Weltraum / „Solar Orbiter“ liefert einzigartige Bilder von der Sonne
Die Europäische Weltraumorganisation (ESA) hat am Donnerstag die ersten Bilder der Weltraumsonde „Solar Orbiter“ veröffentlicht. Die Bilder, die so nah am Stern aufgenommen wurden wie kein Foto jemals zuvor, zeigen noch nie zuvor beobachtete Phänomene, die dabei helfen können, der Sonne ihre Geheimnisse zu entlocken.
Bei einer Online-Pressekonferenz enthüllten Forschende der ESA und der NASA am Donnerstag gemeinsam die ersten Aufnahmen des „Solar Orbiter“. Die Bilder wurden aus so kurzer Distanz aufgenommen wie keine Bilder von der Sonne je zuvor. Die Raumsonde hat sich im Februar aufgemacht, die Sonne zu erforschen. Bereits während ihrer Testphase hat sie beeindruckende Bilder geliefert. Darauf zu sehen sind Phänomene, die bislang noch nie beobachtet worden sind. Die Forscher haben sie auf den Namen „Campfire“ (dt.: Lagerfeuer) getauft.
„Wir hatten gar keine Erwartungen“, sagte David Berghmans. Die Qualität der Bilder aus dem Testlauf hätten ihn positiv überrascht. Die Bilder stammten von einer Region der Korona, in der eigentlich nicht viel Aktivität herrschen sollte. „Es ist unglaublich, wie viel dort vor sich geht“, sagte Berghmans. Für viele der Phänomene, die die Forscher zum ersten Mal beobachten konnten, gab es bislang keine Bezeichnungen. Also hätten die Forscher angefangen, ihnen Namen wie „Geister“ oder „Lagerfeuer“ zu geben. Bei diesen Lagerfeuern handelt es sich um kleine Eruptionen.
Noch seien die Beobachtungen nicht „wissenschaftlich“, erklärte Daniel Müller. Immerhin befand sich Solar Orbiter noch in seiner Testphase. Ersten Vermutungen zufolge werden die „Lagerfeuer“ allerdings durch Veränderungen im Magnetfeld der Sonne ausgelöst.
Sonnenrätsel
Als Korona bezeichnet man die Atmosphäre der Sonne – die äußere Schicht des Gestirns. Sie hat eine deutlich geringere Dichte als die darunter liegende Chromosphäre. Allerdings: Die Korona ist deutlich heißer als die eigentliche Sonnenoberfläche. Die Forscher hoffen nun, dass die „Lagerfeuer“ dabei helfen, dieses Rätsel zu lösen. „Das ist so wie Feuer, das heißer wird, je weiter man sich davon wegbewegt“, sagte Müller. Es gibt unterschiedliche Theorien, wie sich dieser seltsame Sachverhalt erklären lässt. Die meisten davon haben etwas mit dem Magnetfeld der Sonne zu tun. Bislang gilt keine der Theorien als gesichert.
Die Mission steht erst am Anfang. Die ersten Bilder wurden aus einer Distanz von 0,5 AU (Astronomische Einheiten/ca. 77 Mio. km) aufgenommen. Die Sonde soll aber noch weiter, bis auf die halbe Distanz, an die Sonne herankommen. Dann erhoffen sich die Forscher noch bessere Bilder. Zum einen durch die geringere Entfernung, zum anderen seien bis dahin die Instrumente der Sonde besser konfiguriert, hieß es in der Pressekonferenz.
Um sich vor der Hitze der Sonne zu schützen, besitzt die Sonde einen Schutzschild mit Türen, die sich für die Instrumente öffnen können. Die einzelnen Instrumente sind jedes noch einmal auf seine eigene Weise gegen die Hitze geschützt.
Erste Bilder von den Polen
Gegenüber Teleskopen auf der Erde und im Orbit hat Solar Orbiter nicht nur den Vorteil, näher an die Sonne heranfliegen zu können. Die Sonde wird sich langsam, aber sicher aus der Scheibenebene, auf der die Planeten kreisen (Ekliptik) herausbewegen, wie NASA-Wissenschaftlerin Holly Gilbert erklärte. Zum ersten Mal in der Geschichte wird man einen Blick auf die Pole der Sonne werfen können. Diese sind bislang Terra incognita.
„Wir wissen nicht genau, wie das Magnetfeld der Sonne produziert wird“, sagte Sami Solanki vom deutschen Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung. „Wir glauben, es handelt sich um einen Dynamo, ähnlich der Erde, aber wir wissen es nicht.“ Er hofft, durch die Erforschung der Sonnenpole mehr darüber zu erfahren.
Solar Orbiter hat noch viele Jahre Arbeit vor sich. Ab 2025 soll sie einen Winkel zur Ekliptik erreicht haben, der erste Blicke auf die Pole der Sonne ermöglicht. Die Sonde wurde für einen Betrieb von zehn Jahren entworfen. Dabei spielen zwei Faktoren eine Rolle: zum einen der Treibstoff, zum anderen die Abnutzung durch das, was die Sonne ihr entgegenwirft. Das Aussetzen der Sonde im Weltall sei allerdings so erfolgreich gewesen, dass keine Kurskorrekturen nötig waren, hieß es am Donnerstag. Dadurch habe die Sonde eine Menge Treibstoff gespart. Um sich der Sonne anzunähern, nutzt die Sonde die Schwerkraft der Venus („gravity assist maneuvers“).
Parker ist näher
Die Sonne erhält derzeit immer mehr Besuch. 2018 war die Parker Solar Probe ins Weltall gestartet, um in die Korona der Sonne zu tauchen. Damit fliegt Parker Solar Probe zwar wesentlich näher an die Sonne heran als Solar Orbiter, hat jedoch keine Kamera auf sie gerichtet. Parker hat lediglich eine Kamera, die von der Sonne weg zeigt, wie Holly Gilbert erklärt.
Der Start des Solar Orbiter stand unter keinem guten Stern. Der Start im Februar wurde überschattet von der Corona-Epidemie. Die Wissenschaftler mussten mit zahlreichen Einschränkungen leben. So durften zum Beispiel nur jeweils zwei Ingenieure gleichzeitig den Kontrollraum im Deutschland betreten und viele Arbeiten mussten aus dem Home-Office heraus erledigt werden.
Solar Orbiter wurde von Airbus Defence and Space gebaut und am 10. Februar an Bord einer Atlas V von Cape Canaveral aus in den Weltraum geschossen. Die Instrumente operieren im sichtbaren, ultravioletten Bereich des Lichtes und können Röntgenstrahlen aufzeichnen. Die Sonde ist ein gemeinsames Projekt von NASA und ESA.
Die ESA
Die Europäische Weltraumbehörde (ESA/European Space Agency) ist eine internationale Organisation mit Sitz in Paris. Sie wurde 1975 gegründet, um die europäischen Raumfahrtaktivitäten besser zu koordinieren und um gegenüber den USA und der Sowjetunion gleichberechtigt auftreten zu können. Luxemburg ist seit 2005 Mitglied der ESA. Luxemburg hat mit 19,9 Millionen Euro zum diesjährigen Budget der ESA beigetragen. Private Unternehmen wie der luxemburgische Satellitenbetreiber SES arbeiten in der Forschung mit der ESA zusammen. Das Spezialgebiet der europäischen Aktivitäten im Weltall ist die Erdobservation. Dabei werden zum Beispiel Daten über Umwelt und Klima gesammelt. Aber auch die Erforschung des Sonnensystems gehört zu ihren Aufgaben, wie am Beispiel des Solar Orbiter deutlich wird.
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