Reportage / So haben Schüler und Lehrer die „Rentrée“ erlebt
Am Montag haben die Grundschulen nach zehnwöchiger Pause ihre Türen geöffnet. Dies war die letzte Etappe der Exit-Strategie des Bildungsministeriums und zugleich jene, die am meisten polarisiert hat. Wie haben die Schüler ihren ersten Tag erlebt? Was sagen die Lehrer dazu? Eine Reportage.
Die Aufregung war groß. Schließlich sollte am Montag ihr erster Schultag sein. Elina ist sechs Jahre alt und geht in den „Cycle“ 1.2 – die „Spillschoul“. Am Abend davor ist sie erst spät eingeschlafen. Beim Frühstück sagt sie: „Ich bin aufgeregt“. Die „Coronaferien“ haben länger gedauert als normalerweise die „Grouss Vakanz“. Die Bezeichnung „Rentrée“ trifft es auf den Punkt. Auch, wenn diesmal alles anders ist.
Auf dem Schulweg ist Elina immer noch aufgeregt. Ihre Gedanken kreisen um die Frage, wer denn jetzt bloß in ihrer Gruppe ist. Die Lehrerin hatte darüber nicht informiert. Vor der Schule Chemin rouge in Beles blieb das übliche Verkehrschaos aus. Das hängt wohl mit der Halbierung der Schülerzahl zusammen. An der Mauer, die den Schulhof abgrenzt, tauchen immer mehr Eltern auf. Manche stehen alleine, andere in Grüppchen und halten Schwätzchen. Lange hat man sich nicht mehr gesehen. Die meisten tragen Mundschutz, manche nicht.
Die Kinder dürfen bei ihrer Ankunft im Schulhof nicht mehr ziellos herumtoben. Die Eltern haben im Vorfeld von den Lehrern genaue Anweisungen per E-Mail zugeschickt bekommen, wo die Schüler hinmüssen. Die Gemeinde hat im Pausenhof viele bunte Linien, Zahlen und Buchstaben aufgemalt. Jede Gruppe hat eine bestimmte Farbe und Markierung. Bei den ganz Kleinen, also Zyklus 1, warten die Lehrerinnen vorne an der Markierung.
Elinas „Joffer“ trägt einen bunten Mundschutz und hat ein orangefarbenes Seil an die Markierung gelegt. Das Seil ist mit Knoten versehen. Jedes Kind muss einen Knoten in die Hand nehmen. Die Lehrerin läuft vorne und hält das Seil. Die Kinder halten durch die Markierung am Knoten automatisch die Distanz ein und folgen der Lehrerin hinein in das Schulgebäude. Das Seil dürfen sie erst bei Ankunft in ihrem Klassenzimmer wieder loslassen.
„Chaos and order“
Während Elina in der Schule sitzt, geht ihr Vater seiner Arbeit nach. Er hat sich im selben Ort in der Grundschule Beles-Post für eine Reportage angemeldet. Schulpräsident Joël Wintersdorf führt den neugierigen Journalisten durch das Gebäude. Auf den ersten Blick sind weder Markierungen noch Absperrungen zu sehen.
An der ersten Kreuzung, dort wo es auch die Treppen hoch- und heruntergeht, thront allerdings ein Kreisverkehrsschild, auf dem „Chaos and order“ steht. Die „Insel“ des Kreisels bilden vier aneinandergestellte Schulbänke. „Wir müssen natürlich etwas Ordnung in das Ganze bringen“, kommentiert Wintersdorf das Schild. Er gibt zu verstehen, dass er nicht viel von „militärisch durchorganisierten“ Strukturen hält. Der Schulpräsident zeigt auf die Eingangstür. Durch diese Tür kommen nur drei „Spillschoulen“ herein. „Dafür brauchen wir keine Absperrungen.“ Raus gehen sie durch die andere Tür, die in den Schulhof führt. Er zeigt nach rechts.
Mehr Verkehr entsteht im Kreisel oder im Treppenhaus. Deshalb wurden diese Stellen auch markiert. Ansonsten laufe der „Verkehr“ immer nur in einer Richtung. Da die Treppen breit sind, konnten diese anhand einer grünen Linie in zwei Laufrichtungen unterteilt werden. Aufgeklebte Pfeile zeigen die jeweilige Laufrichtung.
