Omega90 / Sterben und Trauern in Corona-Zeiten: Rückblick auf ein schwieriges Jahr 2020
Das Corona-Jahr 2020 ist an Omega90 nicht spurlos vorübergegangen. Konnte das Haus Omega mit seinen 15 Zimmern im Großen und Ganzen wie zuvor funktionieren, so ist die Nachfrage an Beratung in Zusammenhang mit Sterbefällen stark gestiegen, auch bei Kindern.
Um die Ansteckungsgefahr mit dem Coronavirus so gering wie möglich zu halten, waren nach dem Ausbruch der Pandemie Besuche in Krankenhäusern und Pflegeheimen monatelang verboten. Die Direktion eines Hauses konnte eine Ausnahme genehmigen, wenn ein Mensch im Sterben lag – was allerdings nicht immer geschah. Mit dem Resultat, dass viele Menschen einsam sterben mussten und den Angehörigen die Möglichkeit genommen wurde, sich von ihren Liebsten zu verabschieden.
Im Haus Omega, der palliativen Betreuungseinrichtung der Omega90 Asbl, war das nicht der Fall. Man konnte mehr oder weniger wie in den Vorjahren funktionieren, selbst wenn man nicht von positiven Corona-Fällen verschont blieb (zwei beim Personal, zwei bei Patienten). 2020 wurden insgesamt 102 Menschen aufgenommen, wobei die durchschnittliche Verweildauer der Patienten bis zu ihrem Tod mit 45,2 Tagen den Zahlen aus der Vergangenheit ähnelt. Jedenfalls hatte man im Haus eine proaktive Haltung gewählt und dem Gesundheitsministerium unmittelbar nach Beginn des Lockdowns Vorschläge unterbreitet, wie sich die Familien im Einklang mit den geltenden Corona-Regeln von den Sterbenden verabschieden könnten. „Wir haben keine Energie vergeudet auf die Frage, ob wir aufmachen können, sondern wie wir aufmachen können“, blickt Omega90-Direktorin Nicole Weis-Liefgen zurück.
Problem Kinder und Jugendliche
Das gilt allerdings nur für das Haus Omega. Dass rückblickend landesweit in vielen Fällen der physische Abschied vom Sterbenden nicht möglich war, hat laut Omega90-Präsidentin Diane Dhur weitreichende Folgen: „Die emotionalen Konsequenzen für die Sterbenden liegen auf der Hand, aber auch für die Hinterbliebenen ist der daraus resultierende Trauerprozess sehr belastend.“ Nicole Weis-Liefgen glaubt deshalb, „dass noch viel auf uns zukommt, denn die Pandemie ist noch nicht vorbei. Oft haben Menschen noch nicht mit der Trauer begonnen, was daran liegt, dass sie nicht Abschied nehmen konnten von den Verstorbenen“. Man müsse den Tod erst begreifen. Und wenn das bis jetzt nicht möglich war, dann müsse man das nachholen, so Weis-Liefgen: „Einer Trauer kann man nicht entkommen.“ Eine verdrängte Trauer kann jedenfalls der Ursprung von psychischen Erkrankungen wie Depressionen, Burn-out oder Angststörungen sein.
Die stark gestiegene Nachfrage an Beratung bei Omega90 ist eine direkte Konsequenz hiervon. 4.595 Termine zur Trauerbegleitung gab es 2020, was einen Anstieg von 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Insgesamt 1.130 Menschen seien empfangen worden, darunter 27 Prozent Kinder. Und das, obwohl während des Lockdowns zwei Monate keine persönlichen Termine möglich waren. Da kann man dann schon von einem sprunghaften Anstieg der Nachfrage sprechen. In Zusammenhang mit Kindern und Jugendlichen wurde der psychologische Dienst von Omega90 2020 wesentlich stärker beansprucht als in den Vorjahren. „Da ist zunächst einmal die Schuldfrage, wenn ein Kind jemanden mit dem Virus angesteckt hat“, erklärt Diane Dhur, „und dann war es oft so, dass Besuche zum Beispiel in Krankenhäusern stark eingegrenzt wurden. Während sich die Tochter von ihrem Elternteil verabschieden konnte, blieb das den Enkeln bei den Großeltern oft verwehrt. Sie konnten der geliebten Oma keinen letzten Kuss geben oder ihre Hand halten.“ Dabei ist die Abschiedsnahme der Auftakt der Trauerarbeit.
Projekt „Nom Doud Äddi soen“
Da die Problematik sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern und Jugendlichen nicht zu unterschätzen ist, hat Omega90 das Projekt „Nom Doud Äddi soen“ gestartet. In kleinen Gruppen mit maximal acht Teilnehmern soll dann der Anfang der Trauer gemacht werden. Dafür gibt es mehrere Techniken, zum Beispiel können die Teilnehmer dazu aufgefordert werden, dem Verstorbenen einen Brief zu schreiben. Und dann kommt es natürlich zu Gruppengesprächen, in denen Erfahrungen und Gefühle artikuliert werden.
Was außerdem wegen der Pandemie im vergangenen Jahr zu kurz kam, war die Arbeit der Freiwilligen. Sie konnten nicht wie zuvor in die Krankenhäuser oder Pflegeanstalten, da sie als Besucher eingestuft werden und nicht als Personal. 79 Freiwillige engagierten sich 2020 für Omega90, die Anzahl der von ihnen geleisteten Arbeitsstunden ist mit 3.068 deutlich gesunken, wie Co-Direktor Fabian Weiser erklärte. Er beleuchtete auch die Finanzen von Omega90. 6,748 Millionen Euro stehen auf der Ausgabenseite, wobei der Großteil der Kosten über Konventionen mit den zuständigen Ministerien gedeckt wird. Der Rest, fast 8 Prozent, finanziert sich aus Spenden (564.000 Euro im Jahr 2020).
Das vergangene Jahr stand auch im Zeichen der „Assises“, die Omega90 Anfang Dezember organisieren konnte. Denen entsprangen 24 Ratschläge an die Regierung, z.B., dass freiwillige Helfer in Pflegeanstalten nicht unter Besucher einzustufen sind. Oder das Verhindern der Isolation von Menschen, die nicht vom Virus infiziert sind. Das Feedback sei bis jetzt gut, auch wenn es noch zu früh für eine Umsetzung der Ratschläge sei, so Nicole Weis-Liefgen. Unter dem Strich war 2020 für Omega90 „ein außergewöhnliches Jahr“, wie Diane Dhur zusammenfasste, „es begann freudig mit der Einweihung unserer neuen Büros in der rue de Chiney, aber dann kam die Pandemie“. Fest steht, dass Omega90 „weiter für die Enttabuisierung des Themas Tod einstehen wird“.
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