LSAP / Sozialisten ziehen erste Bilanz ihrer Oppositionsarbeit
Nach knapp einem Dreivierteljahr in der Opposition kann die LSAP-Fraktion bereits viel vorweisen. Von Anfang an bot sie der CSV-DP-Regierung mit konsequenter Oppositionsarbeit Paroli. Im sommerlichen Ambiente haben die Sozialisten die ersten Ergebnisse ihrer Arbeit vorgestellt.
Besser konnten die äußeren Bedingungen nicht sein für die erste Bilanz der LSAP-Fraktion. Zur Pressekonferenz im Freien bei der Brasserie Kirchberg vor dem traditionellen Fraktionsessen hatte sich die Sonne gezeigt und für ein sommerliches Ambiente gesorgt. Strahlend und gut gelaunt waren auch die Gesichter der Abgeordneten, schließlich war über Nacht aus London der überwältigende Wahlsieg des neuen britischen Premierministers Keir Starmer und seiner Labour Party gemeldet worden.
So besteht für die LSAP zwar nicht gleich Partylaune, aber als gutes Omen sind die Good News von der Insel für Europas Sozialisten und Sozialdemokraten allemal zu bezeichnen. Für die Luxemburger unter ihnen kommt das gute Abschneiden bei der Europawahl noch hinzu, bei der die LSAP zu den eindeutigen Gewinnern zählte: Der Vizepräsident des Europäischen Parlaments, Marc Angel, konnte dort sein Ergebnis verdoppeln und die LSAP ihres um fast zehn Prozentpunkte verbessern sowie knapp zweitstärkste Partei hinter der CSV werden.
Gutes Spiel der roten Elf
Unter dem Eindruck der Fußball-Europameisterschaft kann auch die parlamentarische Stamm-Elf der LSAP in der hiesigen Chamber ein positives Fazit der ersten gut acht Monate unter der neuen Regierung ziehen. Um im Fußballjargon zu bleiben: Das gute Zusammenspiel der elf roten Abgeordneten erinnert an das Tiki-Taka der Furia Roja, der spanischen Fußballnationalmannschaft: Das gesamte Team ist fortwährend in Bewegung und lässt den Ball in seinen Reihen zirkulieren. Die Folge ist gut abgestimmtes, brillantes Kurzpassspiel. Im Parlament ist dies vergleichbar mit einer aktiven Mitgestaltung. Oder mit den Worten von Taina Bofferding gesprochen: „Es ist wichtig, dass wir die politische Agenda mitbestimmen.“
Zu Beginn ihrer ersten Bilanzpressekonferenz als LSAP-Fraktionspräsidentin wies die Escher Politikerin auch auf den Labour-Sieg hin, was für die gesamte sozialdemokratische Parteifamilie in Europa endlich wieder ein bedeutender Grund zur Freude ist. Dann resümierte Bofferding die Arbeit ihrer Fraktion der letzten Monate, ohne dabei zu vergessen, dass ein Großteil der Gesetze, genauer 55 von 71, die in der Zeit, seit die neue Regierung im Amt ist, verabschiedet wurden, noch auf die blau-rot-grüne Regierung zurückzuführen waren.
Die LSAP-Fraktion scheint sich problemlos in ihre Oppositionsrolle eingefunden zu haben. Nach knapp 20 Jahren, in denen sich die LSAP ohne Unterbrechung von 2004 bis 2023 in der Regierungsverantwortung befand, ist dies keine Selbstverständlichkeit. Erinnert sei daran, dass die CSV, nachdem sie im Herbst 2013 aus der Regierung ausgeschieden war, noch monatelang mit dem Machtverlust haderte und mit der Oppositionsrolle fremdelte.