Weitere Markierungen befinden sich im Schulhof, auf dem Spielplatz und dem Fußballplatz mit Kunstrasen hinter dem Schulhof. Diese ganzen Flächen wurden zur Vergrößerung des Pausenhofs hinzugezogen, damit die einzelnen Gruppen innerhalb ihrer Markierungen mehr Möglichkeiten haben, sich zu bewegen.
Keine traumatisierten Kinder
Auch die Schule Beles-Post hat den Eltern im Vorfeld genaue Instruktionen zugesendet, wie sich die Kinder in Bezug auf die neuen Sicherheitsmaßnahmen verhalten sollten. Das habe auch gut geklappt. Die Eltern seien sehr diszipliniert gewesen und die Kinder seien voller Freude gewesen, endlich wieder in die Schule zu kommen. Ein Kind habe seine Maske vergessen. Das Problem konnte man schnell lösen.
„Ich habe heute Morgen keine traumatisierten Kinder gesehen“, sagt Wintersdorf. Er erwähnt die Gewerkschaften, die solche Szenarien prophezeit hätten. Auf die Frage, ob es denn keine Tränen gab, weil Schüler nicht mit ihren besten Freunden in der gleichen Gruppe seien, antwortet Wintersdorf: „Um 13 Uhr, nach Schulschluss, treffen die sich privat.“ Die Schüler seiner fünften Klasse seien gewohnt, in Gruppen zu arbeiten. Zwei Schüler mussten zu Hause bleiben. Einer gehört zu den gefährdeten Personen, ein anderer hat ein Familienmitglied, das zu einer der Risikogruppen zählt. Auch ein Lehrer muss zu Hause bleiben, weil er gefährdet ist.
Die Corona-Krise hat in wenigen Wochen die Digitalisierung um fünf Jahre nach vorne katapultiert. Die Kinder haben viel dazugelernt.Lehrer und Schulpräsident
In Wintersdorfs Klasse im obersten Stockwerk sitzen die sieben Schüler auf Distanz zueinander. In der anderen Gruppe seien es neun Schüler. Auf jeder Schulbank steht ein Laptop. „Wir arbeiten viel mit MS-Teams.“ Deshalb habe das Homeschooling auch sehr gut funktioniert. „Wir müssen jetzt nichts groß wiederholen, wir können einfach weitermachen mit dem Programm. Ich bin froh, dass wieder etwas Normalität entsteht“, sagt Wintersdorf.
Meisch sagte vor der Pandemie, dass 2020 das Jahr der Digitalisierung werde, so Wintersdorf. „Die Corona-Krise hat in wenigen Wochen die Digitalisierung um fünf Jahre nach vorne katapultiert. Die Kinder haben viel dazugelernt.“ Aber auch viele Lehrer habe die Krise dazu motiviert, sich mit den digitalen Möglichkeiten auseinanderzusetzen. „Das ist eine gute Sache an der Krise.“
„Zieht eure Masken an“
Es ist 10.45 Uhr. Nun gehen die Zyklen 3.2 und 4 in die Pause. Da die Pausen versetzt zueinander stattfinden, ertönt auch keine Klingel. „Zieht eure Masken an, es ist Pause“, sagt Wintersdorf. „Einer hinter dem anderen. Ich gehe voraus. Alle meine Entchen.“ Er geht vor, die Kinder folgen ihm und bemühen sich, den Sicherheitsabstand einzuhalten. Am Ende des Flurs geht es die Treppen herunter. Zügig durchqueren Lehrer und Schüler den Schulhof bis zum Eingang des Fußballfeldes. Unterwegs muss Wintersdorf die Schüler ermahnen. „Ihr dürft euch nicht vermischen. Ihr dürft nicht zu den Kindern der anderen Lehrerin.“ Die andere Lehrerin schreit: „Abstand halten. Nicht vermischen.“
„Wir machen Pause auf dem Fußballplatz“, sagt Wintersdorf. Die ganzen Pausenareale wurden auf die verschiedenen Klassen aufgeteilt. Es werde aber immer wieder gewechselt. „Damit nicht eine Klasse immer auf dem Spielplatz ist“, sagt Wintersdorf. Das Ganze sollte auf gesundem Menschenverstand beruhen, sagt er. „Man kann ja nicht alles regeln.“
Wintersdorf kann die Kritik der Lehrergewerkschaften nicht verstehen. Er sagt, dass das Bildungsministerium ein Spagat machen musste, um es vielen recht zu machen. Das Ministerium trage schließlich die Verantwortung. Im Hintergrund operieren viele Experten der „Santé“. „Das sind schließlich keine Idioten.“ Was er von der „Rentrée“ hält? Seine persönliche Meinung als Lehrer zähle nicht, sagt er. Er verlasse sich auf die Entscheidung, die auf diesen Expertenmeinungen basiere. Dennoch lässt er durchblicken, dass er lieber ganz normal Schule halten würde. Dennoch sei es für ihn persönlich besser, die Schulen gesplittet zu öffnen als gar nicht.
Ich bin froh darüber, dass die Schulen wieder aufgemacht haben. Ich fände es aber besser, wenn sie normal aufgemacht hätten. Weil die Kinder unter diesen Bedingungen leiden.Lehrer
Thierry André, ebenfalls Lehrer im Zyklus 4, ist anderer Meinung. Er basiert sich darauf, dass viele Kinderärzte und Wissenschaftler davon ausgehen, dass Kinder so gut wie gar nicht ansteckend sind. Und dass Kinder, die sich infiziert haben, sich nicht untereinander angesteckt haben, sondern das Coronavirus von Erwachsenen übertragen wurde. „Ich bin froh darüber, dass die Schulen wieder aufgemacht haben. Ich fände es aber besser, wenn sie normal aufgemacht hätten. Weil die Kinder unter diesen Bedingungen leiden“, so André.
Maßnahmen bringen nichts
Mit dem Unterricht komme man bedingt durch das Splitting nur langsam voran. Dennoch sei es besser, als weiter zu Hause zu bleiben. „Für mich sind die Kinder jene, die am meisten unter dieser Krise leiden. Sie dürfen auf keinen Spielplatz, sie haben weder Sport- noch Musikunterricht. Sie kommen nur zur Hälfte in die Schule. Sie haben ein Trimester ihrer Schulzeit verloren, sie durften nicht mit ihren Freunden spielen.“ André glaubt, dass die Maßnahmen nichts bringen, weil die Kinder in ihrer Freizeit zusammen spielen. „Wir machen hier den ganzen Aufwand, und nach Schulschluss vermischen sie sich trotzdem. Das macht mich wütend.“
André findet, dass sich bei der Entscheidung zur „Rentrée“ nicht genug auf die Wissenschaft basiert wurde. „Das Ministerium geht einfach vom Schlimmsten aus.“ Er erklärt: „Die Schulen wurden zugemacht, weil wir dachten, Corona überträgt sich wie das Grippevirus. Nun wissen wir, dass das in Bezug auf die Kinder nicht stimmt, und stellen Regeln auf, die aber immer noch von der ersten Prämisse ausgehen.“
Wintersdorf sagt, dass die Organisation zur „Rentrée“ ein Riesenaufwand war. „Aber das haben wir für die Kinder gemacht. Die freuen sich darauf, wieder in die Schule zu kommen.“
Es ist 12.40 Uhr. Elinas Unterricht im Chemin rouge ist beendet. Durch das Fenster sieht man in den Flur der Schule hinein. Elina geht am Seil mit ihren vier Mitschülern aus der Gruppe. Sie folgen der Lehrerin zum Ausgang. Der wurde allerdings wegen Corona auf die andere Seite des Blocks verlegt. Aber auch so kommen die Schüler in den Schulhof. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass die Kinder sich kreuzen.
Die morgendliche Aufregung war der schieren Freude gewichen. Elina erzählt, dass sie glücklich sei. „Das war so schön“, sagt sie. Die Kinder in ihrer Gruppe seien alles gute Freunde von ihr. Auch, wenn sie andere vermisse, die nun in der Gruppe B sind. Zu Hause angekommen, zeigt Elina ihren Eltern, wie man sich richtig die Hände wäscht. Das hat die Lehrerin ihnen heute gezeigt.
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Am Artikel steet: „Auf die Frage, ob es denn keine Tränen gab, weil Schüler nicht mit ihren besten Freunden in der gleichen Gruppe seien, antwortet Wintersdorf: „Um 13 Uhr, nach Schulschluss, treffen die sich privat.““
Wann se an der Schoul net daarfen vermescht gin, vermeschen se sech privat. Also wofir den ganzen Zoddi vun der Regierung.
Et war bekannt dass et sou geet.