Großregion / Staatsbesuch: Der rote Teppich kommt aus der Eifel
Wenn irgendwo im Freien ein roter Teppich für Staatsgäste liegt, stammt er meistens aus Eisenschmitt. In dem 300-Einwohner-Dorf bei Wittlich (D) sitzt die einzige Kokosweberei Deutschlands, die neben Regierungen auch den Findel schon beliefert hat. Eigentümer Georg Fritzsche ist ein Unternehmer vom alten Schlag. Seit 40 Jahren managt er den Betrieb durch alle Höhen und Tiefen.
Die Weberei zu finden, ist nicht schwer. Sie liegt mitten im Dorf, direkt neben der Salm. Das Büro von Georg Fritzsche (68) verströmt die Atmosphäre der deutschen Eiche des Wirtschaftswunders. Der Computer auf dem Schreibtisch ist das Modernste in dem Raum.
Er, den hier alle „Chef“ nennen, erinnert sich noch gut an früher, als die Kokosweber zur jährlichen Tagung zusammenkamen. Sein Vater nimmt ihn oft dahin mit. „Da waren 35 Unternehmer“, sagt er. „Heute bin ich der einzige.“ Das verschafft ihm nicht nur quantitativ ein Monopol. Der rote Kokosläufer aus seiner Produktion ist immer dann an vorderster Front, wenn sich Prominenz einfindet.
Wenn Fritzsche erzählt, wer schon alles seinen Fuß darauf gesetzt hat, klingt das nach Eisenschmitt und die große Politik. Allein drei US-Präsidenten von Bill Clinton über Barack Obama bis Donald Trump, Papst Benedikt XVI. oder die Queen sind darüber gelaufen, haben Hände geschüttelt oder unter den Augen der Weltöffentlichkeit salutiert.
2006 war ein Bombenjahr
Nicht ohne Stolz zeigt er auf die Erinnerungsfotos hinter ihm an der Wand. Das ist natürlich nicht jedes Jahr der Fall. 2006 aber war ein Bombenjahr für das Produkt aus dem kleinen Dorf. Die Kaufhauskette Karstadt feiert 125 Jahre Jubiläum, er liefert deutschlandweit rund 8.000 Quadratmeter an die Filialen. Gleichzeitig kommt Papst Benedikt zum ersten Mal nach Deutschland.
Die Bild-Zeitung titelt „Wir sind Papst“ und er liefert 5.000 Quadratmeter an den Münchner Flughafen. Für die Fußballweltmeisterschaft im selben Jahr liegen 4,5 Kilometer von seinem roten Läufer quer durch Dortmund bis zum Signal Iduna Park. Für Fritzsche heißt die Heimat von Borussia Dortmund immer noch „Westfalenstadion“.
Wie viele damals über den roten Teppich zum Halbfinale Deutschland gegen Italien gehen, ist schwer zu schätzen. Es ist in jedem Fall nach dem Camp Nou in Barcelona das zweitgrößte Fußballstadion Europas und fasst rund 66.100 Zuschauer. In Dortmunds Nachbarstadt Bochum beginnt seinerzeit die Geschichte der August Schär KG.
Familienbetrieb mit Tradition
Von dort zieht sein Großvater, nach dem die Firma benannt ist, 1938 los und kauft in der Vulkaneifel eine leerstehende Wollspinnerei und -färberei. Er sucht einen neuen Standort, um seine Ideen mit Kokos weiterzuverfolgen. 10-15 Jahre Lebenszeit hat ein Läufer aus diesem Material. Kokos ist praktisch unverwüstlich.
„Klimaausgleichend, hygroskopisch, fäulnisbeständig, antibakteriell, schall- und wärmedämmend und schwer entflammbar“, rattert Fritzsche die Vorteile herunter. Noch nach 40 Jahren laufen in seinem Büro mit den übereinander gestapelten Farbmustern auf den Fensterbänken die Fäden zusammen. Die verarbeiteten Kokosfasern kommen als Rohgarn in Containern aus Indien in die Eifel.
Wenn Not am Mann ist, sitzt Fritzsche schon mal selbst auf dem Gabelstapler, um zu entladen. Rund 300 Tonnen kauft die Weberei pro Jahr. In den Hallen, teilweise Fachwerk, werden die gesponnenen Garne weiterverarbeitet, aus denen dann Teppiche auf den Webstühlen entstehen. Von Natur aus eher bräunlich, ist Kokos schwer zu färben. In der Färberei kocht es 24 Stunden vor sich hin, bis die rote Farbe perfekt ist.
