PISA-Studie / So könnte sich Luxemburg an die Spitze katapultieren
Luxemburg hat ein katastrophales Ergebnis bei der aktuellen PISA-Studie 2018 hinnehmen müssen und die schlechten Werte von 2015 und 2012 teils noch unterboten. Die Lösung könnte man in den best practices anderer EU-Länder finden, denen es ähnlich wie Luxemburg erging und die nun an der Spitze jener Untersuchung stehen.
2009 erlebte Irland einen PISA-Schock. In den Bereichen Lesekompetenz und Mathematik hatte sich das Resultat gegenüber der vorherigen Studie im Jahr 2006 noch verschlechtert. Die PISA-Studie findet alle drei Jahre statt. Das Beispiel Irland erinnert an die jetzige Situation in Luxemburg. In der aktuellen Erhebung platziert sich Irland in allen drei Bereichen weit oben im Ranking. Wie ist das möglich?
Am vergangenen Freitag (13.12.) hat Yurika Backes als Vertreterin der EU-Kommission in Luxemburg den EU-Bildungsbericht 2019 und die PISA-Studie 2018 der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) im Europahaus vorgestellt. Livia Ruszthy, Analytikerin und Verantwortliche für Luxemburg im Bereich Bildung in der EU-Kommission, ging auf die drei Top-Länder der aktuellen PISA-Untersuchung ein. „Irland, Estland und Polen haben es fertiggebracht, ihre Resultate in der PISA-Studie 2018 zu verbessern“, so Ruszthy. Diese drei Länder verbindet zudem, dass sie Maßnahmen ergriffen haben, welche die Ungleichheiten ihres Bildungssystems reduzieren. Und genau diese Ungleichheiten sind das Problem, das Luxemburg zurzeit hat.
Die Maßnahmen, die diese drei Länder aufgestellt haben, könnten auch von Luxemburg angewendet werdenAnalytikerin und Verantwortliche für Luxemburg im Bereich Bildung in der EU-Kommission
„Die Maßnahmen, die diese drei Länder aufgestellt haben, könnten auch von Luxemburg angewendet werden“, bestätigt Ruszthy auf Tageblatt-Nachfrage. Natürlich müsse man dies dann genauer im nationalen Kontext betrachten. Luxemburg sollte den Schwerpunkt mehr auf die Gleichheit setzen, um benachteiligte Schüler zu unterstützen. Denn hierzulande habe die soziale Herkunft besonders große Auswirkungen. „Wenn dies in Estland und Irland möglich ist, dann sicherlich auch in Luxemburg“, so Ruszthy. Ziel sei es, dass die Schüler im Großherzogtum ihre Basiskompetenzen verbessern und Lehrer neue Methodologien lernen, wie sie die Kompetenzen bei den Schülern besser entwickeln können.
Ruszthy sagt, dass Irland nach dem PISA-Schock eine sehr ehrgeizige Strategie entwickelt habe, um die Basiskompetenzen der Schüler zu verbessern. Sie nennt ein Beispiel: eine halbe Stunde lesen am Tag. Man habe auch festgestellt, dass Jungen weniger Lesekompetenzen aufweisen als Mädchen. Deshalb habe man das Schulprogramm überarbeitet und die Textauswahl ausgeweitet. Um die Jungs für das Lesen zu motivieren, habe man grafische Romane eingeführt. Viele Jungs lieben das.
Weiterbildung für Lehrer
Irland hat zudem in die Weiterbildung der Lehrer investiert, um deren Kompetenzen zu verbessern. Auf diese Weise wurde den Lehrern beigebracht, wie sie die Basiskompetenzen ihrer Schüler verbessern. Dazu wurde auch die Struktur der initialen Lehrerausbildung geändert. Die Schulen mussten sich fortan selbst Ziele stecken und diese dann begutachten. Irland hat durch diese Maßnahmen enorme Fortschritte im Bildungswesen erreicht. Dabei blieben die Unkosten, die sich auf 17 Millionen Euro pro Jahr belaufen, relativ niedrig.
In Estland ist die Situation ein wenig anders. Trotz guter Resultate in den PISA-Studien 2006 und 2009 wollte sich der baltische Staat weiter verbessern. Nachdem Estland sein Schulprogramm reformiert und den Schwerpunkt auf die Entwicklung der Kompetenzen gesetzt hatte, gab es immer noch zwei Probleme: Schulabbrecher ohne Diplom und Schüler, die nicht leistungsfähig genug waren. Es folgte eine zweite Reformwelle, die vorsah, dass Schüler mit besonderen Bedürfnissen in die regulären Klassen integriert werden müssen. Und dieses Integrationsprinzip muss im Programm jeder Schule eingeschrieben sein. Und jede Schule, jeder Direktor ist dazu verpflichtet, einen Koordinator zu benennen zur Unterstützung der Schüler mit besonderen Bedürfnissen.
Die Resultate der Luxemburger Schüler in den Bereichen Lesekompetenz und Wissenschaft sind mit die schlechtesten der EUAnalystin für PISA bei der OECD
Polen hat bei seiner Reform unter anderem die Betreuung von Kleinkindern ausgedehnt und im Sekundarunterricht die Orientierung zu spezialisierten Sektionen weiter nach hinten verschoben. Die Schüler werden demnach bis zum Alter von 16 Jahren gemeinsam unterrichtet. Daneben wurde ein neues Schulprogramm eingeführt und massiv in die Weiterbildung der Lehrer investiert. Dennoch wird Polen bei der nächsten PISA-Studie vielleicht nicht mehr ganz vorne landen. Denn die aktuelle PiS-Regierung hat sämtliche Reformen wieder rückgängig gemacht.
