Gesundheitsausschuss / Steht die „Maison médicale“ im Osten wieder auf der Kippe?
Gesundheitsministerin Martine Deprez gab den Abgeordneten der Gesundheitskommission weitere Erklärungen zu den im Regierungsabkommen verankerten Plänen im Gesundheitsbereich. Dabei standen die Frage der „Maison médicale“ im Osten und der Arztgesellschaften besonders im Mittelpunkt.
Vage. Diese Umschreibung ist im Zusammenhang mit dem Regierungsabkommen bereits mehrmals gefallen. Gesundheitsministerin Martine Deprez (CSV) ist am Mittwoch bereits zum zweiten Mal im Gesundheitsausschuss der Chamber erschienen, um den Abgeordneten weitere Details zu den Regierungsplänen zu liefern. Die Diskussionen drehten sich vor allem um das Gesetz zu den Arztgesellschaften, das überarbeitet werden soll, und um die Machbarkeit einer neuen „Maison médicale“ im Osten.
„Nachdem im Wahlkampf eine ‚Maison médicale’ im Osten versprochen wurde, soll jetzt erstmal eine Machbarkeitsstudie durchgeführt werden“, kritisiert Mars Di Bartolomeo (LSAP) gegenüber dem Tageblatt. Es sei von Seiten der Ärzte immer wieder gewarnt worden, dass dies nicht so einfach möglich sei. „Die Parteien, die das immer wieder von der Oppositionsbank aus gefordert haben, sind wohl jetzt in der Realität angekommen.“
Etwas drastischer sieht das der Arzt und DP-Abgeordnete Gérard Schockmel. „Das war schon vor den Wahlen klar, dass das so nicht funktionieren kann“, sagt Schockmel nach der Sitzung gegenüber dem Tageblatt. Damit die „Maisons médicales“ betrieben werden könnten, bräuchte es einen Pool an Allgemeinmedizinern. „Der vorhandene Pool kann das jedoch nicht gewährleisten.“ Es bräuchte eine Bedarfsanalyse auf Basis von Verkehr, Anbindungen und Demografie, um zu analysieren, wo die „Maisons médicales“ am meisten Sinn ergeben. „Eine ‚Maison médicale’ direkt neben einem Krankenhaus ist Blödsinn“, sagt Schockmel.
Schweizer Modell
Schockmel schlägt das ihm vertraute Schweizer Modell von sogenannten Notfallzentren vor. „Dort bestehen die Ärztemannschaften nicht nur aus Allgemeinmedizinern, sondern auch aus Internisten oder Notfallmedizinern“, erklärt Schockmel. Der Bedarf an Allgemeinmedizinern könne somit gesenkt werden. Auch schlägt der Infektiologe vor, dass diese Notfallzentren, die als außerklinische Sektorträger funktionieren könnten, mit Röntgenapparaten ausgestattet werden oder Infusionen verabreichen.
Bei einer solchen Ausstattung sieht der DP-Politiker dann auch mögliche Anschlussmöglichkeiten an größere Gemeinschaftspraxen. Die Ärzte der Gemeinschaftspraxen könnten die schweren medizinischen Maschinen ebenfalls nutzen. „Es könnten dann auch interessante Synergien zwischen den Ärzten geschaffen werden“, so Schockmel. Und auch wenn es nach einer Utopie klinge: In der Schweiz würden solche Zentren von morgens 7 Uhr bis abends 23 Uhr betrieben werden. „Interessante Konzepte“, die man möglicherweise ausloten könnte. Auch weil verschiedene Ärzte lieber in großen Krankenhäusern, andere wiederum alleine oder in kleineren Gruppen praktizieren wollen. Die Auswahlmöglichkeiten und somit die Attraktivität des Arztberufes könnten dadurch gesteigert werden.
Bedenken bei Vergesellschaftung
Das Gesetz, das die Arztgesellschaften in Luxemburg reglementiert, soll laut Mars Di Bartolomeo „fundamental überarbeitet“ werden. Was genau das heiße, sei nicht genannt worden. Mehrfach sei in der Kommission vor einer Kommerzialisierung in dem Bereich gewarnt worden. Auch DP-Politiker Gérard Schockmel hat in der Hinsicht einige Denkanstöße geliefert. „Ein Arzt, der in einer solchen Gesellschaft arbeitet, darf nicht unter Druck gesetzt werden“, sagt Schockmel. Er kenne Beispiele aus dem Ausland, in denen private Krankenhausgruppen hauptsächlich auf den von den Ärzten erwirtschafteten Umsatz schauen würden. Wichtig sei demnach, dass der behandelnde Arzt seine Leistungen noch immer direkt mit der Krankenkasse abrechnet und nicht über die Ärztegesellschaft. „Es ist normal, dass er einen Teil seiner Einkünfte, beispielsweise für ein gemeinsames Sekretariat, abgibt“, sagt Schockmel. „Das Behandlungs- und Verschreibungsverhalten darf auch nicht etwa durch zu hohe Mietkosten für die Praxis beeinflusst werden.“ Der Arzt plädiert deswegen, dass die Mietkosten mit staatlicher Unterstützung leicht unter den Marktpreis gedrückt werden sollen – „und sei es nur um fünf Prozent“.
„Das war schon vor den Wahlen klar, dass das so nicht funktionieren kannArzt und DP-Politiker
Wichtig sei zudem, dass jede Art von Interessenkonflikt vermieden werden müsste. „Ärzte könnten immer dann mitverdienen, wenn ein Arzt aus der gleichen Praxis eine Laboranalyse oder eine Röntgenaufnahme durchführt“, sagt Schockmel. „Wenn Ärztegesellschaften gesetzlich definiert werden, muss klar zwischen Analysen, Röntgen und dem behandelnden Arzt getrennt werden.“ Insgesamt plädiert der DP-Politiker für ein vorsichtiges Vorgehen. „Ich bin nicht froh mit jeglicher Form von Wildwuchs“, sagt Schockmel mit Blick auf die Praxen. Auch hier fordert der DP-Politiker eine Bedarfsanalyse mit Rücksicht auf die ländlichen Gegenden im Norden und im Osten. „Über einen nationalen Aktionsplan könnten verschiedene Aktivitäten und Praxen in verschiedenen Regionen unterstützt und gefördert werden“, so Schockmel. Es würde im Gegenzug aber nicht verhindern, dass sich noch weitere Ärzte in verschiedenen Gegenden niederlassen. Solche Bedarfsanalysen hätten vor 20 Jahren durchgeführt werden müssen, meint Schockmel. Jetzt sei es endlich an der Zeit, „Neel mat Käpp“ zu machen.
- Von Dynamik und Statik: Xavier Bettels Europa- und Außenpolitik braucht neue Akzente - 19. November 2024.
- CSV und DP blicken auf ereignisreiches Jahr zurück - 18. November 2024.
- „déi Lénk“ sieht von „Interessenkonflikten durchsetzte“ Institution - 13. November 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos