Editorial / Warum Luxemburgs geplante Stromkosten-Reform viele Bürger benachteiligt
Unverständnis und Frustration über Klimaschutzmaßnahmen wachsen. Auch hierzulande. Und das aus gutem Grund: Die staatlichen Hilfen sind nicht gerecht strukturiert. Sie benachteiligen viele Bürger.
Die geplante Reform der Stromnetzkosten verdeutlicht das Problem. Zwar versprechen die offiziellen Akteure, dass sich für die meisten Menschen nichts ändern werde – jedoch wollen sie gleichzeitig den Verbraucher mittels Preisveränderungen zu anderen Nutzungsgewohnheiten drängen. Konkrete Zahlen und Rechenbeispiele bleiben aus – nur zwei Monate vor ihrer Einführung.
Fest steht für den Verbraucher lediglich, dass die Strompreise insgesamt in den nächsten Jahren deutlich steigen werden. Ausgerechnet in der Zeit, in der alle von fossilen Brennstoffen auf Strom umsteigen sollen.
Die neuen Netzkosten, die im Schnitt etwa ein Drittel der Stromrechnung ausmachen, werden jene treffen, die ihren Verbrauch nicht flexibel über den Tag verteilen können (oder wollen). Je mehr Geräte man gleichzeitig einschaltet, desto schwerer fällt die geplante Zusatzgebühr ins Gewicht. Das wären beispielsweise Haushalte, bei denen jedes Mitglied zu festen Zeiten arbeiten geht, Schichtarbeiter und selbstverständlich Familien mit Kindern.
Von offizieller Seite wird gerne betont, dass man nicht Opfer der Situation sein müsse. Der Staat biete den Haushalten ja finanzielle Hilfen von deutlich mehr als der Hälfte der Investitionskosten, wenn man sich für eine Solaranlage (vielleicht sogar mit Batterie) entscheidet. Damit wird man Eigenproduzent und erhält Strom praktisch zum Nulltarif. Man müsse sich also keine Sorgen machen.
Vergessen wird bei dieser Überlegung jedoch, dass diese Hilfe nur für Menschen gemacht ist, die ein großes Eigenheim besitzen. Wer in einer Appartementwohnung lebt, in einem kleinen Haus mit einem unpassenden Dach, oder gar Mieter ist, der hat Pech gehabt.
Neben denen, die kein passendes Haus besitzen, nicht schlau genug waren, sich für eine Solaranlage zu entscheiden, oder nicht den Mut hatten, sich mit der Bürokratie auseinanderzusetzen, werden diejenigen, die kaum genug zum Leben haben, vom Staat mit leicht höheren Almosen beim Zahlen ihrer Rechnung gestützt werden. All die anderen dürfen derweil die Steuern bezahlen, mit denen die Anlagen auf den großen Häusern gebaut werden. Dass eine solche „grüne“ Politik nicht bei jedem gut ankommt, versteht sich.
Die Veränderungen bei den Netzkosten werden übrigens nicht nur Haushalte, sondern auch kleine Unternehmen (die am Niederspannungsnetz hängen) treffen. Sie werden es auch nicht einfacher haben als die Haushalte, wenn es darum geht, den Stromverbrauch möglichst gleichmäßig über den Tag zu verteilen. Sollen Geschäfte nun nachts statt tagsüber öffnen? Soll die Hälfte der Büroangestellten zur Nachtschicht kommen?
Der Grundgedanke, die Stromnetze effizienter zu nutzen, ergibt wohl Sinn. Doch der Weg dorthin muss transparenter und gerechter gestaltet werden. Mögliche Lösungen wären: ein System wie bei den Steuerkrediten beim Immobilienkauf, wo jeder Person eine gleich hohe Summe zusteht; finanzielle Unterstützung in gleicher Höhe für diejenigen, die sich an Produktions- und Energiespeicherprojekten beteiligen wollen; die Verfügbarkeit von solchen Projekten, auch für Mieter und Städter. Mit den Dividenden könnte diesen Leuten dann genauso nachhaltig geholfen werden wie denen mit einer eigenen Anlage zum Energiehaushalt.
Eine erfolgreiche Energiewende braucht die Unterstützung der breiten Bevölkerung. Dafür muss sie fair und transparent sein – und daran mangelt es derzeit erheblich.
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