Politik / Spitzenjobs im EU-Parlament werden nach und nach verteilt
Wer bekommt welchen Einfluss auf die Formulierung der europäischen Politik in den nächsten fünf Jahren, welche Politiker bekommen Spitzenjobs? Ursula von der Leyens Wiederwahl als Kommissionschefin bleibt ungewiss, dafür klären sich immer mehr Personalien im Parlament.
Noch gleicht die Neuformierung von Macht und Einfluss auf der Chefetage der EU nach den Wahlen dem Summen und Brummen eines Bienenschwarms. Zwischen und innerhalb der neuen Fraktionen wird um Posten und Vorschlagsrechte gerungen. Im Vorfeld der ersten Entscheidungen in der nächsten Woche in Straßburg kristallisieren sich aus deutscher Sicht vor allem vier Personalien heraus: Aus den Reihen der EVP dürfte Sabine Verheyen neue Vizepräsidentin des Europaparlamentes werden, aus den Reihen der SD Katarina Barley in dieser Funktion wiedergewählt werden. Zudem läuft es darauf hinaus, dass der ehemalige niedersächsische Ministerpräsident David McAllister erneut Vorsitzender des wichtigen Auswärtigen Ausschusses wird, die Liberalen-Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann künftig den Verteidigungsausschuss des Parlamentes leiten kann.
Die genauen Kompetenzzuteilungen sind derzeit noch Gegenstand intensiver Verhandlungen. Das hat damit zu tun, dass das Parlament jetzt bereits an den Start geht, der Zuschnitt der neuen Kommission aber erst danach konkrete Konturen annimmt. Zwischen der Konstituierung des Europaparlamentes und der Arbeitsfähigkeit der neuen EU-Kommission können aber Monate liegen.
Sollte es einen Kommissar für Verteidigung geben und der mit Zuständigkeiten aus anderen Bereichen ausgestattet werden, läge es nahe, wenn Strack-Zimmermann als neue Ausschusschefin die Arbeit ihres Gremiums ähnlich organisieren könnte. Bislang war der für Verteidigungsfragen gebildete Ausschuss ein Untergremium des Auswärtigen Ausschusses. Doch auch ohne eine künftige Unterstellung wird es in den nächsten Jahren angesichts der zunehmenden Bedeutung der gemeinsamen europäischen Verteidigungspolitik darauf ankommen, dass die Politiker sich eng abstimmen.
Der Zugriff auf wichtige Funktionen im Parlament wird nach dem d’Hondt-Verteilungsverfahren berechnet. Gegenüber der vergangenen Wahlperiode hat es hier durch die Bildung von gleich drei Fraktionen am rechten Rand eine Reihe von Verschiebungen gegeben. Zahlreiche bisher fraktionslose und in der Zuteilung unberücksichtigte Abgeordnete haben sich nun neuen Fraktionen angeschlossen. Ungarns Regierungschef Viktor Orbán ist es gelungen, aus seiner Fidesz, dem französischen Rassemblement national, der tschechischen Ano, der österreichischen FPÖ und weiteren Parteien die drittgrößte Fraktion unter dem Namen „Patrioten für Europa“ zu bilden. Diese Gruppe wurde damit sogar noch stärker als die von Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni konzipierte Fraktion der „Europäischen Konservativen und Reformer“ (EKR), der auch die große Gruppe der polnischen PiS angehört.
Beide großen rechtspopulistischen Fraktionen wollten die AfD nicht integrieren. Der ist es nun ihrerseits gelungen, mit weiteren Ultras vom rechten Rand die Mindestvoraussetzungen für eine Fraktion von 23 Mitgliedern aus mindestens sieben Mitgliedstaaten zu erfüllen. Die Führung der „Patrioten“ übernimmt der Abgeordnete der französischen Le-Pen-Partei, Jordan Bardella. Er war ursprünglich vorgesehen, nach einem Erdrutschsieg für den Rassemblement national neuer französischer Regierungschef zu werden, hatte dieses Ziel am Sonntag jedoch klar verfehlt.
Das Europaparlament wird nach seiner Konstituierung am Dienstag zunächst die eigene Spitze bestimmen. An der Wiederwahl der maltesischen EVP-Politikerin Roberta Metsola wird nicht gezweifelt. Auch Verheyen und Barley scheinen nach den eindeutigen Voten ihrer Parteien gesetzt zu sein. Wer jedoch aus den Reihen der Orbán- und Meloni-Fraktionen das Parlament insgesamt repräsentieren kann, ist noch umstritten. So gibt es Bedenken, Vertreter jener Parteien zu wählen, die sich im Wahlkampf dafür ausgesprochen haben, die EU-Institutionen zu schwächen. Somit dürften die Gespräche und Verhandlungen bis zum späten Montagabend andauern.
Das gilt auch für die Wahl Ursula von der Leyens am nächsten Donnerstag. Sie benötigt 361 Stimmen des 720 Mitglieder zählenden Parlamentes. Im Vorfeld hatte es scharfe Kritik auch aus den Reihen jener Parteien gegeben, die sich nun erneut zu einer gemeinsamen Plattform zusammengefunden haben. Sogar EVP-Mandatsträger hatten erklärt, die EVP-Spitzenkandidatin nicht erneut ins Amt der Kommissionspräsidentin wählen zu wollen. Deshalb ist von der Leyen nicht als EU-Repräsentantin zum NATO-Gipfel nach Washington geflogen, sondern hat auch am Mittwoch ihre Tour durch die Fraktionen fortgesetzt und bei den Liberalen und den Grünen für ihre Vorschläge geworben.
Angel will nicht wieder Vizepräsident werden
Der LSAP-Politiker Marc Angel ist Anfang 2023 zum Vizepräsidenten des EU-Parlaments gewählt worden (das Tageblatt berichtete). Er wolle für das Amt allerdings nicht erneut kandidieren – das geht aus einem Bericht des Luxemburger Wort vom Mittwochmorgen hervor. „Es war eine einmalige Erfahrung und eine Ehre“, sagt Marc Angel laut dem Medium über die Ausübung seines Amtes.
„Ich habe sehr viel gelernt und konnte mitgestalten.“ Die Arbeit habe ihm sehr gefallen – seine Entscheidung, nicht noch einmal anzutreten, habe er aber mit Blick auf das Gleichgewicht innerhalb der Fraktion getroffen. „Es gibt weitaus größere nationale Delegationen in der Fraktion – für die luxemburgischen Sozialdemokraten bin ich alleine“, zitiert ihn das Wort. Er wolle demnach auch für andere Kandidaten Platz machen. Angel wolle laut dem Bericht aber versuchen, weiterhin Teil des Parlamentspräsidiums zu bleiben. Deshalb bewerbe er sich für einen Posten als Quästor in der Volksvertretung, die mit Verwaltungs- und Finanzaufgaben betraut sei.
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