Sicherheitsverfahren / SOS – Wie reagiert Luxemburg bei Brand- und Explosionsgefahr?
Ein markanter Geruch macht sich breit, und dann: ein eindringliches Piepen. Der Rauch verdichtet sich. Es wird heißer und das Atmen zunehmend schwieriger – das Gebäude, in dem Sie sich befinden, steht in Flammen. Was tun Sie? Das CGDIS erklärt dem Tageblatt, wie sich Betroffene in solchen Situation verhalten sollen und wie die Rettungskräfte vorgehen. Sollte es hart auf hart kommen, können sogar das Staats- und Innenministerium involviert und der nationale Notfallplan eingeleitet werden.
Horrorbilder aus der Ukraine prägen seit über zwei Monaten die Medienwelt: Bilder der immensen Kriegsmaschinerie, Bilder von Toten, von zerstörten Städten und Gebäuden. Rettungskräfte, die verletzte oder feststeckende Menschen aus diesen von Bomben oder Raketen zerstörten Gebäuden befreien. Das Tageblatt hat sich dahingehend beim „Corps grand-ducal d´incendie et de secours“ (CGDIS), beim Staats- sowie Innenministerium informiert, wie Luxemburgs Rettungskräfte in potenziell gefährlichen Situationen vorgehen und was der Notfallplan vorsieht.
Wie soll ich bei Gefahr vorgehen?
Ablauf eines Notrufs
Nachdem Sie den Notruf gewählt haben, wird ein Mitarbeiter folgende Fragen stellen:
– Wo hat sich der Vorfall ereignet?
Eine genaue Lokalisierung des Ortes, an dem sich der Vorfall ereignet hat, ist für das schnelle Eintreffen der Rettungskräfte von entscheidender Bedeutung.
– Wie lautet Ihr Name?
– Was ist passiert?
Der 112-Mitarbeiter stellt diesbezüglich eine Reihe spezifischer Fragen.
Bleiben Sie am Telefon und befolgen Sie aufmerksam die Anweisungen, bis der Telefonist aufgelegt hat.
Quelle: Corps grand-ducal d’incendie et de secours/112.public.lu
Steht ein Gebäude in Flammen, so soll man sich laut einem Sprecher des CGDIS zuerst selbst in Sicherheit bringen: Also die Gefahrenzone evakuieren und sämtliche Türen hinter sich schließen. Es gilt jedoch, zu beachten, dass sich diese Sicherheitsanweisungen nur schwer pauschalisieren lassen: Im Fall einer Bombardierung könnte es beispielsweise sicherer sein, deren Ende noch abzuwarten und erst danach das Gebäude zu evakuieren – jedoch ohne Garantie.
Nachdem man sich in Sicherheit gebracht hat, soll man umgehend den Notruf (112) wählen. Anschließend solle man Betroffene warnen und ihnen beim Evakuieren helfen – im Rahmen des Möglichen und ohne sich dabei selbst zu gefährden. Beim Eintreffen der Rettungskräfte solle man diese über den Stand der Dinge informieren und deren Anweisungen, sowie jenen der Polizei, Folge leisten.
Einleitung des nationalen Notfallplans
Im Falle einer Explosion oder bei einer bestehenden Gefahr durch eine Bombe (etwa durch eine alte Weltkriegsbombe) sollen sich die Einsatzkräfte grundsätzlich an eine vorgegebene Checkliste halten. So werden Schritt für Schritt mögliche Gefahren analysiert, wodurch die Rettungskräfte ihre eigene Sicherheit gewährleisten sollen – was grundsätzlich in jedem Einsatz vorrangig ist. Die Brandbekämpfung an sich würde jedoch nicht anders gehandhabt als andere Brände auch.
Checkliste
Hier nur einige Punkte der Checkliste, die die Sicherheitskräfte während eines Einsatzes beachten müssen:
– Wurde Sprengstoff ausgelöst?
– Wurden schädliche Stoffe ausgelöst – etwa durch einen chemischen Angriff?
– Ist die Stabilität des Gebäudes beeinträchtigt?
– Können/werden weitere Attacken folgen?
– Sind der Strom und das Gas ausgeschaltet?
Oberste Priorität fürs CGDIS hat die Menschenrettung, so der Sprecher des Rettungsdiensts. Sollte es zu einer hohen Zahl von Verletzten kommen, wird das CGDIS den Notfallplan NOVI („Nombreuses victimes“) auslösen, woraufhin der nationale Krisenstab einberufen werden kann – normalerweise vom Innenminister.
Bei einem Vorfall, der gar auf einen terroristischen Hintergrund schließen lässt, wird außerdem der nationale Wachsamskeitsplan zum Schutz gegen terroristische Aktivitäten, der „Plan Vigilnat“, angewendet. Das teilen das Innen- und das Staatsministerium in einem gemeinsamen Antwortschreiben an das Tageblatt mit. In diesem Fall wird der Krisenstab jedoch vom Premierminister einberufen, der dann im nationalen Krisenzentrum in Senningen zusammenkommt.
LINK Notfallplan „Nombreuses Victimes“
Vergangene Aktivierungen
Sollte der Notfallplan NOVI aktiviert werden, werden die Einwohner Luxemburgs von der Regierung, den Medien und über die Webseite infocrise.lu informiert, geht aus dem entsprechenden Dokument hervor. Zudem werde eine Telefonverbindung eingerichtet, die einen direkten Kontakt zwischen Bevölkerung und öffentlichen Behörden ermöglicht (Tel.: 8002 7788).
