Astronomie / Sternenleben auf einen Blick: Das Hertzsprung-Russell-Diagramm
Es gibt helle und dunklere Sterne, weiße, gelbliche, bläuliche und rötliche. Schon im Altertum hat der Mensch versucht, die Geheimnisse um die unzähligen Leuchtpunkte am Nachthimmel zu lüften. Seit im 19. Jahrhundert zunächst das Licht der Sonne in ein Spektrum zerlegt wurde und später dank immer besserer Geräte spektrale „Fingerabdrücke“ samt chemischen Emissions- und Absorptionslinien aller sichtbaren Himmelskörper erzeugt werden konnten, hat sich die Astronomie enorm weiterentwickelt. Ein zentrales Element zur Darstellung sämtlicher Arten von Sternen entwickelten im frühen 20. Jh. ein dänischer und ein amerikanischer Astronom.
Eijnar Hertzsprung hatte die Vorarbeit geleistet und Henry Norris Russell verfeinerte 1913 das Schema zu einem Diagramm, das fortan den Namen der beiden Wissenschaftler tragen sollte und in der Praxis meist kurz als „HRD“ bezeichnet wird. Indem sie die Idee hatten, Sterne in eine Art Koordinatensystem nach ihrer absoluten Leuchtkraft (vertikale Skala) sowie ihrer Spektralklasse bzw. Oberflächentemperatur (horizontale Skala) einzutragen, schufen Hertzsprung und Russell quasi einen Steckbrief oder bildlichen Lebenslauf von Sternen. Wobei Lebenslauf hier ohne präzise Zeitachse zu verstehen ist, denn so sehr sich aus dem Diagramm auch ein mehr oder weniger regelhafter Lebenslauf von Sternen herauslesen ließe, so unterschiedlich kann doch ein jeweiliges Sternenleben sein.
Wir erkennen auf dem HRD eine Häufung von Sternen entlang einer geschwungenen Diagonalen von links oben nach rechts unten, der sog. Hauptreihe. Diese Sterne sind recht stabil, fusionieren Wasserstoff, das häufigste Element im Universum. In der rechten Mitte dieses Hauptastes befindet sich auch unsere Sonne, im gelblichen Spektralbereich G2 mit einer Oberflächentemperatur von ca. 6.000 Grad Kelvin, mit einer Leuchtkraft von 1 auf der vertikalen Skala als Referenzwert. Die Leuchtkraft hängt sowohl von der Größe als auch von der Temperatur eines Sterns ab. Diesbezüglich ist die Sonne ein recht durchschnittlicher Stern – der aber schon stolze 4,6 Milliarden Jahre auf diesem Hauptast verweilt. Sie wird diesen nach ein paar weiteren Milliarden Jahren verlassen, wenn sie in ihrem Kern nicht mehr genug Wasserstoff haben wird, um ihn zu Helium zu verbrennen. Dann wird sie ihren Verbrennungsmodus ändern, sich zu einem Roten Riesen aufblähen, deutlich an Leuchtkraft gewinnen, auf dem HRD zum Riesenast rechts oberhalb überschwenken und noch einige Zeit unter Bildung immer schwererer Elemente weiterleben, bis sie nach einer Lebensdauer von etwa 12 Mrd. Jahren in einer Nova-Explosion ihre äußeren Hüllen abstoßen und als zunächst noch heißer, aber nur noch planetengroßer Weißer Zwerg (im Diagramm links unten) ihr Leben aushauchen wird. Ihre auskühlende Sternenleiche wird indes eine äußerst hohe Dichte haben; ein „Zuckerwürfel“ davon wiegt dann mehrere Tonnen.
Riesensterne, die Strohfeuer des Universums
Manche Sterne werden mit deutlich mehr Masse als die Sonne „geboren“. Sie bilden sich in astronomisch kurzer Zeit von wenigen Millionen Jahren zu riesigen, extrem hellen Gas-Leuchtfeuern heran und strahlen wegen ihrer ultra-heißen Oberfläche von 15.000 bis 30.000 Kelvin bläulich bis weiß (Spektralklassen O bis A). Sie verbrauchen aber ihre Energievorräte sehr viel schneller als ein mittlerer Hauptreihenstern. Rigel im Orion und Deneb im Schwan sind solche hellen, etwa 20 Sonnenmassen schweren Riesensterne, die im Hertzsprung-Russell-Diagramm ganz oben zu finden sind. Diese gigantischen Fusionsreaktoren sind mit bloßem Auge über viele hundert bis zu 2.000 Lichtjahre oder noch weiter zu sehen. Sie gehen mit ihrer Energie so verschwenderisch um, dass sie schon nach kurzen 9-12 Millionen Jahren das Stadium von Roten Überriesen, im HRD rechts oben dargestellt, erreichen. Sie gehören dann der Spektralklasse M an, haben nur noch eine Oberflächentemperatur von gut 3.000 Grad, bleiben aber trotz Rotfärbung weit sichtbar, weil sie eben so riesig sind – mit 700 bis über 1.000 Sonnenradien. Doch ihre Tage sind schnell gezählt, sie werden instabil, pulsieren und kämpfen sozusagen um ihr Überleben, wie das in letzter Zeit gerade bei Beteigeuze gut zu beobachten war. Stirbt so ein Riesenstern, dann gibt es ein wahres Himmelsspektakel – Stichwort Supernova –, aber nur wenige Menschengenerationen dürfen ein solches erleben.
Was das Hertzsprung-Russell-Diagramm übersichtlich zeigt: Es gibt eine Art „Modell-Lebenslauf“ eines Sterns, wobei aber die Unterschiede teils so gewaltig sind, dass jeder Versuch, eine echte Zeitschiene darauf anzuwenden, scheitern muss. Dies, weil ein Sternenleben allzu stark von Masse und Größe abhängt. Ein roter K- oder M-Stern muss kein Riese sein, es kann sich auch um einen im Gegensatz zu Letzteren äußerst langlebigen, aber unscheinbaren Roten Zwerg (auf dem Diagramm rechts unten) handeln. So wie beispielsweise unser nächster Sternennachbar: Proxima Centauri, gerade mal 4,2 Lichtjahre entfernt, aber quasi unsichtbar, da er seine Lebensenergie nur auf Sparflamme köcheln lässt – und dadurch unwahrscheinlich alt wird.
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