Kokos hat viele gute Eigenschaften
Das ist aber nur eines der Produkte aus Eisenschmitt. Fritzsche hat den Betrieb mit aktuell 18 Mitarbeitern mittlerweile in einer Nische etabliert. Als alle anderen nach und nach schließen und ihre Produktion nach Asien auslagern, knüpft er Kontakte zu Industrie, Fachhandel und Bodenlegern im Handwerk. „Klasse statt Masse“, sagt er zur Firmendevise.
Kokosgewebe liegt in privaten und öffentlichen Gebäuden, in Filteranlagen oder dient als Befestigung für Böschungen. Handelsbetriebe, die ausgesuchte Produkte an Privatkunden liefern, führen seine Fußmatten, Teppiche und Läufer. „Man muss beweglich bleiben“, sagt er trocken. Und weil er nie weiß, wann mal wieder ein berühmter Gast eintrifft, schweigt er sich über den Umsatz aus.
Der Chef hat Prinzipien. „Das geht die Presse nichts an.“ Seine Mitarbeiter kennt er alle persönlich und für sie gilt: „Bei mir hat bis jetzt noch jeder pünktlich zum Ersten sein Gehalt auf dem Konto gehabt.“ Prinzipientreu ist auch die Struktur des Betriebs. Die August Schär ist eine Kommanditgesellschaft, was das Kürzel „KG“ erklärt. Dabei ist die Haftung nicht wie bei einer GmbH eingeschränkt.
Fritzsche haftet mit seinem Privatvermögen, wenn etwas schiefläuft. „Das ist gut für das Vertrauen bei den Banken“, sagt er. Angst, dass sie ihm sein Eigentum wegpfänden könnten, hatte er schon manchmal, aber nicht oft. „Irgendwie ging es immer gut“, sagt er. Von der Managerkaste, die aus Angst vor Fehlern lieber gar keine Entscheidungen trifft, unterscheidet er sich auch sonst noch.
Der Chef hat lange zwei Hüte auf
30 Jahre lang ist er ehrenamtlich „Chef“ des Ortes. Sein Parteibuch: „Schwarz wie die Seele.“ Das hindert ihn nicht daran, mit SPD-Größen aus der Landespolitik ein Bier zu trinken, wenn es um die Zukunft von Eisenschmitt geht. Er bewegt einiges in dieser Zeit. Der sozial-kritischen Autorin Clara Viebig (1860-1952) aus Trier, die sich in ihren Büchern mit der Eifel auseinandersetzt, hat er im Ort eine Bibliothek gewidmet.
Überall sammelt er nicht nur ihre Werke, sondern auch Gelder. Er initiiert die Skulptur am Dorfbrunnen, die an die große Vergangenheit des Ortes in der Eisenproduktion erinnert. Bis zu 2.000 Menschen leben bis ins 19. Jahrhundert davon. Die Weberei war sein Kinderspielplatz, er ist darin groß geworden. Wie steht es denn um die Nachfolge? Da kokettiert der „Chef“ und gibt nur ungern eine konkrete Antwort.
Noch will er nicht aufhören. Er peilt die 70 als sein persönliches Rentenalter an. Vorläufig. „Das bestimme ich selbst“, sagt er. „Man muss ja nicht so lange machen, bis man aus dem Tempel nicht mehr rauslaufen kann.“ Genau so hat er es schon nach 30 Jahren als Bürgermeister gemacht. Er wurde nicht abgewählt. Im Gegenteil: Es war seine Entscheidung, vor etwas mehr als zwei Jahren den Weg für einen Nachfolger freizumachen.
Seltenes und vergessenes Handwerk
In dieser Serie haben wir den Trockenmauerbau, das Töpfern, das Korbflechten, das Handwerk des Sattlers, des Kunstschmieds und des Goldschmieds vorgestellt. Die einzige Kokosweberei Deutschlands ist der siebte und letzte Teil. Produktinformationen unter www.kokosweberei-schaer.de. Für Privatkunden gibt es einen Online-Shop: www.mattenwerk.eu.
- Näherinnen hauchen Werbeplanen von Amnesty International Luxembourg neues Leben ein - 10. November 2024.
- Verlust oder Chance? Wenn jeder Tag ein Sonntag ist, helfen Pensionscoaches - 2. November 2024.
- „Habe eine Welt kennengelernt, die ich so nicht kannte“ – Porträt einer Betroffenen - 29. Oktober 2024.
Een rouden Teppëch passt op dëem Bild bei Saldoten ewéi d‘Fauscht op d‘A.
Op esou engem Teppech goufen déi aal grieschech Saldoten déi am Krich gewonnen haten ,empfangen an geéiert.
Menger Meenung ass daat fir eis Saldoten déi an e verluerenen Krich zéihen an deem mir neicht ze sichen hun , keen gud Omen, oder ? Hoffen mëch ze teuschen.