Unternehmen und Menschenrechte / Studie: Fondsverwalter vernachlässigen ihre Sorgfaltspflicht
Menschenrechte gelten als Grundpfeiler der Demokratie. Doch bis heute zählen sie nur wenig, wenn die Interessen großer Konzerne im Spiel sind – so auch die der luxemburgischen Fondsindustrie, wie eine Studie der „Action Solidarité Tiers Monde“ (ASTM) zeigt.
Etwa 50 Millionen Menschen lebten nach Angaben der International Labour Organization (ILO) vom vergangenen Jahr in einer Situation moderner Sklaverei. Nach einer aktuellen Schätzung der ILO und Unicef sind 160 Millionen Mädchen und Jungen von Kinderarbeit betroffen. Doch kaum jemand zeigt sich dafür verantwortlich, schon gar nicht die dafür zuständigen Unternehmen. Das gilt auch für die luxemburgische Fondsindustrie, eine der wichtigsten Säulen des hiesigen Finanzsektors. Mit einem verwalteten Vermögen von mehr als fünf Billionen Euro ist das Großherzogtum der zweitgrößte Standort für Investmentfonds.
Die ASTM hat nun im Auftrag der „Initiative pour un devoir de vigilance“ (IDV), die sich aus 17 zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammensetzt, die Menschenrechtspolitik der zehn größten Gesellschaften in der Investmentverwaltung hierzulande und deren Sorgfaltspflicht bezüglich der Einhaltung der Menschenrechte untersucht. Die Studie wurde im Kontext der aktuellen Verhandlungen über die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) der Europäischen Union durchgeführt, deren Ziel es laut EU-Kommission ist, „nachhaltiges und verantwortungsbewusstes unternehmerisches Verhalten zu fördern und Menschenrechts- und Umweltaspekte in der Geschäftstätigkeit und Unternehmensführung von Unternehmen zu verankern“.
Bestehende Praktiken reichen nicht aus
Erst kürzlich habe Luxemburg ein weiteres Mal ein Triple A für seine Finanzlage bekommen, die höchste Wertung, die Ratingagenturen vergeben, erinnerte Jean-Louis Zeien von der IDV und fügte hinzu: „Für die Sorgfaltspflicht in Sachen Menschenrechte können wir leider kein Triple A vergeben.“ Die Ergebnisse der Analyse zeigten, dass die bestehenden Praktiken, was das Engagement der Unternehmen für die Menschenrechte angeht, nicht ausreichen und daher eine verbindliche Gesetzgebung erforderlich sei. Die IDV fordert daher die Regierung auf, sich im Rahmen der Verhandlungen auf europäischer Ebene zur Sorgfaltspflicht von Unternehmen für eine wirksame Richtlinie einzusetzen. Dabei dürften der Finanzsektor und die Investmentfonds nicht ausgenommen werden, sagte Zeien. „Es darf keine heiligen Kühe geben, wenn es um Menschenrechte geht.“
Für die Sorgfaltspflicht in Sachen Menschenrechte können wir leider kein Triple A vergeben
Die Initiative ließ sowohl die Menschenrechtspolitik als auch den Grad der Umsetzung der Sorgfaltspflicht bei den zehn größten Gesellschaften analysieren, die hierzulande in der Investmentfondsverwaltung tätig sind: J.P. Morgan Asset Management, DWS Investment, UBS Fund Management, Armundi Luxembourg, Blackrock, FIL Investment Management, Eurizon Capital, Schroder Investment Capital, HSBC Investment Funds, EQT Fund Management. Die Studie „Der luxemburgische Finanzsektor und Corporate Governance: Investmentfonds im Blickpunkt der Menschenrechte“ habe dabei eine international anerkannte Benchmarking-Methode angewandt, die es ermögliche, Finanzinstitute anhand der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte sowie der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen zu messen und zu klassifizieren, erklärte Nadine Haas (ASTM), die Autorin der Studie. Dies gilt außerdem in Bezug auf die Verfügbarkeit von Beschwerdemechanismen.
Dabei habe sich herausgestellt, dass keines der analysierten Unternehmen die maximal möglichen zehn Punkte erreichte, betonte Nadine Haas. Nur zwei – UBS und Schroder – erzielten mehr als die Hälfte der möglichen Punkte, die meisten blieben zwischen zwei und vier Punkten. Der größte Fondsverwalter in Luxemburg, J.P. Morgan Asset Management, erzielte mit null von zehn Punkten das schlechteste Ergebnis der „Big Ten“. Obwohl sich sieben der zehn Unternehmen zur Achtung der Menschenrechte bekennen, verfügt keines über Prozesse zur Identifizierung und Bewertung menschenrechtlicher Risiken, die sowohl ihre eigene Geschäftstätigkeit als auch ihre Finanzierungsaktivitäten umfassen, zeigt die Studie. Es gibt also keine Belege dafür, ob das jeweilige Unternehmen eine Sorgfaltsprüfung durchführt.