Für uns ist der Staat kein Unternehmen. Uns geht es unter anderem um Bildungsgerechtigkeit und soziale Sicherheit. Für uns sind alle Bürgerinnen und Bürger des Landes wichtig.LSAP-Fraktionschefin
Die Themen, die in den ersten acht Monaten unter der neuen Regierung im Vordergrund standen, waren etwa Budget, Bau, Anpassung der Steuertabelle und das Bettelverbot. An der Handschrift von Luc Friedens CSV-DP-Regierung sei die konservativ-liberale Ideologie leicht erkennbar. „Und das ist nicht unsere“, sagte Bofferding. „Alles konzentriert sich auf die Verschlankung des Staates und orientiert sich am freien Markt.“ Premierminister Frieden vergleiche sich mit dem CEO eines Konzerns und den Staat mit einem Unternehmen. Auf Friedens Staatsverständnis gemünzt, betonte die LSAP-Fraktionschefin: „Für uns ist der Staat kein Unternehmen. Uns geht es unter anderem um Bildungsgerechtigkeit und soziale Sicherheit. Für uns sind alle Bürgerinnen und Bürger des Landes wichtig.“
Für konstruktive Oppositionsarbeit
Daher brauche es eine starke Opposition als ein wesentlicher Bestandteil der Demokratie, führte Bofferding weiter aus, um jedoch zu präzisieren: „Wir lassen uns aber auch nicht auf die klassische Rolle einer Oppositionspartei reduzieren, die nur kritisiert und alles schlecht findet, was die Regierung macht.“ Oppositionsarbeit im Parlament soll auch konstruktiv sein: Einige Gesetze, die einem nicht gefielen, könne man zwar nicht verhindern, aber mit eigenen Vorschlägen einen Einfluss ausüben.
Die Abgeordnete und frühere Ministerin Paulette Lenert wies darauf hin, dass die Regierung seit acht Monaten einen „Etikettenschwindel“ betreibe. So wurde angekündigt, prioritäre Dossiers wie die Armutskrise und die Logement-Krise anzugehen. „Doch die Probleme werden nicht an der Wurzel angepackt“, so Lenert. Im ersten Fall, der Armutsbekämpfung, sei nur ein leeres Blatt zu finden. Stattdessen würden ausgerechnet die Schwächsten in der Gesellschaft schikaniert und aus der Hauptstadt vertrieben. Nach Ansicht der Sozialisten fehlt im Regierungshandeln deutlich die soziale Komponente.
Was die Bewältigung der Wohnungskrise angehe, „vermissen wir etwa Maßnahmen, um Obdachlosen zu helfen“. Dürftig sehe es auch in Bezug auf den angespannten Mietmarkt aus. Stattdessen gebe es eine Bevorteilung von Investoren und steuerliche Begünstigung der Spekulation. „Alles in allem sehen wir ganz viel Symbolpolitik“, so Lenert weiter, „und ein großes Chaos.“ Anders formuliert: Der Berg kreißte und gebar eine Maus. Für Lenert sind dies „eher Rückschritte statt Fortschritte“.
Ein Starmer macht noch keinen Sommer
Taina Bofferding stellte fest, dass die Regierung viel ankündige, aber die Gesetzentwürfe nicht auf den Tisch lege, also wenig geschehe. Wie sieht dagegen die Strategie der LSAP aus? „Wir nutzen die parlamentarischen Instrumente“, sagte die Fraktionschefin. Dazu gehören etwa parlamentarische Anfragen und Interpellationen. Es sei deshalb wichtig, „den Druck aufrechtzuerhalten“. Wie im Fußball das anstürmende Team. In Sachen Rentenreform etwa will die LSAP an ihrer Position arbeiten. Schließlich dürfe die Reform nicht auf Kosten der Bürger gehen.
Und wie sieht die nähere Zukunft der Sozialdemokratie in dem zunehmend schwierigeren internationalen Umfeld aus? Der Rechtsruck hat fast alle Länder Europas erfasst. Umso mehr sind die Sozialdemokraten gefragt. Ihre Hauptthemen, etwa die soziale Gerechtigkeit, sind wichtiger denn je. Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen wurde mit ihrem Kurs in Richtung politischer Mitte häufig von linker Seite kritisiert. Statt den Rechtspopulismus zu bekämpfen, übernehme sie dessen Prämissen und verrate das sozialdemokratische Erbe. Allerdings hatte sie damit Erfolg.
Andererseits ist die Sozialdemokratie „die Schutzmacht der Schwächsten, Anwalt der normalen, einfachen Leute und Bollwerk für Demokratie, Liberalität und Modernisierung“, schreibt der Wiener Journalist Robert Misik. Oder ist es die „Revolution in Trippelschritten“ im Stil von Olaf Scholz, wie sie der britische Journalist John Kampfner beschreibt. Wohl kaum. Selbst für Keir Starmers Labour Party dürfte es nach dem Erdrutschsieg nicht einfach werden. Ein Starmer macht noch keinen Sommer. Aber zumindest Hoffnung. Und die Stamm-Elf der LSAP macht Laune. So wie La Furia Roja mit ihrem Spiel. Das nicht nur für die Galerie ist, sondern – wie etwa gestern – Erfolge zeitigt.
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