Gemeindepolitik / Stadtbredimus: Die kleine Perle dazwischen
Eingebettet zwischen den größeren Nachbarn Remich und Wormeldingen strahlt Stadtbredimus dörfliche Idylle aus. Baukräne, Verkehr oder Parkprobleme überlässt es den beiden anderen. Es scheint, als fließe die Mosel hier noch ein bisschen ruhiger. In dieser Ruhe gedeihen gute Gedanken. Die knapp 2.000 Einwohner zählende Gemeinde ist die erste im Land, die im Klimapakt zertifiziert wurde, der Haushalt ist ausgeglichen und der Rathauschef zufrieden.
„Royal Albert Hall“ steht in gezeichneten Lettern über der Tür des Büros von Bürgermeister Marco Albert (59). So wie in der berühmten Londoner Konzerthalle spielt in diesen vier Wänden die Musik der Majorzgemeinde. An dem großen, ovalen, schwarzen Tisch, der das kleine Büro dominiert, tagt der Schöffenrat. Im größeren „Big Ben“ nebenan ist der technische Dienst der Gemeinde untergebracht.
Albert mag den Humor, er passt zum berühmtesten Produkt der Gemeinde, dem „Picadilly“. Um dessen Namensgebung ranken sich genauso viele Legenden wie um das Rezept. Und es passt zum Pragmatismus des parteilosen Gemeindepolitikers, dass er sein ursprünglich größeres gegen das kleinere Büro getauscht hat. „Wir sind nur ein paar Mal die Woche hier“, sagt er. „Meine Kollegen sind täglich vor Ort.“
Schnörkellos managt er seit fast zwölf Jahren den Moselort, dem im Gegensatz zu den Nachbarn sämtliche Ambitionen zu wachsen, fehlen. Im neuen „Plan d’aménagement général“ (PAG), der seit 2020 in Kraft ist, sind zwar noch ein paar Hektar mit möglicher Bebauung ausgewiesen. Eilen tut es aber nicht. Ein Wachstum von 2,5 Prozent ist seit langem der jährliche Durchschnitt. Albert, der noch als Schöffe von Vorgänger Jeannot Bonifas eingeführt wird und von ihm viel lernt, hat andere Prioritäten, als er Bürgermeister wird.
Alle Gemeindegebäude heizen ohne fossile Energien
Als vor acht Jahren die Entscheidung ansteht, Stadtbredimus an eine Gasleitung anzuschließen, entscheidet sich der Gemeinderat dagegen. Rathauschef Albert setzt stattdessen auf die fossilfreie Beheizung aller zehn kommunalen Gebäude. „Das ist seit zwei Jahren der Fall“, sagt er. Heute ist es ein unverhofftes Glück, dass die 320 Hektar Gemeindewald die Holzhackschnitzel für die Gebäude liefern.
Die damalige einstimmig gefällte Entscheidung war nicht unumstritten. Privatleute unterstützt die Gemeinde gleichzeitig, indem sie den staatlichen Zuschuss für alternative Energieträger um noch einmal 75 Prozent erhöht. Das heißt, auf jeden staatlichen Förder-Euro legt sie 75 Cent drauf. Geothermie ist in Stadtbredimus erlaubt. „Wenn wir schon auf das Gas verzichten, dann müssen wir den Leuten so viel wie möglich bei Alternativen helfen“, sagt Albert.
Die Nachfrage und die Bereitschaft, mitzumachen, sind da, das zeigt die Zahl der Anfragen. Als 2013 der Klimapakt kommt, wird Stadtbredimus schon im Februar 2014 nach den Kriterien des „European Energy Award“ zertifiziert – als erste Gemeinde im Land. 2016 kommt ein neues Abfallkonzept hinzu. „Mich hat immer gestört, wie viel Restabfall anfällt“, sagt Albert.
Konzept reduziert den Müll deutlich
Die letzte auf der Webseite des Umweltministeriums verfügbare Restabfallanalyse stammt aus dem Jahr 2018/2019. Demnach hat jeder Einwohner im Land in dem Zeitraum 193,7 Kilogramm Restmüll pro Jahr produziert. Davon entfallen 17 Prozent auf Kunststoffe, 31 Prozent auf Bioabfall, zehn Prozent auf Körperhygieneartikel, 18 Prozent auf Papier, Pappe, Karton und 24 Prozent auf Metalle und Problemstoffe.
„2016 waren wir in Stadtbredimus bei 220 Kilo pro Kopf, 2021 waren es nur noch 138 Kilo Restabfall“, sagt Albert. Zentrale Teile des Konzepts sind die kostenlose Bereitstellung diverser Tonnen, um zu trennen, und die Bezahlung pro geleerte Tonne in den 750 Haushalten der Gemeinde. „Je weniger Abfall produziert wird, desto weniger muss geleert werden und desto weniger kostet es“, sagt er. „Das hat funktioniert und das Müllaufkommen sinkt weiter.“
Alle Tonnen sind gechippt. Das Projekt „Abfall“ hat der Rathauschef selbst federführend gestaltet und umgesetzt. „Das lag mir am Herzen“, bestätigt er. Und noch etwas hat ihn in seinen zwei Amtsperioden umgetrieben. Er wollte eine schuldenfreie Gemeinde haben. „Alle schauen immer auf den außerordentlichen Haushalt“, sagt er. „Ich habe den ordentlichen neu organisiert.“
Er hat gespart und das Budget so verteilt, wie er es mit seinem eigenen Verdienst machen würde. Trotz geplanter Ausgaben von 10 Millionen Euro in 2023 – ein neuer Vereinssaal entsteht in Greiveldingen und die dortige Grundschule wird erweitert – muss kein Kredit aufgenommen werden. Es gibt ordentliche Rücklagen von rund vier Millionen Euro. Sie stammen aus Einsparungen im ordentlichen Haushalt und aus 15 Prozent mehr Einnahmen aus dem staatlichen Topf seit der Gemeindefinanzreform 2017.
„Wenn ich mehr einnehme, muss ich das ja nicht gleich ausgeben, oder?“, sagt der Bürgermeister. Albert kann sich zufrieden zurücklehnen. Das wird er tun, denn er tritt zur Lokalwahl 2023 nicht mehr an. Hinter ihm liegen eine Mandatsperiode als Schöffe und zwei als Bürgermeister. „Wenn man drei Legislaturperioden braucht, um Projekte umzusetzen, ist das zu langsam“, sagt er. Albert ist ein Freund davon, den Stuhl nach einer gewissen Zeit für andere zu räumen.
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