Luxemburg könnte daraus lernen
Luxemburg könnte aus diesen positiven Beispielen lernen. „Die Resultate der Luxemburger Schüler in den Bereichen Lesekompetenz und Wissenschaft sind mit die schlechtesten der EU“, berichtet Pauline Givord, Analystin für PISA bei der OECD. Die Aussagen Givords wurden in Form einer Tonaufnahme in die Pressekonferenz am Freitag eingespielt, da es ihr aufgrund des Streiks in Frankreich nicht möglich war, aus Paris ins Europahaus nach Luxemburg zu kommen. In der Mathematik sei das Ergebnis etwas besser, aber in der Lesekompetenz und in der Wissenschaft habe sich das Großherzogtum im Vergleich zu den vergangenen PISA-Studien 2015 und 2012 weiter verschlechtert.
„Luxemburg ist das Land, in dem der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und der Leistung im PISA-Test am stärksten ist“, so Givord. Schüler, die hierzulande aus sozioökonomisch benachteiligten Verhältnissen stammen, liegen im Endergebnis der PISA-Studie im Bereich Lesekompetenz 122 Punkte unterhalb des Resultates begünstigter Schüler. „Es ist die größte Diskrepanz aller Länder, die bei PISA mitgemacht haben“, erklärt Givord.
Dabei weise Luxemburg einige Besonderheiten auf: Über die Hälfte (55 Prozent) der 15-Jährigen hatte beim Test 2018 einen sogenannten Migrationshintergrund. Diese Kinder sind entweder eingewandert, im Ausland geboren oder von Eltern, die im Ausland zur Welt kamen. Dieser Anteil ist seit 2009 um 15 Prozent gestiegen. „Es ist der stärkste Zuwachs aller Länder, die an der PISA-Studie beteiligt waren“, so Givord. Dabei wurde Folgendes festgestellt: Schüler mit Migrationshintergrund haben in Luxemburg schlechtere Resultate als Schüler, die hierzulande geboren wurden.
Luxemburg weist laut Givord weitere Besonderheiten auf: Entgegen den Beobachtungen, die man woanders gemacht hat, haben Schüler mit Migrationshintergrund der ersten Generation, also jene, die nicht in Luxemburg geboren wurden, bessere Resultate als jene der 2. Generation, die im Großherzogtum zur Welt kamen.
In der PISA-Studie haben Schuldirektoren in Luxemburg bemängelt, dass ihnen nicht ausreichend Lehrpersonal zur Verfügung gestellt werde, um einen Qualitätsunterricht gewährleisten zu können. Insbesondere Schulen, bei denen die Mehrheit der Kinder aus benachteiligten sozioökonomischen Verhältnissen stammt, sind davon betroffen. Deshalb lautet das Fazit von Givord im Namen der OECD: „Stellt den Schulen mehr Ressourcen zur Verfügung, vor allem um benachteiligte Schüler und deren Schulen voranzubringen.“
Lehrermangel, ein EU-weites Problem
Laut Yuriko Backes von der EU-Kommission sind Lehrer der wichtigste Faktor im schulischen Bereich. Sie sind diejenigen, die den größten Einfluss auf die schulischen Leistungen der Schüler haben. Nicht nur Luxemburg sei mit einem Lehrermangel konfrontiert; dies sei ein EU-weites Problem. Der Mangel betreffe auch Lehrer mit einem spezialisierten Profil. „Um diese Herausforderungen zu meistern, muss man die Attraktivität des Berufes verbessern und den Lehrern gute Arbeitsbedingungen anbieten“, so Backes.
Wenn Luxemburg beim nächsten Mal nicht mitmacht, können die Verbesserungen nicht festgestellt werden. Die Bilanz kann nicht gezogen werden.Vertreterin der EU-Kommission
Die luxemburgische Regierung habe eine gewisse Anzahl an Maßnahmen verabschiedet, um die Ziele, die sich die EU-Staaten bis 2020 gegeben haben, zu erreichen, sagt Backes. Einerseits wurden Qualitätsnormen in den Erziehungs- und Betreuungseinrichtungen für Kinder von eins bis vier Jahren eingeführt. Diese beinhalten Aktivitäten, die dazu dienen, die Kinder mit der luxemburgischen und französischen Sprache vertraut zu machen. Ein weiterer Punkt betreffe die Verstärkung der Kompetenzen der „Maison d’orientation“ im Bereich der schulischen und professionellen Orientierung. Dies führe enorm dazu bei, die Schulabgänge ohne Diplom zu verhindern.
Schade findet Backes allerdings die Tatsache, dass Bildungsminister Claude Meisch (DP) angekündigt hat, bei der nächsten PISA-Studie in drei Jahren nicht mitmachen zu wollen. Da sie die EU-Kommission vertrete und nicht die OECD, der die PISA-Studie obliegt, können sie nicht in deren Namen sprechen. Dennoch wies Backes darauf hin, dass in Luxemburg viele Bemühungen in verschiedenen Bereichen unternommen wurden, um die Situation zu verbessern. „Wenn Luxemburg beim nächsten Mal nicht mitmacht, können die Verbesserungen nicht festgestellt werden. Die Bilanz kann nicht gezogen werden“, so Backes.
- Was Jugendliche im Internet treiben: Bericht zeigt Nutzungsverhalten auf digitalen Geräten - 8. Februar 2023.
- Kritik am FDC: Die „schmutzigen“ Investments des „Pensiounsfong“ - 7. Februar 2023.
- Ein Plan für mehr Naturschutz in Luxemburg - 3. Februar 2023.
Sinn eis Schüler duerno mei gescheit?
Dream on! Mehr faellt mir im Moment nicht ein