Verwirrung um Polindex / Studie über Wählerverhalten wird Chamber-Parteien, aber nicht der Öffentlichkeit vorgestellt
Das Chamber-Büro – und damit alle im Parlament vertretenen Parteien – hat am Montag die Resultate des Polindex, einer detailreichen Studie über Wählerprioritäten und Wahlverhalten, vorgestellt bekommen. Die Pressekonferenz, die für Dienstag anberaumt war, wurde aufgrund einer Frist im Wahlgesetz hingegen abgesagt.
Nicht wenige waren im vergangenen Oktober vom Ausgang der Luxemburger Chamber-Wahlen überrascht. Nicht aber der Politikwissenschaftler der Universität Luxemburg Philippe Poirier, der als Inhaber des Lehrstuhls für parlamentarische Studien mit dem Polindex die Wählerpräferenzen im Vorfeld minutiös analysiert hatte. Eine ähnliche Studie ist auch im Vorfeld der Europawahlen durchgeführt und am Montag im Chamber-Büro vorgestellt worden. Die Öffentlichkeit darf aber erst nach den Wahlen von den Ergebnissen erfahren.
Ein Passus im Luxemburger Wahlgesetz untersagt nämlich, „während der fünf Tage vor dem Tag der Europa-, Parlaments- oder Kommunalwahlen oder dem Tag des Referendums oder der Volksbefragung sowie während des Ablaufs von Wahl- oder Beratungsvorgängen […], Meinungsumfragen […] zu veröffentlichen, zu verbreiten oder zu kommentieren“. Der Montag, an dem die Studie in der Chamber vorgestellt wurde, liegt mit sechs Tagen vor der Wahl genau außerhalb der im gesetzlichen Rahmen vorgeschriebenen fünf Tage. Der Dienstag, an dem die Pressekonferenz stattfinden sollte, liegt bereits in der gesetzlich festgeschriebenen Sperrfrist zur Publikation von Umfragen.
Pendant les cinq jours qui précèdent le jour des élections européennes, législatives ou communales ou le jour du référendum ou de la consultation populaire ainsi que pendant le déroulement des opérations électorales ou consultatives, il est interdit de publier, diffuser ou commenter tout sondage d’opinion tel que défini à l’article 1erloi du 14 décembre 2015 relative aux sondages d’opinion politique
Auch das Tageblatt ist in diesem Fall an die gesetzlichen Vorgaben gebunden und darf nicht über den Inhalt der 130 Seiten, die den Abgeordneten im Chamber-Büro vorgestellt wurden und der Redaktion vorliegen, berichten.
„Keine Hintergedanken“
Das ist auf gleich mehreren Ebenen problematisch. Dadurch, dass die Details der Umfrage den Chamber-Parteien bekannt sind, können diese ihre Wahlstrategie theoretisch noch in letzter Minute an die Umfrageergebnisse anpassen. Ein wesentlicher Teil der Wählerschaft entscheidet erst kurz vor den Wahlen, welcher Partei er sein Kreuz anvertraut. Gezielte politische Werbung in letzter Sekunde, angepasst an die in der Studie herausgearbeiteten Wählerpräferenzen, könnten jeder der sieben Chamber-Parteien und ihren Kandidaten demnach einen möglicherweise entscheidenden Vorteil auf der Zielgeraden des diesjährigen Europawahlkampfs verschaffen. Dass die Studie post factum nach den Europawahlen der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll, ist auch kein Paradebeispiel in Sachen Transparenz – auch wenn es sich in diesem Fall um eine gesetzliche Restriktion und keine immanente politische Entscheidung handelt.
Der Piraten-Politiker Sven Clement meint gegenüber dem Tageblatt, der Zeitpunkt der Vorstellung im Parlament und die am darauffolgenden Tag anberaumte Pressekonferenz seien alleine der Tatsache geschuldet, dass die Studie erst Ende vergangener Woche die Befragungen habe abschließen können. Das bestätigt auch Chamber-Präsident Claude Wiseler gegenüber dem Tageblatt. „Die Studie, die Philippe Poirier vorgestellt hat, ist ein langjähriges Projekt“, sagt Wiseler. Dass die Studie nach der Vorstellung in der Chamber anschließend auch der Presse vorgestellt werden sollte, sei nicht direkt bekannt gewesen. Im vergangenen Oktober hätten die Ergebnisse der Studie früher vorgelegen, weswegen auch die öffentliche Publikation und die Herausgabe an die Öffentlichkeit kein Problem darstellten. „Wir mussten Philippe Poirier als Gesetzgeber jedoch auf die geltende Gesetzeslage aufmerksam machen“, so Wiseler. Er selbst habe sich auch nur noch vage an die gesetzlichen Bestimmungen erinnern können, weswegen man den Zeitrahmen noch einmal habe nachprüfen lassen. „Es gab jedoch keine Hintergedanken, die bei dieser Entscheidung mitgespielt hätten.“
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