Budget / So reagieren die Luxemburger Abgeordneten auf den Haushaltsentwurf
Am Mittwoch wurde im Parlament über den Haushalt debattiert. Die Vertreter der einzelnen Parteien nahmen die Gelegenheit wahr, um ihre Sicht auf den Gesetzentwurf darzulegen. Dabei nutzen einige Politiker die Redezeit für einen Rundumschlag und um ihre Vorstellung von Regierungspolitik zu erklären. Es ging um Klima, Wohnungsbau, Covid und die Luxemburger Kolonialgeschichte.
Wenig überraschend lobten die Mehrheitsparteien die Arbeit von Finanzminister Pierre Gramegna und seinen Haushaltsentwurf. Für die nächsten Jahre sei wieder ein Wachstum zu erwarten. Auch die Lage am Arbeitsmarkt sei relativ gut, erklärte Georges Engel (LSAP). Dies führte er auf die Arbeit der Regierung zurück. Er nannte die „großzügige und wirkungsvolle“ Teilarbeitslosigkeit, die Berechnungen zufolge 15.000 Arbeitsplätze gerettet habe. André Bauler (DP) äußerte sich ähnlich. Die staatlichen Hilfen hätten vielen Betrieben geholfen, die unter Druck geraten waren. Austerität wäre die falsche Antwort und würde das noch fragile Wachstum abwürgen.
Engel sprach auch über die Auswirkungen des Klimawandels. Den Opfern der Überschwemmungen in diesem Jahr sei mit 100 Millionen Euro geholfen worden. Aber vorbeugen sei besser als heilen. Hierbei spielt für Engel der „Plan national intégré en matière d’énergie et de climat“ (PNEC) eine zentrale Rolle. Für 2022 seien 1,87 Milliarden Euro hierfür vorgesehen. Dies sei sinnvoll und notwendig.
Auch Josée Lorsché („déi gréng“) äußerte sich positiv zum Haushaltsentwurf. Schulden machen sei nicht per se schlecht, sagte sie. Die Abgeordnete ging des Weiteren auf die Wohnungspolitik ein. Auch wenn der Staat vorhat, mehr zu bauen, reichen die gesteckten Ziele vielen Kritikern bei weitem nicht. Lorsché sagte, ein begrenzender Faktor seien die Baufirmen, die ausgelastet seien. Max Hahn (DP) sprach von einem bisher zu langsamen öffentlichen Wohnungsbau, doch das würde sich nun ändern, sagte er mit Verweis auf den „Pacte logement 2.0“.
Bauler stellte zudem fest, dass die Staatsschuld weiterhin unter 30 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegt. Zur Erinnerung: Für den Zentralstaat hatte Finanzminister Pierre Gramegna für 2022 Einnahmen in Höhe von 22,3 Milliarden Euro (+4,3 Prozent) und Ausgaben in Höhe von 23,5 Milliarden Euro (+3,4 Prozent) prognostiziert. Ergibt ein Defizit von 1,230 Milliarden Euro. Das im Koalitionsabkommen selbstgesteckte Ziel, die Staatsverschuldung unter 30 Prozent zu halten, wird in den nächsten fünf Jahren eingehalten. Sie liegt den Prognosen zufolge im nächsten Jahr bei 26,6 Prozent.
Bei der Staatsschuld werden die Folgen der Pandemie derweil besonders sichtbar. Ende 2019 wurde erwartet, dass das Land Ende 2023 eine Verschuldung von insgesamt 13,3 Milliarden Euro (oder 17,5 Prozent des BIP) haben würde. Heute liegt die Schätzung für 2023 jedoch bei 20,3 Milliarden Euro (oder 27 Prozent des BIP). Der Unterschied ist gewaltig, es handelt sich um sieben Milliarden Euro Schulden mehr als geplant.
„Mehr Schein als Substanz“
Die Kritiken am Haushaltsentwurf waren so vielfältig wie die Opposition selbst. Mal populistisch, mal radikal, mal pragmatisch.