Der Notfallplan wird in der Regel ab der Zahl von zehn verletzten Personen ausgelöst, heißt es in dem Antwortschreiben der beiden Ministerien. Allerdings würden „verschiedene Umstände“ es auch erlauben, den Plan bei einer geringeren Opferzahl zu aktivieren – oder auch präventiv.
Tatsächlich wurde der Plan „Nombreuses victimes“ bereits mehrmals aktiviert – das letzte Mal bei einem Zugunfall in Düdelingen am 14. Februar 2017. Davor wurde der NOVI auch präventiv bei einem Bombenfund bei ArcelorMittel im Juni 2016 eingeleitet sowie bei verschiedenen Zug- und Flugunfällen bzw. Attentaten, teilen die beiden Ministerien mit. Diese Fälle wurden auch in dem 452-seitigen „Plan national d’organisation des secours“ festgehalten.
LINK „Plan national d’organisation des secours“
Ein geübtes Auge zur Erkennung von Gefahren
Der Krisenstab trifft sämtliche politischen und strategischen Entscheidungen. Die taktisch-operativen, wie etwa die Koordination der Einsatzkräfte oder die Prioritätensetzung bei der Schadensbekämpfung, obliegen jedoch der Einsatzleitung des CGDIS. Feuerwehrleute werden von Beginn an darauf geschult, Gefahren und Risiken in Notfallsituationen richtig zu erkennen, teilt der CGDIS-Sprecher mit. Da jeder Einsatz anders ist, seien die Einsatzkräfte darin geübt, ihre Taktik stets an die sich ihnen bietende Lage anzupassen.
Emergency Response Coordination Centre (ERCC)
Das Koordinierungszentrum für Notfallmaßnahmen wird auf der Internetseite der Europäischen Kommission als Herzstück des EU-Katastrophenschutzverfahrens beschrieben. „Das Zentrum koordiniert die Bereitstellung von Hilfsgütern, Fachwissen, Katastrophenschutzteams und Spezialausrüstung für Länder, die von einer Katastrophe betroffen sind. Das ERCC kann jedem Land innerhalb oder außerhalb der EU, das von einer Katastrophe größeren Ausmaßes betroffen ist, auf Ersuchen der nationalen Behörden oder einer UN-Einrichtung helfen“, heißt es dort.
Quelle: Europäische Kommission
„Eine spezifische Schulung zu Bombenangriffen haben wir nicht“, sagt der CGDIS-Sprecher. Demnach würden die Rettungskräfte bei Bränden stets ihr Standardmaterial benutzen – auch bei etwaigen Bombenexplosionen, denn: „Brandbekämpfung bleibt Brandbekämpfung“.
Um die Stabilität der beschädigten Gebäude besser einschätzen zu können, würden Spezialisten herangezogen. Gebäudeevakuierungen würden in der Regel Hand in Hand mit der Polizei koordiniert. Darüber hinaus bestehe auch die Möglichkeit, internationale Hilfe zu beantragen. Der Pressesprecher nennt in dem Zusammenhang den ERCC-Mechanismus.
Die „Inspection du travail et des mines“ definiert die in Luxemburg geltenden Brandschutzvorschriften. „Größere, beziehungsweise höhere Gebäude verfügen auch gleichzeitig über mehr Evakuierungswege“, so der Pressesprecher. So könnten sich Menschen dennoch in Sicherheit begeben, auch wenn z.B. eine Gebäudeseite in Flammen stehe.
LINK Vorschriften zur Brandverhütung der „Inspection du travail et des mines“
Über alte Weltkriegsbomben
Auch wenn Luxemburg keine imminente Gefahr durch zerstörerische Raketen droht, so kommt es doch immer mal vor, dass alte Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg auftauchen. Der letzte Vorfall ist gar nicht so lange her: Am 28. Februar 2022 wurde bei Erweiterungsarbeiten am Luxemburger Bahnhof in der Nähe des Pont Buchler eine Fliegerbombe entdeckt. Büros und Wohnungen rund um den Fundort der Bombe wurden umgehend evakuiert und ein Sicherheitsperimeter zwischen 350 und 500 Metern eingerichtet.
Beim Auftauchen einer alten Fliegerbombe werden sowohl das CGDIS als auch der Minenräumdienst der Armee alarmiert. Das CGDIS stellt bei solchen Einsätzen immer mindestens einen Krankenwagen bereit, um die Sicherheit des Armeepersonals zu gewährleisten, erklärt der CGDIS-Sprecher. Bei Bedarf würde der Rettungsdienst auch der Armee oder der Polizei bei der Errichtung des Sicherheitsperimeters und der Evakuierung der Bevölkerung unter die Arme greifen. Zudem stelle er „spezifische Mittel zur Brandbekämpfung“. All das war der Fall beim Bombenfund im Luxemburger Bahnhofsviertel im Februar.
Dass es sich bei der Entsorgung dieser rund 80 Jahre alten Sprengkörper keineswegs um ungefährliche Objekte handelt, zeigte der Unfall vom 14. Februar 2019, bei dem zwei Soldaten des „Service de déminage“ beim Verladen einer 48-Kilogramm-Weltkriegsbombe ums Leben kamen.
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