch im Ölbereich Notfallpläne; bevor man auf dem Trockenen sitzt, müsse aber einiges passieren. „Außer strategische Reserven auf den Markt zu bringen, gibt es im schlimmsten Fall noch weitere Optionen, die abhängig von der Krise gezogen werden können – beispielsweise das Begrenzen der Volumen an den Tankstellen oder Geschwindigkeitsbegrenzungen.“ Wenn eine Krise auf das Land zukommen würde, falle nicht auf einmal die ganze Versorgung aus. „Aber bei 93 Tagen Reserve – da können wir schon einiges auf uns zukommen lassen.“
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