Zankapfel Investmentfonds
Dabei haben alle zehn analysierten Unternehmen – als Grundlage der Studie dienten nur öffentlich zugängliche Informationen wie Nachhaltigkeits- oder Jahresberichte – die UN-Grundsätze für verantwortungsvolles Investieren unterzeichnet und sich dazu verpflichtet, die sogenannten ESG-Aspekte in ihre Investitionsanalysen und Entscheidungsprozesse einzubeziehen: Umwelt- und Klimaschutz (Environment), gesellschaftlicher Zusammenhalt (Social) und nachhaltige Unternehmensführung (Governance). Dies zeige, erklärte Nadine Haas, dass freiwillige Selbstverpflichtungen nicht ausreichen und verbindliche menschenrechtliche Sorgfaltspflichten erforderlich sind. Die Studie konzentriert sich auf acht Menschenrechtsindikatoren.
Ende vergangenen Jahres hatte die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union jeweils einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Sorgfaltspflicht vorgelegt. Diesen Mittwoch diskutieren sie in Straßburg über die CSDDD. Die drei Vorschläge unterscheiden sich in bestimmten Punkten voneinander und weichen zudem in einigen von internationalen Menschenrechtsstandards wie den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte oder den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen ab. Während die Leitprinzipien laut Artikel 14 die Verantwortung der Unternehmen für die Achtung der Menschenrechte für alle Unternehmen gilt, auch die des Finanzsektors, unabhängig von ihrer Größe, Struktur und ihren Eigentumsverhältnissen, überlässt die Position des EU-Rats die Einbeziehung des Finanzsektors dem Ermessen der EU-Mitgliedstaaten und schließt fast alle Investitionstätigkeiten aus.
Insbesondere aus der Zivilgesellschaft und von hochrangigen Gremien wurden daher Forderungen nach einer Einbeziehung des Finanzsektors in den Geltungsbereich der Direktive laut. EU-Kommission und EU-Rat sehen zudem vor, dass Finanzunternehmen nur vor einer Finanzdienstleistung eine – etwa vorvertragliche – Risikobewertung vornehmen müssen, während die internationalen Standards eine laufende Risikobewertung während der Durchführung eines Projekts vorschreiben.
Nach einem Besuch im Großherzogtum vor einem Jahr forderte etwa die UN-Arbeitsgruppe für Menschenrechte und transnationale Unternehmen Luxemburg auf, den Finanzsektor, einschließlich der Investmentfonds, in den Richtlinienvorschlag und in das nationale Recht einzubeziehen. Erst kürzlich erklärte Frank Elderson, Mitglied des Direktoriums der Europäischen Zentralbank, dass Finanzunternehmen nicht anders behandelt werden sollten als andere Unternehmen, auch nicht im Zusammenhang mit der CSDDD.
Ball liegt nun bei Regierung
Die vorherige Regierung hatte bei den Verhandlungen auf EU-Ebene die Einbeziehung von Investmentfonds in den CSDDD-Geltungsbereich abgelehnt. Premierminister Luc Frieden (CSV) hatte sich im Wahlkampf „für eine Einbeziehung des Finanzsektors und insbesondere von Investmentfonds auf der Ebene unter Berücksichtigung der Besonderheiten“ ausgesprochen. Die IDV fordert Friedens Regierung nun auf, die nationalen Gesetze zum Finanzsektor sowie die Regierungspositionen auf EU-Ebene vollständig mit internationalen Standards und Verträgen zu Menschenrechten, Klima und Umwelt in Einklang zu bringen.
Sollte es der EU aber nicht gelingen, eine Richtlinie zu verabschieden, müsste Luxemburg ein nationales Gesetz zur Sorgfaltspflicht von Unternehmen in Fragen der Nachhaltigkeit einführen und so sicherstellen, dass der gesamte Finanzsektor einbezogen wird. Die Regierung müsste darüber hinaus sicherstellen, dass staatliche Unternehmen und öffentliche Stellen im Finanzsektor internationale Standards und Verträge zu Menschenrechten, Umwelt und Klima einhalten.
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1933 wurde von den unfehlbaren Verantwortlichen der luxemburgischen Bistumspolitik eine Politik ohne Patienten- und ohne Menschenrechte als gottgefällige pleromatische Gnadenfülle begrüßt und bejaht.
MfG
Robert Hottua, ehemaliger Messdiener im franziskanischen Erziehungsinternat in Grevenmacher.
Die Menschenrechte sind der Diktatur des Kapitals nur im Weg!