/ Steigende Preise machen das Wohnen zur neuen sozialen Frage – auch in Luxemburg
Die Preise von Häusern und Wohnungen steigen in der gesamten Europäischen Union: ein Segen für Anleger, eine Katastrophe für Mittel- und Geringverdiener.
Die gute Nachricht: Wir sind nicht allein. Die schlechte: Das verringert das Problem nicht. In nahezu ganz Europa steigen die Immobilienpreise deutlich. Um 4,2 Prozent im Jahr. Das hat das Statistische Amt der Europäischen Union (Eurostat) auf der Grundlage des Hauspreisindex gemessen. Anders als manche wohl vermuten befindet sich Luxemburg nicht an der Spitze der Statistik. Es steht nicht einmal in den Top drei. Die größten Preissteigerungen im Jahresvergleich bei Immobilien gab es in osteuropäischen Staaten: in Slowenien (plus 18,2 Prozent), Lettland (plus 11,8 Prozent) und Tschechien (plus 9,9 Prozent). Erst auf Rang vier befindet sich das Großherzogtum mit einer Jahres-Teuerung von 9,3 Prozent (siehe Grafik).
Dabei ist diese Entwicklung nicht neu. Seit einem Jahrzehnt steigen die Immobilienpreise kontinuierlich im Euroraum. Lediglich in Italien und Griechenland gehen sie zurück. Was die relativen Eurostat-Zahlen hingegen nicht wiedergeben: Es gibt ein starkes Stadt-Land-Gefälle. Die Preise steigen vor allem im urbanen Raum. Experten sprechen deshalb von einer Krise der europäischen Städte: Wohnen ist in Ballungsräumen bis tief in die Mittelschicht hinein für viele kaum mehr leistbar.
Die Gründe dafür sind je nach Land unterschiedlich. Allerdings gilt als eine Ursache die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Als Mittel zur Bekämpfung der Wirtschafts- und Finanzkrise hat EZB-Chef Mario Draghi den Leitzins vor rund zehn Jahren kräftig gesenkt bis zum Nullzins.
Resultat der expansiven Geldpolitik: Wer Geld hat und auf der Bank dafür kaum Zinsen erhält, investiert woanders. Wer Immobilien kauft, erhält dafür weit höhere Renditen. Zur Veranschaulichung: Wer sich heute eine Immobilie im Wert von 500.000 Euro in Luxemburg leistet, wird den Wert bei einer jährlichen Preissteigerung von 9,3 Prozent innerhalb von acht Jahren verdoppelt haben. Eine Vermögensverdoppelung in weniger als zehn Jahren – ein lukratives Geschäft. Wohnen ist deshalb zur Finanzanlage geworden. Und in manchen Städten wie in London, Zürich oder Berlin spekulieren große Fondsgesellschaften mit Immobilien und treiben die Preise weiter in die Höhe.
Niedrige Zinsen bedeutet gleichzeitig auch billige Kredite, die wiederum die Preisentwicklung antreiben. Hinzu kommt ein klassisches Phänomen der Ökonomie: Hohe Nachfrage bei wenig Angebot führt zu hohen Preisen. Viele Menschen drängen in die boomenden Städte, der Immobilienbau kommt nicht hinterher. Wohnungen werden knapp, Preise steigen. In ganz Europa spricht man deshalb von einer neuen sozialen Frage – die Wohnungssituation drängt Menschen aus unteren und mittleren Schichten in die Armut.
In Berlin will eine Volksinitiative deshalb Großvermieter enteignen. An der Spitze der Bewegung steht eine Bundestagsabgeordnete der Grünen, und auch der Grünen-Chef Robert Habeck sympathisiert mit Enteignungen und beruft sich auf die Verfassung. In Luxemburg sind Enteignungen kein Thema, weder bei der Regierung noch sonst bei parlamentarischen Parteien. Warum auch – die Maßnahme wäre vollkommen unpopulär. Rund zwei Drittel der Luxemburger sind nämlich Immobilienbesitzer und damit Gewinner der Preissteigerung.
