Deutschland / Söder, Merz und die K-Frage: Fernduell mit Sommerinterviews zwischen den Unionschefs
Sie belauern sich – und der eine kann, anders als der andere, von Sticheleien nicht lassen: Die parallelen Sommerinterviews von CSU-Chef Markus Söder und CDU-Vorsitzender Friedrich Merz gewähren Einblicke, wie es um die K-Frage steht.
„Schon vorbei? Schade“, sagt Markus Söder, während im Hintergrund der Ammersee plätschert und die Vöglein zwitschern. Gemeint ist das ZDF-Sommerinterview. Der CSU-Chef kann aber auch sonst nie genug kriegen von Aufmerksamkeit in den sozialen Netzwerken, von Auftritten im TV mit Schnaps und Singsang, vor allem vom politischen Taktieren in eigener Sache. Im Interview-Fernduell mit Friedrich Merz am Sonntagabend geht es daher nicht nur, aber auch um Ambitionen.
Söder spricht über Rückführungen nach Afghanistan, er fordert die Beibehaltung der Grenzkontrollen, die Innenministerin Faeser zur Fußball-EM erlassen hat, er sagt, es sei ein „schwerer Fehler, Bürgergeld für ukrainische Menschen zu bezahlen“. Ganz der Bundespolitiker. Überraschenderweise ist die K-Frage kein Thema in dem Gespräch. Muss sie auch nicht sein, weil doch jeder weiß, dass Söder lauert und er die Debatte selber immer wieder anfeuert.
Zuletzt als er anmerkte, würde der CDU-Chef ihn bitten, würde er sich das mit einer Kandidatur noch mal überlegen. Im Merz-Lager registriert man solche und andere Äußerungen genau – keiner traut dem Bayern über den Weg. Merz selber wohl auch nicht. Oft schiebt der Sauerländer ein leichtes Grinsen nach, wenn er sagt, mit Söder arbeite er „eng und freundschaftlich zusammen“. An diesem Sonntagabend ist das wieder der Fall, als Merz an der Berliner Spree sitzt und der ARD sein Sommerinterview gibt – etwas früher als Söders flimmert es über den Bildschirm.
Wichtige Landtagswahlen
Nach außen beschwört man gerne die gemeinsame Linie. „Wir werden im Spätsommer einen Vorschlag machen und dann werden die beiden Parteivorstände von CDU und CSU das entscheiden“ – einvernehmlich, betont Merz. Auch werde man sich die „Gesamtlage der Union“ ansehen, weil vorher drei wichtige Landtagswahlen im Osten stattfinden werden. In Sachsen, Thüringen und Brandenburg geht es im September für die CDU und für Merz um viel. Man will einen Ministerpräsidenten behalten (Sachsen), möglichst einen hinzugewinnen (Thüringen). Gelänge dies, wäre Merz in Sachen K-Frage durch. Im Interview hebt er ausdrücklich hervor, die Landesverbände würden entscheiden, ob sie mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht koalieren wollen. Das ist taktisch klug, eine andere Wahl hat er aber auch nicht.
Merz ist in der Union weitestgehend unangefochten, einen verbalen Fauxpas hat er sich schon lange nicht mehr geleistet. Insider wissen freilich: Die Wahlausgänge im Osten könnten Söders Einfallstor sein, um vielleicht doch noch eine Chance auf die Kanzlerkandidatur zu haben. Oder aber, um dann die Preise der CSU nach oben zu treiben. Für eine Unterstützung von Merz, für spätere Koalitionsverhandlungen sowie eine Regierungsbildung. Deswegen stichelt Söder auch, wann immer er kann. Oder er lässt sticheln und lancieren. Im ZDF bekommt der Ministerpräsident dazu jedoch kaum Gelegenheit. Freilich sagt er: „Dieses Berlin ist doch häufig eine Blase. Das hat doch gar nicht mehr viel mit der Realität der Menschen zu tun.“ Zu diesem Berlin gehört ebenso: Merz.
Keine echte Eintracht
Auch Söders Anti-Grünen-Kurs hat viel mit dem CDU-Chef zu tun. Neulich hieß es, es habe schon ein Geheimtreffen von Merz und Robert Habeck gegeben, dem potenziellen Kanzlerkandidaten der Grünen. Im ARD-Interview wehrt Merz klar ab, er habe Habeck in diesem Jahr nur einmal persönlich getroffen und das im Juni bei einer Illner-Talksendung. Beide verstehen sich gut, anders als Söder und Habeck. In der CDU wird nun spekuliert, wer diesen „Unsinn“ wohl verbreitet haben könnte. Söders Leute? Der Bayer lehnt eine Zusammenarbeit mit den Grünen kategorisch ab und ist sich sicher, damit den Nerv vieler in den Unionsparteien zu treffen und gegen Merz punkten zu können. Der CDU-Vorsitzende hingegen hält sich eine Kooperation wieder offen, weil er weiß, dass er die Grünen nach der Bundestagswahl benötigen könnte.
Und nun? Albrecht von Lucke, Politikwissenschaftler und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik, glaubt, die parallelen Sommerinterviews seien „gleichermaßen Schaulaufen für eine mögliche Kanzlerkandidatur wie wechselseitiges Sich-Belauern“ gewesen. Merz, so von Lucke zum Tageblatt, versuche bewusst gegen sein Image zu arbeiten, „gegen seinen Ruf zu großer Impulsivität und Sprunghaftigkeit“. Söder hingegen könne „gar nicht anders, als auf Fehler seines Konkurrenten zu lauern und diese gegebenenfalls eiskalt auszunutzen“. Fazit des Experten: „Für echte Eintracht ist die Konkurrenz zwischen diesen beiden Alphatieren viel zu groß.“ Die K-Frage – sie bleibt also spannend.
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