Presserat-Chef Roger Infalt / „Sobald ein Journalist etwas hinterfragt, hört es meistens auf mit der Kommunikation“
Immer mehr Druck auf Journalisten – dafür aber immer noch kein freier Informationszugang für sie. Die Herausforderungen für den Luxemburger Presserat werden nicht kleiner. Der Journalist Roger Infalt ist neuer Präsident des Luxemburger Presserats und übernimmt für die kommenden zwei Jahre die Leitung des Gremiums. Im Tageblatt-Interview erklärt er, was er vorhat – und ob den Journalisten dieses Landes eines Tages tatsächlich einmal ein Recht auf Auskunft zugesprochen wird.
Tageblatt: Herr Infalt, der fehlende Informationszugang hindert uns Journalisten auch im Jahr 2022 daran, unsere Arbeit zu machen. Die Forderung ist inzwischen so alt, dass sie einen Bart hat. Wie lange kämpfen Sie eigentlich schon dafür?
Roger Infalt: Seit 2008. Damals wurde das Pressegesetz reformiert und die Journalisten wollten, dass der Informationszugang dort einfließt. Damals wurde uns von Regierungsseite gesagt, dass das nicht gehen würde, weil Journalisten dann Vorteile gegenüber „normalen“ Bürgern hätten.
Aber dann kam ja doch etwas Spezielles. Unter anderem das berühmt-berüchtigte „Circulaire Bettel“.
Das macht eigentlich das Gegenteil von dem, was wir als Journalisten wollten – leichteren Zugang zu Informationen. Stattdessen gibt es eine zusätzliche Reglementierung von den Leuten in den Ministerien und der Verwaltung, die mit uns sprechen. Nach dem Circulaire Bettel sprach plötzlich niemand mehr mit Journalisten.
Warum will die Politik nicht, dass die Medien einfacher an Informationen kommen?
Das ist mir komplett schleierhaft. Nach einer Unterredung mit dem zuständigen Chamber-Ausschuss hat uns dessen Präsident ans Herz gelegt, dass wir selbst einen Gesetzestext ausarbeiten lassen sollen. Wir haben dann mit einem Juristen einen Text verfasst und den im Juli 2019 Premierminister Bettel überreicht. Und wir haben ihn an sämtliche Abgeordnete geschickt. Und ich bin maßlos enttäuscht, dass bis heute nicht ein einziger Abgeordneter diesen Vorschlag eingebracht hat – oder dass wenigstens darüber gesprochen wurde. Warum das so ist? Es ist mir schleierhaft. Ich könnte behaupten, dass etwas versteckt werden soll. Aber das scheint zu simpel zu sein. Es gibt wohl andere Gründe – oder keine.
Im Mai des vergangenen Jahres sind Sie vors Staatsministerium gezogen und haben für den Informationszugang demonstriert. Hat das denn nichts gebracht?
Das hat gebracht, dass wir ein paar Monate später ein Treffen mit Staatsminister Bettel hatten. Er sah ein, dass der Informationszugang für Journalisten nicht sehr einfach in Luxemburg ist. Er glaubt aber, dass er mit einer weiteren Circulaire etwas bewirken kann. Dazu sagen wir aber: Das sind zwei Paar Schuhe.
Wieso?
Das eine ist, wann ein Beamter etwas von sich aus sagen darf oder wann er einen Vorgesetzten fragen muss, ob er mit der Presse reden darf. Das andere ist etwas ganz anderes. Wenn ein Journalist beispielsweise bei einer Gemeinde anfragt, wie viele Flüchtlinge dort untergekommen sind. Dann bekommt er zuerst die Antwort, dass nachgefragt werden muss, ob das an die Presse weitergegeben werden darf. Darüber beklagen sich sehr viele Journalisten, dass sie bei Fragen nach normalen Zahlen, Statistiken oder Plänen– die fertig auf dem Tisch liegen! – immer die Antwort bekommen: Ich muss erst fragen, ob ich mit der Presse reden darf. Das kann nicht sein. Da ist Luxemburg weit hinten. Es gibt nur zwei Länder in Europa, in denen es sowas gibt. Luxemburg und Malta.
Dabei kommunizieren die Behörden doch so gerne.
Kommunizieren ist die eine Sache. Man erzählt ja gerne etwas. Aber sobald ein Journalist etwas hinterfragt, hört es in den allermeisten Fällen auf mit der Kommunikation. In dem Moment, in dem man Fragen stellt, hat man schon das Gefühl, dass man stört. Ich denke, dass das auf Regierungsebene in vielen Ländern so ist, aber mit Sicherheit nicht bei den Verwaltungen. Wenn ich zum Beispiel von der Polizei in Luxemburg etwas über einen Unfall an der deutschen Grenze wissen möchte, dann muss ich über ein Pressebüro und bekomme dort gesagt: „Das dürfen wir nicht sagen.“ Dann rufe ich bei der Polizei in Trier an, da gibt es eine Pressestelle, die mir bis ins Detail erzählt, was passiert ist. Dort weiß man meines Erachtens besser, was ein Journalist braucht und wie weit man gehen darf. In Luxemburg tut man sich damit sehr schwer. Es gibt Einzelfälle, da wissen Pressesprecher, was sie zu tun haben – aber in den meisten Fällen sind die Kommunikationsleute bei den Behörden keine Pressesprecher, sondern PR-Leute. Sie sind dafür da, dass nach außen kommuniziert wird, was das betreffende Ministerium oder die betreffende Verwaltung gerne nach außen kommuniziert hätte. Aber sie lassen keine Fragen zu.
Wieso ändert die Regierung das alles nicht einfach?
Warum das alles nicht geschieht, bei einer Regierung, die es sich auf die Fahnen geschrieben hat, transparent zu sein, die Fenster zu öffnen und alles durchzulüften – ich kann darauf keine Antwort geben. Es gibt immer einen Grund, der vorgeschoben wird, dass es im Moment nicht gut wäre, das Pressegesetz aufzumachen. Aber das Gesetz hätte eigentlich schon bei den neuen Regelungen zur Pressehilfe aufgemacht werden müssen, alleine schon wegen der Definition des Journalisten.
Was stört Sie an der Definition?
Journalist ist man dann, wenn der Verleger sagt, man ist Journalist. Für die Kommission für die Pressehilfe ist es da schwer, Entscheidungen zu treffen. Wir als Presserat geben die Pressekarten aus, aber haben dafür keine gesetzliche Basis. Jetzt gibt es pro Pressekarte einen Betrag von 30.000 Euro im Jahr. Die Summe ist zwar gedeckelt, aber die meisten haben versucht, so viele Pressekarten wie möglich zu bekommen.
Soll man die Pressehilfe anders gestalten?
Insgesamt ist sie sehr wertvoll für die Luxemburger Presselandschaft. Wir haben eine recht kleine Zahl von potenziellen Lesern oder Zuschauern. Es geht bei der Pressehilfe auch darum, dass wir keine Monopolstellung eines Mediums bekommen, es geht um Medienpluralismus – und der wird damit sicherlich abgesichert. Aber die Definition des Journalisten, die müsste man so schnell wie möglich ändern. Im Moment steht da: Journalist ist, der journalistische Arbeit macht.
Im vergangenen Jahr gab es vermehrt Angriffe und Drohungen gegen Journalisten. Der ADR-Politiker Roy Reding hat sogar die private Telefonnummer eines Tageblatt-Journalisten veröffentlicht.
Das hat eine neue Qualität. Das Justizministerium arbeitet an einem Gesetz, das unter Strafe stellen soll, wenn Privatadressen von Polizisten, Journalisten oder Politikern veröffentlicht werden, um ihnen zu schaden. Auf den Demos selbst, wie die Journalisten da behandelt wurden, das gab es früher auch. Aber auch dem muss irgendwo ein Riegel vorgeschoben werden.
Journalisten werden immer öfter verklagt – auch in Luxemburg.
Die sogenannten Slapp-Klagen. Das ist jetzt irgendwie modern geworden. Wenn man einen Journalisten ruhig stellen möchte für eine gewisse Zeit, dann macht man einfach eine Klage gegen ihn. Den Leuten, die das machen, ist es egal, ob sie einem Anwalt nachher 3.000 oder 4.000 Euro aus der Kaffeekasse bezahlen. Und der Journalist hat einen Schuss vor den Bug bekommen. Es geht darum, Journalisten einzuschüchtern – und das kann nicht hingenommen werden.
Was halten Sie denn von dem neuen Deontologie-Kodex für Regierungsmitglieder? Ist das ein Schritt in Richtung Transparenz?
Das ist schonmal gut gemeint. Aber man muss natürlich zwei Jahre abwarten, um Bilanz zu ziehen, ob der Kodex wirklich eingehalten wird. Wieso Immobilienbesitz nicht veröffentlicht werden muss, verstehe ich nicht. Das entzieht sich meiner Kenntnisse.
Was haben Sie sich als wichtigstes Ziel für Ihre Präsidentschaft gesetzt?
Wir haben eine Reihe von Dossiers offenstehen. Aus- und Weiterbildung, Whistleblower-Schutz, Informationszugang – da sind Dossiers, die seit Jahren offenstehen und die müssen einfach irgendwann geschlossen werden. Ich weiß jetzt schon, dass ich nicht alle Ziele erreichen werde. Aber ich werde nicht aufgeben, daran weiterzuarbeiten.
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