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„Gewinner“ der Preissteigerung? Wie man’s nimmt. Für mich klingt das mal wieder nach einer Milchmädchenrechnung von der Art, dass alle Luxemburger automatisch Millionäre seien, bloss weil hierzulande wer-weiss-wie-viele Milliarden in Fonds und Schwarzgeldkonten geparkt sind. Die Realität ist aber nun mal nicht so einfach gestrickt. Denn wenn ich – wie wohl die meisten Hausbesitzer hierzulande – nur eine einzige Immobilie mein Eigen nenne und daher quasi gezwungen bin, drin wohnen zu bleiben, ist es für mich quietschegal, ob mein Dach über dem Kopf nun eine halbe oder eine ganze oder meinetwegen sogar zwei Millionen wert ist. Verkaufe ich mein Haus, habe ich nur dann einen Reingewinn, wenn ich anschliessend in ein deutlich bescheideneres und daher billigeres Heim umziehe, und wer will das schon? Interessant wird es allenfalls für meine Erben. Oder wenn ich beschliesse, mich auf meine alten Tage in einem anderen, „billigeren“ Land niederzulassen und den ganzen Kram hier noch schnell für ein Heidengeld verscherbelt kriege, bevor die Blase platzt und die Leute wieder zu Verstand kommen.
Soulang wéi d’Demande vill méi héich wéi d’Offer as, hu mer eben just keng Blos. D’Präisser gin emmer weider rop, bis mer mol endlech ufänken sérieux urban ze bauen an ophaalen mat deem Résidence Gepiddels.
Ech ginn Iech recht. Leider wäert eist Land dann awer net méi erëmz’erkenne sinn. Lëtzebuerg huet fäerdeg.
Die Preise steigen und steigen und die Löhne stagnieren. Das Spekulieren mit Immobilien führt dazu, dass immer weniger junge Leute sich ein Eigenheim leisten können und alte Menschen aus ihren Mietwohnungen vertrieben und mittellos werden. Das sind die Folgen des, sich immer mehr verbreitenden, uferlosen Kapitalismus. Eine unbarmherzige, herzlose, profitgierige Gesellschaft !
@Weltverbesserer: Da hat aber jemand seinen Aliasnamen gut gewählt. Was schwebt Ihnen denn als Alternative zum bösen-bösen Kapitalismus und unserer „unbarmherzigen, herzlosen und profitgierigen Gesellschaft“ vor? Etwa eine sozialistische Gesellschaft, die ja bekanntlich alle so erfrischend barmherzig, herzlich und altruistisch waren (Sowjetunion, DDR, Rumänien, Libyen usw.), bzw. es heute noch sind (Nordkorea, China, Venezuela, Cuba…)?
Sie wissen schon, dass sich viele, sehr vile Ostdeutsche die DDR zurück wünschen. Und sogar die DP „kopiert“ Ideen der DDR, siehe Crèches/Maisons Relais.
@ Realist, Eine sozialistische Gesellschaft ist keine kommunistische. Zwischen denen, von Ihnen angesprochenen Extremen,wie grenzenlosem Kapitalismus und totalitärem Kommunismus gibt es noch eine gerechtere Variante, die soziale Marktwirtschaft. Bös und Gut sind übrigens immer relativ, je nachdem aus welchem Blickwinkel betrachtet. Ich bin übrigens nicht ausgezogen um die Welt zu verbessern, so mächtig und einflussreich bin ich nicht und für so wichtig halte ich mich nicht. Ich bin mir durchaus bewusst, dass es eine Utopie ist, die Welt verbessern zu wollen . Dazu bin ich dann doch allzusehr Realist.
Herr Realist, einfach mal gerechte Steuern (nicht auf einen alten Diesel so wie es die Grünen wollen), und gerechte Löhne. Oder ist man dann schon Kommunist?
Hoffentlich platzt diese Baublase in Zukunft.
Die Preise steigen nur so lange (aber wirklich „nur“) so lange wie es genug Interessenten gibt, die trotz der hohen Preise kaufen. Ob das alle Millionäre oder Lottogewinner sind sei dahin gestellt !