Echternach nach der Flut / Solidarität, Hoffnung und Existenzängste
Das Hochwasser vergangene Woche hat Echternach arg getroffen. Fünf Tage später ist vieles geräumt und gesäubert. Aber längst nicht alle Schäden sind behoben, wie sich am Dienstag bei einem Besuch vor Ort zeigte. Geschäfts- und Privatleute hoffen auf schnelle finanzielle Hilfe von Versicherungen, Staat und Gemeinde. In der Zwischenzeit legen sie die Hände jedoch nicht in den Schoss. Gemeinsam will man durch die Krise.
Solange scheint sich an der Sonne und am blauen Himmel zu erfreuen. Gelassen sitzt die Frau auf einer der Holzbänke und beobachtet das Leben auf dem Marktplatz. Vor allem die Kinder hat sie im Blick.
Touristen mit Mietfahrrädern kommen an, andere parken gerade ihre schweren Motorräder. Automobilisten haben es schwerer. Auf den zahlreichen Terrassen der Cafés und Restaurants sind einige Menschen noch beim Apéro, andere bereits beim Dessert. Eine gewisse sommerliche Leichtigkeit liegt in der Luft, so wie es sich für eine touristischen Hochburg des Landes geziemt.
Es ist Dienstag, 20. Juli, kurz nach ein Uhr Mittag. Im Gegensatz zu der einen oder anderen Touristengruppe weiß Solange, was am vergangenen Donnerstag hier in der Stadt los war. Sie weiß, warum die Apotheke am Platz immer noch geschlossen hat, warum mancherorts ein bräunlicher Film auf Wiese und Stein liegt. „So ein Hochwasser mitten in der Stadt habe ich noch nie gesehen“, sagt sie. Nein, sie möchte eigentlich nicht gerne fotografiert werden. Sie lächelt freundlich, stützt sich auf ihren Rollator und zieht von dannen.
„Noch viel Schlamm“
Fünf Tage nach den verheerenden Überschwemmungen sieht es in Echternach auf den ersten Blick eigentlich recht normal aus. Bei genauerem Hinsehen aber offenbart sich schnell das Ausmaß der Katastrophe.
Die Spuren der Verwüstung sind allgegenwärtig. Auf den Bürgersteigen entlang der Straßen im Zentrum, nahe dem Parkplatz „A Kack“ oder im Innenhof der Abtei zum Beispiel. Überall liegen kleinere und größere Haufen Müll – von Maschinen oder fleißigen Helfern zusammengekehrt. Alles, was eine Überschwemmung so mitreißen oder zerstören kann und dann achtlos liegen lässt. Schmutzig und nicht mehr zu gebrauchen. Nun wird es in Container und auf Lastwagen gepackt und abtransportiert.
Noch ist am Dienstagnachmittag bei weitem nicht alles weggeräumt. Vor allem nicht im weitläufigen Innenhof der Abtei und aus den angrenzenden Gebäuden. „Drinnen ist noch viel Schlamm“, sagt Fernanda, eine der Helferinnen. Ihren Kollegen und Kolleginnen schleppen allerlei Gegenstände aus den Räumen. Einige davon scheinen durchaus noch zu gebrauchen zu sein. Sie werden grob gesäubert und zur Seite gestellt. Stühle zum Beispiel oder Tische. Mit Wasser und einem Lappen werden auch Plastikflaschen gereinigt, die irgendein Reinigungsmittel enthalten. Das wird ganz sicher noch gebraucht, im Gegensatz zu den Büchern und Zeitschriften, die in einer Ecke liegen.
Große Spendenbereitschaft
Das Geräusch von Wasserpumpen ist omnipräsent. Übertönt wird es ab und an von Baggern, einem riesigen Schlammsauger oder von den voll beladenen Lastwagen, welche die Stadt in Richtung Deponie verlassen. Auch die Armee ist am Dienstag noch im Einsatz und packt überall mit an, wo starke Hände benötigt werden.
Mitten im historischen Zentrum der Stadt, direkt gegenüber der Abtei, befindet sich das Trifolion, eine Veranstaltungs- und Begegnungsstätte. Im Hauptsaal herrscht emsiges Treiben. Grund dafür ist der Auftritt der Schweizer Künstlerin Sophie Hunger am Abend. Aufgrund der Überschwemmungen musste das Konzert vom Abteihof ins Trifolion verlegt werden.
Die regionale Musikschule befindet sich ebenfalls in dem Gebäude. Von der um diese Jahreszeit üblichen Sommerferienruhe ist nichts zu spüren. Das liegt daran, dass in einem der größeren Räume die Schuhe und Kleider untergebracht sind, die im Rahmen der Flutkatastrophe gespendet wurden. Die Auswahl ist riesig. Ein Paar Rollerblades sind am Dienstag auch noch im Angebot. Gratis natürlich! Sicherlich werden sie bald einen Abnehmer finden, genau wie Bücher oder Spielzeug. Letzteres wohl eher. Die Winterjacken aber werden bestimmt etwas länger ausharren müssen. Obwohl, sie kosten nichts und der nächste Winter kommt bestimmt.
Nur wenige Schritte vom Trifolion entfernt, in der rue de la Gare, der Hauptgeschäftsstraße von Echternach, möchte man von widrigen Wetterbedingungen aber jetzt garantiert nichts wissen. Wo nun wieder Menschen flanieren oder auf einer der vielen Terrassen sitzen und scheinbar unbeschwert lachen, brauchte man vor wenigen Tagen noch ein Schlauchboot, um durchzukommen.
„Zweigeteiltes Echternach“
In einem Herrenbekleidungsgeschäft werden neue Fliesen verlegt. „Durch das Hochwasser wurde der Boden beschädigt“, sagt einer der Arbeiter. Viel Zeit zum Reden hat er nicht: „Wir müssen vorankommen.“ Im gegenüberliegenden „De Philosoff“ scheint man guter Laune. Vor Jahren wurde das traditionsreichste Café der Altstadt ein Raub der Flammen. Jetzt hatte man nur wenige Zentimeter Wasser im Keller stehen, sagt die Frau am Tresen. „Nicht wirklich schlimm, im Gegensatz zu anderen!“
Silke Müller, eine der Verantwortlichen des lokalen Geschäftsverbandes, ist am Dienstagnachmittag ebenfalls im Zentrum unterwegs. Sie wird von Mittelstands- und Tourismusminister Lex Delles begleitet. Die Situation sei immer noch ziemlich angespannt, sagt sie: „Echternach ist zweigeteilt. Im einen Teil denkt man, es sei nichts passiert, der andere ist zerstört – meiner Meinung nach. Viele Geschäfts- und Privatleute wissen nicht, wie es jetzt weitergehen soll, während andere mit einem blauen Auge davongekommen sind.“ Insgesamt sei das keine glückliche Situation für die Stadt Echternach, weil das Gesamtbild getrübt sei. Einige Geschäfte würden nicht mehr öffnen, hört man.
Hilfe werde dringend benötigt, gibt Silke Müller zu verstehen. Hilfe erwartet sie sich auch von Minister Delles und seinen Regierungskollegen: „Dass schnell und unkonventionell geholfen wird und auch, dass den Menschen Mut gemacht wird, wieder durchzustarten.“ Die Moral liege am Boden, sagt sie: „Besonders bei jenen, die ihre Ware in der Flut verloren haben.“ Hinzu komme, dass angeblich nicht alle Geschäftsleute wirklich optimal versichert seien.
Viel Solidarität
Man darf sich nicht unterkriegen lassen und nach vorne schauen, so die Vertreterin des Geschäftsverbandes. Sie weist aber noch ausdrücklich auf die starke Solidarität der vergangenen Tage hin: „Die gilt es zu bewahren.“
Minister Lex Delles zeigt Verständnis für die schwierige Lage. Die Flut nach Corona sei eine Naturkatastrophe, da seien einige staatliche Hilfen vorgesehen. Es komme natürlich darauf an, so schnell wie möglich die finanziellen Mittel auszuzahlen, damit die Betriebe wieder arbeiten können. „Dazu gehört allerdings auch, dass die Gutachten der Versicherungsexperten sowie die Anträge für Schadensersatz schnellstmöglich eingereicht werden“, sagt Delles. Er ist als Mittelstandminister nach Echternach gekommen, aber auch als zuständiger Minister für Tourismus. In dem Bereich habe die Saison gut begonnen, sagt er. „Die Flut ist ein Rückschlag, aber keiner, von dem man sich unterkriegen lassen soll.“ In der Tat sei es jetzt wichtig, zusammenzustehen.
Solidarität wurde und wird in Echternach großgeschrieben, auf allen Ebenen, das sagt auch Enrico. Er selbst und seine Familie haben am vergangenen Donnerstag einen befreundeten vierköpfigen Haushalt aufgenommen, als das Wasser dessen Haus überschwemmte. Die Familie gehöre zu jenen 230, die umquartiert werden mussten, sagt Bürgermeister Yves Wengler. Um 150 von ihnen sorgte sich die Gemeinde. Die anderen kamen bei Freunden oder Familie unter.
In der Zwischenzeit seien die meisten zurück in ihren Häusern. Etwa 10 Prozent der Wohnungen seien zurzeit noch nicht bewohnbar, „aber das wird schon wieder“, so Wengler. Unreparierbar seien die Schäden nicht.
Sondersitzung des Gemeinderates
Die Instandsetzung insgesamt werde teuer. Daran lässt der Bürgermeister keinen Zweifel. Deshalb komme auch am nächsten Montag der Gemeinderat zu einer Sondersitzung zusammen. „Wir müssen im Haushaltsplan einige Artikel hinzufügen. Für die Entsorgungskosten, für die finanzielle kommunale Direkthilfe an Bedürftige sowie drittens für die Reparaturen der erheblichen Schäden an Straßen, Brücken und Kläranlage.“
Mit Blick auf Deutschland und Belgien ist Wengler allerdings froh, dass in Luxemburg keine Menschenleben zu beklagen sind.
„Kann ich eine Einladung mitgeben?“, fragt Silke Müller. „Für unsere große Braderie am 20., 21. und 22. August.“ Das Datum kann man sich in der Tat merken. Um sich selber ein Bild davon zu machen, wie die Schäden der Flut gemeistert wurden. Vielleicht aber auch einfach nur, um den Kampfgeist der Echternacher zu unterstützen. Dazu muss man aber nicht unbedingt bis Ende August warten. Die Menschen in der Abteistadt würden sich auf einen Besuch freuen. Willibrord auch!
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Kennt net bei dem Muell direkt een Tri gemaach ginn ?
Holz, Plastik, Metall, . . .