Gilles Roth (CSV) warf den Zahlen und den Reden des Finanzministers vor, „mehr Schein als Substanz“ zu sein. Die Regierung und die Mehrheit würden die realen Bedürfnisse und Sorgen der Menschen im Land nicht mehr sehen. Es sei ein Haushalt des politischen Stillstands, so Roth. Der Haushalt zeige trotz grünem Anstrich keinen gangbaren und pragmatischen Weg für mehr Klimaschutz, trotz roter Linie keinen Weg zu mehr sozialer Gerechtigkeit und trotz „blauem Himmel“ keine Perspektiven am Horizont. Besonders die Mittelschicht sei von der Regierungspolitik vergessen worden. Aber gerade diese brauche jetzt mehr Kaufkraft – von den Schwächsten der Gesellschaft ganz zu schweigen, so Roth. Über den Wohnungsbau sagte der Politiker, seine Partei sei für das Schließen von Baulücken, aber man könne die Leute nicht „auf den Kopf schlagen“, wenn sie nicht verkaufen wollen. Die CSV wolle zudem, dass mehr in die Höhe und weniger in die Breite gebaut werde. Roth forderte, dass der „bëllegen Akt“ und der „TVA-Fräibetrag“ erhöht werden. Seine Partei stehe auch zu einer „intelligent gestrickten“ Spekulationssteuer. Es könne nicht sein, dass jemand, der für einen Lohn arbeitet, 40 Prozent Steuern darauf bezahle, und jemand, der 100.000 bis 200.000 Euro gewinnt, nachdem er eine Wohnung für drei oder vier Jahre gehalten hat, nur einen reduzierten Steuersatz von 20 Prozent darauf bezahle.
Fernand Kartheiser (ADR) nutzte seine Redezeit, um das Budget zu kritisieren. Er warf der Regierung vor, Geld zu verschwenden. Als Beispiel nannte er eine von Premierminister Xavier Bettel vorgeschlagene Studie über die Kolonialgeschichte Luxemburgs. Luxemburg habe keine Kolonien gehabt, sei vielmehr von anderen als Kolonie betrachtet worden. Historiker sind allerdings heute der Meinung, dass obwohl Luxemburg keine Kolonien hatte, Menschen aus Luxemburg sich an Verbrechen anderer Kolonialmächte beteiligt haben. Kartheiser warf der Regierung vor, eine aufgeblasene Administration aufzubauen, in der heute viele Menschen rekrutiert werden müssten, die nicht einmal Luxemburgisch sprechen. Die ADR wünsche sich einen schlanken Staat, der sich auf Kernaufgaben wie Verteidigung, innere Sicherheit und Justiz beschränke. Auch an der Klimapolitik ließ Kartheiser kein gutes Haar. Diese setze die Wettbewerbsfähigkeit des Landes aufs Spiel. Wirtschaftlich sei die Klimapolitik der Regierung sinnlos und selbstmörderisch, so Kartheiser. Die Asylpolitik von Außenminister Jean Asselborn (LSAP) ist dem ADR-Politiker ein Dorn im Auge. Er sprach von Asyltourismus und Menschen, die lediglich aus wirtschaftlichen Gründen nach Luxemburg kämen. Dies müsse gestoppt werden und nur noch Geflüchteten, die verfolgt werden, sollte geholfen werden.
Negative CO2-Steuer
Genau wie Gilles Roth bezeichnete auch Nathalie Oberweis („déi Lénk“) den Haushaltsentwurf als politischen Stillstand. Er reiche nicht aus, um die drei großen Herausforderungen – soziale Gerechtigkeit, Wohnungsbau, Umweltschutz – anzugehen. Die Probleme seien eine Klassenfrage und dies werde besonders an der Krise auf dem Wohnungsmarkt deutlich. Der Karren stecke mittlerweile so tief im Dreck, dass nur noch radikale Methoden helfen könnten, so Oberweis. Des Weiteren kritisierte sie, dass nicht genug getan werde, um Haushalten zu helfen, die steigenden Energiepreise zu stemmen. Ein paar Hundert Euro mehr seien für viele Haushalte kein Klacks, sagte Oberweis. Darüber hinaus beschuldigte sie die Regierung, im sozialen Bereich Finanzleistungen durch Sachleistungen zu ersetzen, um Grenzgänger von diesen Leistungen auszuschließen. Gewerkschaften hatten bereits kritisiert, dass das geplante kostenlose Schulessen etwa nur Einwohnern zugutekommt.
Sven Clement (Piraten) schlug eine „negative CO2-Steuer“ vor. Anstatt Leute mit einer CO2-Steuer zu bestrafen, sollte man gutes Verhalten durch Steuervorteile belohnen. Einen Einwurf der ADR quittierte Clement mit dem Satz: „Es ist schrecklich, dass Menschen wie Sie immer noch so tun, als ob wir nicht vor einer Krise stehen.“ Clement kritisierte, dass die Wohnungspolitik noch immer keine Priorität der Regierung sei. Im Bereich Mobilität zeigt sich für Clement, welche Investitionen möglich sind, wenn die Regierung etwas zu ihrer Priorität macht. Clement nannte den Haushalt ein potemkinsches Dorf. In vielen Punkten sei er lediglich eine schöne Fassade.
Die Debatten über das Budget werden am Donnerstagmorgen fortgesetzt.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos