Neue Maßnahmen / So wappnen sich die Luxemburger Schulen gegen die Omikron-Welle
Die Infektionszahlen bei Kindern und Jugendlichen explodieren. Im Tageblatt-Gespräch erläutern Alain Massen, Präsident der Nationalen Elternvertretung, und Gilles Baum, DP-Abgeordneter, wie sie die Situation in den Schulen einschätzen und welche neuen Maßnahmen dort eingeführt werden.
Am Mittwoch hatte Bildungsminister Claude Meisch sämtliche Akteure des Bildungswesens zu einem dringlichen Treffen eingeladen. Anwesend war neben Gewerkschaftsvertretern und Schuldirektionen auch Alain Massen, Präsident der Nationalen Elternvertretung. „Die Situation ist sehr angespannt“, sagte er im Tageblatt-Gespräch. Die durch Omikron ausgelöste Welle wird heftig werden und in den nächsten Wochen weiter zunehmen, bevor sie wieder abflachen wird, so die Annahme.
Gilles Baum, DP-Abgeordneter und Präsident der Kommission für Bildung, sagte auf Tageblatt-Nachfrage nach der Kommissionssitzung am Donnerstag: „Wir haben eine Explosion der Infektionsfälle in der Alterskategorie 0 bis 14 Jahre. Die Lage ist aber noch heftiger bei den 15- bis 29-Jährigen.“ Diese Infektionen würden allerdings nicht auf eine Ansteckung in der Schule zurückgehen, da zu dem Zeitpunkt Weihnachtsferien waren. Rund 65 Prozent der Schüler im Lyzeum seien derzeit geimpft. Der Krankheitsverlauf bei jungen Menschen sei relativ milde, dennoch befänden wir uns nun in einer kritischen Phase, wo sich viele Kinder und Jugendliche infizieren, so Baum.
Wir haben eine Explosion der Infektionsfälle in der Alterskategorie 0 bis 14 Jahre. Die Lage ist aber noch heftiger bei den 15- bis 29-Jährigen.DP-Abgeordneter und Präsident der Kommission für Bildung
Beim Treffen mit den Akteuren des Bildungswesens am Mittwoch wurde über neue Maßnahmen an den Schulen beraten. Die neue allgemeine Regelung, welche die Verkürzung der Dauer von Quarantänen und Isolationen vorsieht, soll nun auch in den Schulen gelten. Demnach können sich Schüler nach jeweils einem negativen Test am fünften und sechsten Tag bereits am siebten Tag aus ihrer Quarantäne bzw. Isolation befreien. „Das ist natürlich eine gewisse Verantwortung, die man den Leuten überträgt“, so Alain Massen.
Eine weitere Neuerung sieht vor, dass eine Infektion nicht mehr zwingend durch einen positiven PCR-Test nachgewiesen werden muss. Fällt ein in der Schule durchgeführter Schnelltest positiv aus, dann gilt dies als Beweis für eine Infektion, sofern man den Test auf der „Santé“-Webseite anmeldet. So können die Eltern auf dieser Grundlage auch ihren Urlaub aus familiären Gründen anfragen. Damit möchte man laut Massen den Andrang auf die Laboratorien reduzieren und die „Santé“ entlasten, die zurzeit Schwierigkeiten habe, die erforderlichen Dokumente zeitnah zu verschicken. Nur ein Genesenen-Zertifikat kann man dadurch nicht bekommen. Doch bei Kindern unter 12 Jahren sei ein solches Zertifikat ohnehin bedeutungslos, da sie von den Covid-Check-Regeln entbunden seien, so Massen.
Drei Tests pro Woche in den Lyzeen
Ebenfalls vorgesehen ist die dreifache Testung pro Woche in den Lyzeen, so wie es bislang in den Grundschulen der Fall ist. Dies bestätigte Gilles Baum auf Tageblatt-Nachfrage. Bisher konnten sich die Sekundarschüler einmal in der Schule und einmal zu Hause testen. Da es sich um zertifizierte Schnelltests handelt, sind diese 24 Stunden lang gültig und können demnach bei den Freizeitaktivitäten am Nachmittag vorgezeigt werden.
Auslöser für das Treffen am Mittwoch waren die zahlreichen Krankheitsfälle bei den Lehrkräften. Zurzeit seien rund tausend Lehrer aus Grund- und Sekundarschulen krankgemeldet. Rund die Hälfte davon wegen Corona, so Massen. Dadurch gestalte sich die Situation in den Schulen zunehmend schwieriger. „Von den 600 Grundschullehrern, die zurzeit fehlen, sind rund 40 Prozent Covid-Ausfälle“, sagte Gilles Baum. „Bei den Lehrern in den Lyzeen sind 50 Prozent der Krankmeldungen auf Covid zurückzuführen.“
In der Kommissionssitzung am Donnerstag wurde uns vermittelt, dass wir uns auf eine kurze, aber heftige Welle einstellen sollenDP-Abgeordneter und Präsident der Kommission für Bildung
Laut Baum konnten am 3. Januar 240 Personen zur Aushilfe in den Grundschulen eingestellt werden. Weitere 158 sollen nächste Woche folgen. Diese Möglichkeit geht auf ein Gesetz zurück, das vor den Ferien verlängert wurde und welches es vereinfacht, mehr Personal an den Schulen einzustellen. Sowohl der normale Vertretungspool als auch jener der permanenten Vertreter sei bereits im Einsatz und stehe demnach nicht mehr zur Verfügung, so Baum. „In der Kommissionssitzung am Donnerstag wurde uns vermittelt, dass wir uns auf eine kurze, aber heftige Welle einstellen sollen“, sagte der DP-Abgeordnete.
Voraussichtlich betreffe dies die Monate Januar und Februar oder zumindest den Zeitraum bis zu den Karnevalsferien. Deshalb habe das Bildungsministerium nun Kontakt mit der Studentenvertretung ACEL aufgenommen, um Studenten während der Semesterferien in Schulen einsetzen zu können. Insbesondere jene Studenten in der Lehrerausbildung auf Belval seien hier anvisiert. So könne man eventuell das Homeschooling vermeiden, sofern sich die Situation nicht signifikant verschlechtere. Homeschooling sollte nur als allerletztes Mittel eingesetzt werden, so Baum.
Elternvertreter fordern Masterplan
Die Wirkung der neuen generellen Maskenpflicht, die seit dem 3. Januar in den Schulen gilt, sei bei den aktuellen Zahlen noch nicht ersichtlich. Diese könne erst nächste Woche festgestellt werden, so Massen. Die hohen Infektionszahlen bei Kindern hätten sich bislang noch nicht in den Krankenhäusern bemerkbar gemacht. Zurzeit sei kein einziges Kind wegen Covid-19 hospitalisiert. Dies sei eine gute Nachricht, so der Präsident der Nationalen Elternvertretung.
Wir können ja nicht weitere sechs Jahre weitermachen, mit Masken, regelmäßigem Testen und QuarantänenPräsident der Nationalen Elternvertretung
Mittel- bis langfristig setzt sich Alain Massen nach wie vor für die Ausarbeitung eines Masterplans ein. Dieser soll festlegen, wann welche Maßnahmen wo greifen sollen. Ein solches Instrument könne gesetzlich verankert werden und würde der jeweiligen Situation gerecht werden. Massen geht davon aus, dass wahrscheinlich noch weitere Varianten auf Omikron folgen könnten und dass das Virus irgendwann endemisch wird und demnach immer wieder punktuell zuschlagen kann. So könnte man lokal beispielsweise alle zwei Wochen die Situation analysieren und die angepasste Stufe dieses Plans für eine Schule, Gemeinde oder Region festlegen. Dementsprechend müssten nicht die Schüler des ganzen Landes monatelang die Maske im Unterricht tragen, sondern nur jene, bei denen dies in Bezug auf das Infektionsgeschehen notwendig ist. „Wir können ja nicht weitere sechs Jahre weitermachen, mit Masken, regelmäßigem Testen und Quarantänen“, so Massen.
Vor zwei Wochen hatte sich der Präsident der Nationalen Elternvertretung gegen die Einführung einer generellen Maskenpflicht an allen Bildungseinrichtungen ausgesprochen. Er ist der Meinung, dass eine Maskenpflicht stets mit dem lokalen Infektionsgeschehen einhergehen sollte. Aktuell treffe dies allerdings auf ganz Luxemburg zu. Deshalb ergebe die generalisierte Pflicht auch Sinn. Sobald das Infektionsgeschehen zurückgehe, sollte man diese allerdings wieder aufheben, zumindest dort, wo die Zahlen klar rückläufig sind.
Die Problematik der Masken
Insbesondere in den Kompetenzzentren (früher: „Ediff“), wo Schüler sind, die Hörprobleme oder Artikulationsschwierigkeiten haben, sei das Lernen mit Maske sehr schwierig, sagte Massen. Die Zeit, in der eine Maske getragen werde, sollte auf ein Minimum begrenzt werden. Zudem würden rund 50 Prozent der Schüler zu Hause weder Luxemburgisch noch Deutsch sprechen. Beim Erlernen einer Sprache sei es wichtig, das ganze Gesicht zu sehen, um die Aussprache und Artikulation besser wahrnehmen zu können. „Das ist hier in Luxemburg noch viel wichtiger als in anderen Ländern. Wenn nun die Maskenpflicht wieder drei Monate gilt, werden diese Schüler stark benachteiligt, jene mit luxemburgischem Hintergrund dagegen weniger“, so Massen.
Wir sind der Meinung, dass wir Kinder und Jugendliche in Bezug auf die Impfung aufklären und sie ihnen nicht vorenthalten sollten. Eine Impfpflicht aber wäre für uns in dieser Situation nicht tragbar.Präsident der Nationalen Elternvertretung
Auf Nachfrage beim Bildungsministerium teilte uns die Pressesprecherin mit, dass alle Klassenfahrten ins Ausland mit sofortiger Wirkung annulliert wurden. Das Gleiche gelte für Klassenfahrten mit Übernachtung innerhalb Luxemburgs. Ausflüge in Luxemburg ohne Übernachtung seien laut Gilles Baum weiterhin erlaubt. Übernachtungen seien problematisch, weil dort mehrere Schüler ohne Maske in einem Schlafraum zusammen seien. Treten bei Klassenfahrten ins Ausland positive Fälle auf, müssten die Schüler in Quarantäne beziehungsweise Isolation und wären demnach eine Zeit lang im Ferienort blockiert, so Baum.
Zum Thema Impfpflicht für Kinder und Jugendliche sagte Alain Massen, dass eine solche absolut nicht zu vertreten sei. Angesichts der Tatsache, dass das Risiko, dass unter 18-Jährige schwer an Covid erkranken, sehr gering sei, sollte man sich laut Massen die Frage stellen, welchen Mehrwert eine Impfung hier tatsächlich bringen würde. „Wir sind der Meinung, dass wir Kinder und Jugendliche in Bezug auf die Impfung aufklären und sie ihnen nicht vorenthalten sollten. Eine Impfpflicht aber wäre für uns in dieser Situation nicht tragbar.“
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