Soziale Arbeit / Stellenangebote für Erzieher mit Fachdiplom und Bachelor erreichen Rekordwert
Im Jahr 2020 gab es einen Rekordwert bei den vom „PraxisBüro“ der Uni.lu erfassten Stellenangeboten im Bereich der Sozialen Arbeit. Drei Viertel davon richten sich an Erzieher mit Fachdiplom und Bachelor. Diese Zahlen unterstreichen den Mangel an Fachkräften in diesem Bereich. Petra Böwen, Leiterin des Büros, analysiert die Situation seit vielen Jahren.
2.154 Stellenangebote im Bereich der Sozialen Arbeit hat das „PraxisBüro“ der Uni.lu im Jahr 2020 erfasst. Das Jahr davor waren es 1.877. Seit 2014 schauen sich Leiterin Petra Böwen und ihre Mitarbeiter die Stellenanzeigen in verschiedenen Zeitungen und Webseiten an. Gesammelt und analysiert wird alles, was sie diesem Bereich zuordnen können. Diese Zahlen bestätigen, dass es in Luxemburg einen Mangel an Fachkräften gibt. Drei Viertel aller Stellenangebote betreffen Erzieher mit Fachdiplom („Educateur diplômé“) und jene mit Bachelor.
Man kann davon ausgehen, dass mehr Arbeitsplätze offen sind, als wir erfasst habenLeiterin „PraxisBüro“ der Uni.lu
„Anhand der erhobenen Daten können wir präzise Profile erstellen und Entwicklungen sowie Veränderungsprozesse am Arbeitsmarkt der Sozialen Arbeit analysieren“, sagt Petra Böwen im Tageblatt-Gespräch. Dennoch sei die Datenerhebung für diesen Bereich nicht komplett. Denn nicht alle Neuen Medien, insbesondere Plattformen wie Facebook oder LinkedIn, seien bei der Erhebung durchforstet worden. „Man kann davon ausgehen, dass mehr Arbeitsplätze offen sind, als wir erfasst haben“, sagt sie. Ob die Rekrutierungen über soziale Medien in Zukunft ebenfalls erhoben werden, hänge davon ab, wie das Büro seine Forschung ausrichten werde. „Wenn wir das PraxisBüro weiter reformieren wollen, dann sollten wir das tun“, so die Leiterin.
Aber nicht nur die Angebote in den sozialen Medien werden nicht erfasst, sondern auch jene offenen Stellen, die betriebsintern und unter der Hand vermittelt werden, ohne dass sie irgendwo gemeldet werden. Hinzu kämen noch die Initiativbewerbungen, die in den Ordnern größerer Organisationen landen und bei Bedarf herausgenommen werden, erklärt Petra Böwen. Manche dieser Stellen würden dennoch ausgeschrieben, weil es verpflichtend sei. Die nicht gemeldeten Stellen könne das Büro über die quantitative Forschung, die es betreibt, nicht erfassen. „Dazu müssten wir in den Betrieben nachfragen, wie viele Stellen sie vermitteln, ohne dass sie offiziell ausgeschrieben werden.“ Zudem könne man bei den Betrieben nachfragen, wie viele der offenen Stellen am Ende tatsächlich besetzt werden konnten und wie groß die Zahl der Anfragen war. Böwen schätzt diese Erweiterung im Rahmen ihrer Forschung als sehr interessant ein, dennoch müsse man dazu Mittel freischalten.
Rekord bei Stellenangeboten trotz Covid
Böwen betont, dass die 2.154 offenen Stellen von Januar bis Dezember 2020 erfasst wurden. Einen Zusammenhang zwischen der Covid-Krise und den vielen Stellenangeboten habe man noch nicht erforschen können. „Die hohen Zahlen während des ersten Pandemiejahres haben uns allerdings erstaunt.“ Böwen erinnert daran, dass damals viele Organisationen und Verwaltungen im Homeoffice arbeiteten und so manches nicht mehr wie vor der Krise gelaufen sei.
Neben der Pandemie nennt Petra Böwen noch andere Herausforderungen, wie etwa der Umgang mit den sozialen Medien bei Kindern und Jugendlichen, die immer häufiger auf die Fachkräfte der Sozialen Arbeit zukommen. Diese Handhabung müsse in allen Grundausbildungen der sozialen Berufe verankert sein.
