„Ganz klar ein Notfall“ / So lief die Rettungsaktion von 15 Geflüchteten unter luxemburgischer Flagge im Mittelmeer ab
Als die Crew des luxemburgischen Schiffs „Simon Stevin“ am vergangenen Donnerstag 15 Flüchtlinge auf dem Mittelmeer in einer Notlage entdeckt, startet die Besatzung eine Rettungsaktion. Von einem Stahlkoloss dieser Größe aus ist das jedoch gar nicht mal so leicht. David Lutty von der Jan De Nul Group, zu der das Schiff gehört, berichtet, wie die Rettung ablief.
Eigentlich hätte es für die Besatzung der „Simon Stevin“ eine ganz normale Rückfahrt von der Türkei zurück nach Belgien werden sollen – doch am vergangenen Donnerstag läuft die Reise anders als geplant. Auf dem Mittelmeer wird es am 10. November vor der Küste Algeriens bereits Abend, als die Crewmitglieder plötzlich ein kleines Boot entdecken, das auf dem endlos erscheinenden Wasser treibt. Mehrere Menschen sitzen darin. So berichtet es David Lutty, Direktor von Jan De Nul Luxemburg, am Mittwoch im Gespräch mit dem Tageblatt. „Das Boot war in einer Notsituation“, sagt Lutty. „Für uns war das also ganz klar ein Notfall.“
15 Geflüchtete sind laut der Pressemitteilung von Jan De Nul auf dem kleinen Boot. Und das bereits seit mehreren Tagen, als die Besatzung der „Simon Stevin“ sie entdecken. Acht Männer, zwei Frauen und fünf Kinder sitzen in dem Kahn, der laut Lutty schon nicht mehr fahrtüchtig ist – und das ganze 75 Kilometer vor der algerischen Küste. Sie sind von ihrer Reise geschwächt und unterkühlt.
Risiko des Ertrinkens zu groß
An Bord der „Simon Stevin“ versucht die 54-köpfige Crew zunächst, die Lage einzuschätzen und kontaktiert dabei unter anderem die Küstenwache – vielleicht ist die ja ohnehin in der Nähe oder schon auf dem Weg zu dem Boot. Doch Letzteres war nicht der Fall – und in der nächsten Zeit kann ein Team der Küstenwache die nicht erreichen, erklärt Lutty. Daher sei dann klar gewesen: Die Menschen müssen raus aus dem Boot – zu groß ist das Risiko, dass sie ertrinken. Nachdem die Küstenwache darüber informiert ist, dass die „Simon Stevin“ die Rettung startet, kann es also losgehen.
Eine solche Aktion sei allerdings nicht so einfach, wenn man sie von einem Schiff aus starten will, die so gebaut ist wie die „Simon Stevin“, erklärt Lutty. Denn: Der 32.500 Tonnen schwere Stahlkoloss ist 192 Meter lang und damit ziemlich groß. „Das war schon fast eine kleine Operation“, sagt der luxemburgische Firmendirektor über die Aktion. Hinzu kommt, dass es für die Flotte die erste Rettungsaktion dieser Art ist. „Normalerweise sind wir eher in Häfen oder Projekten im Einsatz“, so Lutty. Schiffe, die zu anderen Zwecken, wie zum Beispiel zum Fischen eingesetzt werden, seien grundsätzlich auch längere Zeit auf hoher See unterwegs. Bei der Jan-De-Nul-Gruppe sei das aber hauptsächlich dann der Fall, wenn sie auf dem Weg zu einer Arbeitsstelle hin oder von dort zurück nach Hause seien.
Rettungsaktion endet im Dunkeln
Für einige Crewmitglieder des Riesenschiffs geht es nun hinunter zu dem kleinen Boot, in dem die Flüchtlinge sitzen. Dann heißt es: Umsteigen. Die 15 Menschen können ihren Aufenthaltsort der vergangenen Tage endlich gegen ein oranges Beiboot mit der Aufschrift „Simon Stevin Luxembourg“ eintauschen. Ein Foto der Rettungsaktion zeigt, dass es bereits dunkler geworden ist. Mehrere Crewmitglieder und Flüchtlinge sind an Bord des Bootes zu sehen. Ein Kind sitzt noch auf dem Schoß einer Frau, während eine Seilkonstruktion bereits das Beiboot mit der „Simon Stevin“ verbindet.
Als die 15 Menschen an Bord ankommen, bekommen sie von der Crew erst einmal warme Kleidung, Decken und etwas zu essen und zu trinken. An diesem Abend dürfen sie auch wieder in Betten schlafen, statt unter freiem Himmel auf einem Boot. Abgesehen von der Erschöpfung und der abklingenden Unterkühlung sind sie „bei guter Gesundheit“, heißt es in der Pressemitteilung von Jan De Nul. Die sprachliche Verständigung zwischen der Crew und den Flüchtlingen ist zwar nicht ganz einfach, doch „mit Händen und Füßen“ klappt es doch irgendwie, sagt Lutty. Von wo aus die Menschen geflüchtet seien, wisse er nicht.
Die nächste Station für die Geflüchteten ist schließlich Algerien – das Land, vor dessen Küste sie auf dem Meer treibend gefunden wurden. Diskussionen darüber, dass sie dort an Land gehen sollen, habe es mit den 15 Menschen keine gegeben, so Lutty. Was mit ihnen passiert ist, seitdem sie dort angekommen sind, wisse er nicht. „Wahrscheinlich hat eine Organisation sie dort aufgenommen“, schätzt er.
Jan De Nul
Die Jan-De-Nul-Gruppe ist ein Unternehmen in der Wasser- und Tiefbaubranche mit Hauptsitz im Großherzogtum. Bezogen auf die Herkunft ist die im Jahr 1938 gegründete Firma jedoch ein belgisches Familienunternehmen mit 6.644 Mitarbeitern (Stand 2021). Im vergangenen Jahr war Jan De Nul in 52 Ländern aktiv und hat dabei an 223 Projekten gearbeitet.
In der Pressemitteilung vom Mittwoch schreibt die Gruppe über sich selbst: „Unsere Fachkompetenz beruht auf fünf Kernaktivitäten: maritime Dienstleistungen, Offshore-Dienstleistungen, Bauingenieurwesen, Umweltaktivitäten und Projektentwicklung. Wir realisieren die Energiegewinnung auf See und halten die Tiefe der Wasserwege aufrecht. Wir bauen neue Häfen und schaffen zusätzliches Land. Wir führen komplexe Infrastrukturarbeiten durch und errichten alle Arten von Gebäuden. Wir bekämpfen die Umweltverschmutzung in all ihren Formen.“
Die Schiffe der Jan De Nul Group werden also unter anderem dafür genutzt, Steine ins Wasser zu befördern und damit das Wasserbett zu präparieren, um danach beispielsweise Windräder oder Pipelines darauf zu bauen. So erklärt es David Lutty, Direktor von Jan De Nul Luxemburg, gegenüber dem Tageblatt. In diesen Aufgabenbereich fällt auch die „Simon Stevin“.
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