/ Steampunk-Convention im Fond-de-Gras: Als Dampf und Elektrizität noch König waren
Es ist bereits die neunte Ausgabe der Steampunk-Convention im Fond-de-Gras, die an diesem Wochenende über die Bühne geht. Im letzten Jahr zog sie über 12.000 Besucher in den südwestlichsten Zipfel Luxemburgs. Was macht den Erfolg des Events aus? Wir sprachen mit Frédéric Humbel, einem der Organisatoren des Festivals.
Fotos von Tania Feller
„Vor neun Jahren, als das alles begann, hätten wir uns nicht träumen lassen, dass es mal eine solche Größe und Bekanntheit erreicht“, sagt ein jovialer Frédéric Humbel. Bei der ersten Ausgabe von „Anno 1900“ im Jahr 2011 wurden nur etwa 400 Besucher gezählt. Urheber des Events war damals ein Luxemburger Musiker, Olivier Kayser. Als idealer Standort war schnell das ehemalige Erzabbau-Gebiet im Fond-de-Gras ausgemacht. Dort befinden sich nämlich noch viele Relikte aus dem 19. Jahrhundert – Zeit der Industrialisierung und die Epoche, aus der die Steampunker ihre Inspiration ziehen.
Inzwischen finden während der zwei Festival-Tage Tausende Besucher den Weg in den Fond-de-Gras. Viele davon sind kostümiert. Manche kommen von weit her. Die Steampunk-Szene in Deutschland zum Beispiel ist sehr aktiv. Aber auch aus den USA, Kanada, Großbritannien, der Schweiz, den Niederlanden, Belgien, Frankreich und sogar Rumänien kommen sie nach Luxemburg, um an der Convention teilzunehmen.
„Unsere zentrale Lage in Europa hilft da sicher, ebenso wie die Tatsache, dass wir im ’Minett-Park‘ noch funktionierende Dampflokomotiven haben und uns in einem Industriepark befinden. Das Festival hierzulande ist inzwischen eine der größten Conventions in Europa, neben der Asylum Steampunk Convention in Lincoln (UK)“, erklärt Humbel. In Luxemburg findet seit drei Jahren Anfang August in Echternach ein weiteres Steampunk-Treffen statt, das aber nicht so groß ist.
Etwas für alle Sinne
Um das Event zu einem Erfolg zu machen, legen sich die Organisatoren ordentlich ins Zeug. Die Vorbereitungen beginnen bereits kurz nach dem Ende der Convention. „Wir sind hier nur zu zweit im Minett-Park, bekommen aber glücklicherweise viel Hilfe von den Kulturausschüssen der Gemeinden Differdingen und Petingen sowie von einigen Vereinen. Diese kümmern sich zum Beispiel um die Verpflegung der Besucher.
Auch die Animationen spielen eine wichtige Rolle. So finden auf zwei Bühnen Darbietungen statt. Der stärkste Mann Luxemburgs, Georges Christen, tritt auf, ebenso wie ein Illusionist und ein Marionettenspieler. Das alte Karussell mit Steampunk-Motiven dürfte ebenfalls ein Highlight sein.
Wie jedes Jahr sind viele Stände auf der Convention zu finden, wo Interessierte selbst angefertigte Objekte, Kleider, Schmuck usw. kaufen können. Auch ein Polsterer und eine „Papier-Artistin“ sind anwesend. Und sollte das Bargeld nicht reichen – kein Problem. Die BCEE stellt eigens für das Event einen mobilen Bankautomaten auf. Durstige dürfte indes der „Birra-Bus“ interessieren. In dem umgebauten Schulbus wurden nicht weniger als 17 Zapfanlagen für Bier installiert.
Die Dampfloks des „Train 1900“ tragen wesentlich zum fantastischen Ambiente des Events bei und transportieren während der zwei Tage insgesamt 3.000 Passagiere. Die Minenbahn ihrerseits fährt fünf- bis sechsmal pro Tag in den Stollen.
„Eine Lebenseinstellung“
Bei einer Steampunk-Convention dürfen aber natürlich die Steampunker nicht fehlen. Viele Besucher kommen in spezieller Retro-Bekleidung in den Fond-de-Gras. Besonders am Sonntag würden sich aber auch viele Familien, die „normal“ gekleidet sind, auf dem Gelände einfinden, so Humbel. Was zudem den Charme des Events ausmacht, seien die Höflichkeit und das absolute Fehlen von Hektik und Stress. „Steampunk ist mehr als die Tatsache, sich zu verkleiden oder ungewöhnliche Objekte zu erschaffen. Es ist eine Lebenseinstellung“, erklärt ein Steampunker. Er besucht auch regelmäßig Conventions im Ausland.
Klima- und Naturschützer dürfte eines freuen: Das Steampunk-Festival im Fond-de-Gras ist autofrei. Parken kann man in Differdingen oder Petingen. Von dort aus verbinden regelmäßig Pendelbusse die Parkplätze mit dem Festivalgelände.
Hierzulande steckt die Steampunk-Bewegung noch in den Kinderschuhen. Es gibt nur ein paar Vereine, der bekannteste davon ist sicherlich die Luxembourg Steampunk Society. Über 700 Personen haben die Facebook-Seite des Vereins abonniert, Tendenz steigend. Dass der Steampunk aber immer beliebter wird und langsam seinen Weg in den Alltag der Leute findet zeigen unter anderem die Optiker-Geschäfte von Luxembourg-Steampunk-Society-Mitglied Luc Nothum, alias Allan J. Wells, in Petingen und in der Cactus-Galerie in Käerjeng. Dort fühlt man sich durch das Mobiliar und die Deko in die viktorianische Epoche versetzt.
Was ist Steampunk?
Steampunk – von engl. steam (Dampf) und amer. punk (mies, wertlos) – ist ein Phänomen, das erstmals in den 1980er Jahren auftrat. Am Anfang war es eine literarische Gattung. Der Ursprung des Steampunk liegt unter anderem in den Romanen von Jules Verne und H.G. Wells.
Im Laufe der Jahre hat er sich zu sich jedoch zu einem Kunstgenre, einem eigenständigen Mode-Stil, ja sogar zu einer Lebensweise entwickelt. Beim Steampunk werden moderne, futuristische Stilelemente und Objekte mit Materialien, Maschinen und Kleidung aus der viktorianischen Zeit vermischt. Das Resultat ist ein ganz besonderer Retro-Look. Steampunk ist somit eine einzigartige Welt, eine „Zukunft der Vergangenheit, die es nie gegeben hat“ und in der die Dampfmaschine und die Elektrizität die alleinigen Energiequellen darstellen.
Infos: https://anno1900.lu/
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