Es ist ganz klar, dass es beim ‚Educateur diplômé‘ eine viel größere Nachfrage an Fachkräften gibt als zurzeit ausgebildet werdenLeiterin „PraxisBüro“ der Uni.lu
Das „PraxisBüro“ benennt in seinem Newsletter auch kritische Aspekte im Bereich der Aus- und Weiterbildungen. Es würden Entwicklungen stattfinden, die teilweise widersprüchlich erscheinen. Als erster Punkt wird die Ausbildung zum „Educateur diplômé“ aufgelistet. Das Pilotprojekt, das dieses Schuljahr angelaufen ist, sieht eine Verkürzung der Ausbildung von drei auf ein Jahr vor. Petra Böwen erklärt: „Es ist ganz klar, dass es beim ‚Educateur diplômé‘ eine viel größere Nachfrage an Fachkräften gibt als zurzeit ausgebildet werden.“ Da zurzeit nur das „Lycée technique pour professions éducatives et sociales“ (LTPES) in Mersch Diplomerzieher ausbilde, müsse man schauen, welche Alternativen es gebe, so Böwen. Eine davon sei das Pilotprojekt, das zudem an der „Ecole nationale pour adultes“ (ENAD) angeboten werde. Positiv sei, dass dieses Projekt nun von allen Akteuren des Bereichs begleitet und ausgewertet werden könne. „Allerdings wird es schwierig werden, innerhalb eines Jahres all die notwendigen Kompetenzen zu erlernen“, sagt Böwen.
Begrenzte Kapazitäten bei der Ausbildung
Das LTPES habe nur begrenzte Kapazitäten. Die dortige dreijährige Ausbildung mit viel Praxisbezug sei wichtig, so Böwen. „Theorie und Praxis müssen angeglichen und gleichberechtigt sein, um den immer größeren Anforderungen gewachsen zu sein“, sagt sie. Das Gleiche gelte für die Bachelor-Ausbildung an der Universität Luxemburg. Böwen beziffert die Regelstudienzeit auf sechs Semester – eine echte Herausforderung. Im Ausland würden solche Bachelorstudiengänge mindestens sieben oder acht Semester dauern.
Ein weiterer Punkt auf der Liste der Aus- und Weiterbildungen ist der Quereinsteiger beim Bachelorstudiengang zum Grundschullehrer. „Es können nicht genug Leute ausgebildet werden.“ Böwen erklärt, dass es aus Sicht der Schulen ein großer Vorteil sei, BSSE-Absolventen („Bachelor en sciences sociales et éducatives“) mit einer Ausbildung zum Sozialarbeiter an den Grundschulen einzusetzen als Quereinsteiger. Aus Sicht der Sozialen Arbeit dagegen sei dies nicht gut, denn diese Leute würden dort wiederum fehlen.
Weiterer Kritikpunkt ist die von der Uni.lu gestoppte Kooperation mit der „Chambre des salariés“. Bis 2021 wurde eine berufsbegleitende Bachelorausbildung für Sozialarbeiter angeboten. Allein im Jahr 2021 seien es 150 Interessenten gewesen, die infolge dieses Stopps nicht mehr an der Ausbildung teilnehmen konnten. Dabei habe dieses Berufsfeld einen permanent steigenden Bedarf an Fachkräften. Voraussetzung für die Einschreibung waren eine abgeschlossene Ausbildung zum Diplomerzieher sowie mindestens sechs Jahre Berufserfahrung. Zudem mussten die Teilnehmer 6.000 Euro bezahlen. „Diese Leute waren sehr motiviert“, sagt Böwen.
Die Leiterin des „PraxisBüros“ zeigt sich erleichtert, dass es die Großregion gibt. Viele Studierende für Berufe im Bereich der Sozialen Arbeit, die aus Luxemburg kämen, könnten an Unis und Hochschulen der Nachbarländer, allen voran in Belgien und Deutschland, studieren. Andererseits kämen viele Fachkräfte aus der Großregion nach Luxemburg arbeiten und würden somit dem Mangel an Arbeitskräften etwas entgegenwirken. Doch perfekt sei die Situation nicht. Oftmals würden Sprachhürden im Wege stehen und diese Fachkräfte würden dann den Arbeitskräftemangel in den anderen Ländern vergrößern.
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