Soziales / Stadtbredimus: Raum mit „Frühwarnsystem“
Für familiäre Probleme wie ausartender Medienkonsum bei den Kindern, eine Scheidung oder soziale Auffälligkeiten der Jüngsten bleibt heute wenig Zeit. In Stadtbredimus gibt es jetzt einen Raum für Gespräche und Hilfe. Es ist die erste Gemeinde, in der die Eltern sich untereinander, aber auch mit einer Fachkraft austauschen können. Das Konzept dafür stammt von der Croix-Rouge. Die Gemeinde unterstützt das Pilotprojekt.
Noch ist der großzügige, helle Raum mit den vielen Sofas, der Kaffeemaschine und dem Tisch mit weiteren Sitzgelegenheiten unbelebt. Draußen auf dem Schulfest tobt ausgelassenes Treiben zwischen Spielburg und Getränkestand. Es ist zu schönes Wetter, um reinzugehen. Wer nicht weiß, wozu der Raum dient, könnte meinen, es handele sich um einen mit viel Liebe gestalteten Aufenthaltsraum fürs Personal. In der Annexe der „Maison relais“ am Place Batty Weber entfaltet er einladende Wirkung. Das ist gewollt.
Am Tag der Einweihung spitzen viele der anwesenden Eltern neugierig herein. Silvie Figueira (35) freut das. Sie übernimmt gerne die Rolle als „Reiseführer“. Die „Educatrice graduée“ arbeitet in der Stadtbredimuser „Maison relais“, die vom Roten Kreuz betrieben wird, hauptsächlich mit den 10-12-Jährigen.163 Kinder sind insgesamt aus allen Zyklen angemeldet. Für sie stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit nicht. Nach Corona spüren sie und ihre Kollegen ein großes Bedürfnis der Eltern, mit dem Betreuungspersonal ihrer Kinder in Kontakt zu treten.
Oder einfach mal untereinander zu quatschen. Sie tun das auch, allerdings auf den Bänken draußen oder im Flur der „Maison relais“. „LOFT“ heißt das Konzept und steht für „Lokaler Familientreff“. Er will im Gegensatz zu den sonst üblichen Gesprächen zwischen Tür und Angel Raum für Austausch geben. Zeit müssen die Eltern sich nehmen. Die Voraussetzungen sind gut. „Das soll ein Platz sein, wo es so gemütlich ist wie Zuhause“, sagt Figueira. „Ein Platz, wo sich Familien unter sich, aber auch mit einer pädagogischen Ansprechperson treffen können.“
Konzept hat ungeahnte Aktualität
Zwar ist das Konzept dafür schon vor der Pandemie entwickelt worden, gewinnt aber jetzt ungeahnte Aktualität. Deshalb geht Marco Deepen (51), Direktor des Bereichs Erziehung und Bildung bei der Croix-Rouge, der maßgeblich am Konzept mitgearbeitet hat, bei der Motivation für diese Initiative noch weiter. Er will die Pandemie mit ihren eigenen Dynamiken, was soziale Probleme angeht, nicht verneinen. In einem größeren Kontext gedacht, begreift er sie aber eher als Katalysator. „Sie hat gezeigt, was für soziale Probleme es in der Gesellschaft gibt“, sagt er.
Eines ist fehlender Austausch mit Gleichgesinnten und eine Anlaufstelle, wenn es zu Hause brennt. Eltern arbeiten oft beide in Vollzeit, der Alltag ist stark getaktet, Ruhe und Muße, sich auszutauschen, kommt dabei zu kurz. „Es fehlt der Rahmen, wo man mehr in die Tiefe gehen kann“, sagt Deepen und hat die Möglichkeiten von „LOFT“ vor Augen. Vielfach fehlt den Eltern nämlich das Wissen, wo sie sich bei Problemen hinwenden könnten. Oft wissen sie nicht, dass es Experten gibt und wo sie sie finden können.
Auch da soll LOFT helfen. Mit dem Raum sind viele Erwartungen verknüpft. Der Stadtbredimuser Bürgermeister Marco Albert (59) versteht ihn als „Frühmeldesystem“, um weit größeren und vor allem schweren Problemen in Familien vorzubeugen. Denn das betrifft das soziale Miteinander und die Lebensqualität in der knapp 2.000 Einwohner zählenden Majorzgemeinde.
Und dafür hat er ein besonders offenes Ohr. Für gutes Miteinander zu sorgen, begreift der gelernte Diplomingenieur als Hauptaufgabe seines „Projektmanagements“ namens Gemeinde. Albert sieht die Sache pragmatisch. „Wir können als Verwaltung nicht alle Probleme sofort sehen und lösen“, sagt er. „Aber vielleicht kommen hier Dinge hervor, zu denen wir als Gemeinde anschließend etwas beitragen können.“ Die Verwaltung hat für „LOFT“ eine Kofinanzierung bewilligt.
Bereitwillige Unterstützung der Gemeinde
Es sei ein Betrag im vierstelligen Bereich, sagt Albert, dem deutlich anzumerken ist, dass das Geld zweitrangig ist. Der Gemeindekasse tut es nicht weh, denn Stadtbredimus ist finanziell gut ausgestattet. „Wir sind schuldenfrei“, sagt der Rathauschef. Das hat er sich bei seinem Amtsantritt vor elf Jahren vorgenommen und umgesetzt. Deswegen muss er auch bei den nächsten Wahlen nicht mehr mit. Lorentzweiler will auch ein „LOFT“ und folgt Stadtbredimus demnächst.
Wenn in einem Jahr Bilanz gezogen wird, wissen alle mehr. Das Konzept ist ein Versuch, das Sozialleben nach der Pandemie in all seinen Facetten wieder in Schwung zu bringen. Damit ist ein Raum entstanden, der hoffentlich weitreichende Einsichten in dem, was darin gesprochen wird, zutage fördert. Die Atmosphäre wird das Ihrige dazu beitragen.
LOFT
Öffnungszeiten: dienstags, von 7.00 bis 10.30 Uhr, und mittwochs, von 16.00 bis 20.00 Uhr. Die Öffnungszeiten können nach Bedarf verändert werden.
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