Das sagte ihr Erfinder einst / Suizid in „Sarco“-Kapsel löst Debatte um „Sterbetourismus“ aus
In der Schweiz starb erstmals eine US-Bürgerin in der Suizidkapsel des australischen Mediziners Philip Nitschke. Trotz der weniger strikten Gesetzeslage kam es zu Festnahmen. Inzwischen wird der Vorfall heftigst diskutiert.
Dem Erfinder geht es mit „Sarco“ eigentlich rein darum, Menschen einen „friedlichen, zuverlässigen Freitod zum Zeitpunkt ihrer Wahl“ anzubieten, wie er in einem Interview im August 2022 einst sagte. Doch so simpel sich der Wunsch des Australiers Philip Nitschke anhört – so komplex ist er in der Umsetzung, denn gesetzliche und ethische Barrieren stehen im Weg.
Doch zunächst zur aktuellen Situation: Eine Amerikanerin hat am Montag als erste Person die umstrittene Suizidkapsel von Nitschke verwendet, um ihr Leben zu beenden. Berichten zufolge soll die 64-Jährige „unter einem Baumdach“ in einem Waldgebiet im Kanton Schaffhausen gestorben sein. Obwohl die Vorschriften zum Thema Freitod in der Schweiz deutlich liberaler sind als in den meisten anderen Ländern, kam es im Nachgang zu Festnahmen. Die Schweizer Staatsanwaltschaft hat laut einer Mitteilung der Polizei ein Strafverfahren „wegen Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord“ eingeleitet.
Per Knopfdruck ins Jenseits
Mit „Sarco“ können Sterbewillige per Knopfdruck ihr Leben beenden. Die Kapsel, die an jeden Ort gebracht werden kann, den der Sterbende sich wünscht, wird danach mit Stickstoff geflutet. Das heißt, der Sauerstoffgehalt in der Kapsel wird abgebaut, sodass der Mensch im Inneren schmerzlos das Bewusstsein verliert und in ungefähr zehn Minuten stirbt. „Sarcos Ziel ist es, den Sterbeprozess zu entmedizinisieren“, erklärte Nitschke einst. Das Gerät ermögliche es mündigen Erwachsenen, „einen friedlichen, zuverlässigen Freitod zum Zeitpunkt ihrer Wahl zu haben“.
Eigentlich ist die rechtliche Lage in der Schweiz weniger strikt als in anderen Staaten: „Das Recht, Art und Zeitpunkt des eigenen Sterbens zu bestimmen, kommt grundsätzlich allen Menschen in der Schweiz zu“, heißt es auf der Website der Organisation Exit, die Menschen in dem Land beim Freitod begleitet. Allerdings dürfte dieses nur dann gewährt werden, wenn die betroffene Person, wisse, was sie tue, nicht aus dem Affekt handele und die möglichen Alternativen kenne. Außerdem müsse sie einen dauerhaften Sterbewunsch hegen, dürfe nicht von Dritten beeinflusst werden und müsse den Suizid eigenhändig ausführen.
„Technisierung, aber keine Humanisierung des Sterbens“
Wie der aktuelle Fall vor Gericht beurteilt wird, bleibt abzuwarten – unabhängig vom Ausgang hat er jedoch bereits eine Debatte über das losgetreten, was Medien als „Sterbetourismus“ in der Schweiz bezeichnen. Auch über die Art des Todes in der Kapsel wird dabei diskutiert sowie über die Entscheidung zum Freitod an sich. Giovanni Maio, Direktor des Freiburger Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin, äußerte sich im SWR beispielsweise skeptisch darüber, ob ein Tod in „Sarco“ überhaupt eine würdevolle Art zu sterben sei: „Will die Gesellschaft die Menschen so vereinzelt sterben lassen? Gerade dieses Abkapseln halte ich für ein ganz großes Problem – dass kein Kontakt zu den Menschen hergestellt werden kann“, sagte er. Eine solche Kapsel wäre eine „Technisierung, aber keine Humanisierung des Sterbens“. Maio glaubt, dass die augenblickliche Diskussion zu strengeren Vorschriften in der Schweiz führen werde.
Im Internet sprachen sich etliche Stimmen dagegen für ein derartiges Sterben aus. „Was geht das den Staat an? Sterben ist eine persönliche und freiwillige Entscheidung, in die sich der Staat nicht einmischen sollte“, schrieb ein Internetnutzer auf der Plattform X. Der Suizid in diesem „Sarco“ sei in dieser Hinsicht eine humanere Option, bei der man nichts spüre. Andere Stimmen jedoch machten offenkundig, warum das ethische Dilemma tatsächlich groß ist. So schrieb ein weiterer X-Nutzer: „Wir können entweder unsere gesamte Weltwirtschaft so umstrukturieren, dass sie zu einem riesigen Pflegeheim für die alternden Babyboomer wird, oder sie in die Kapsel lassen, wenn sie wollen.“ Damit gibt der X-Nutzer Raum für die Argumente, die viele Gegner der Sterbehilfe anführen. Sie sagen, dass eine „Normalisierung“ dieser dazu führen könnte, dass ältere Menschen diese Option wählen würden, um den jüngeren nicht mehr zur Last zu fallen. Sie würden sich damit quasi verpflichtet fühlen, ihr Leben zu beenden.
Tod „zu einem Ereignis machen“
Nitschke selbst sagte im Interview einst, dass Umfragen regelmäßig bestätigen würden, dass sich die meisten Menschen einen „friedlichen“ und „zuverlässigen“ Tod wünschten. Letzteres entspricht im Allgemeinen dem Wunsch, schmerzlos im Schlaf zu sterben. „Sarco liefert da eine gute Annäherung“, meinte der Australier. Der 77-Jährige möchte sein eigenes Leben irgendwann auch einmal mithilfe von „Sarco“ beenden. Zwar habe er das Glück, Zugang zu den besten Medikamenten – wie dem schwer erhältlichen Barbiturat Nembutal – zu haben, „aber ich mag den Stil und die Eleganz des ‚Sarco‘“, erklärte er 2022 in einer E-Mail. Dieser lasse sich an einen idyllischen Ort bringen und mache den Tod zu einem Ereignis.
In Nitschkes Augen ist der Zugang zu einem friedlichen, zuverlässigen Wahltod ein „Recht“ für jeden mündigen erwachsenen Menschen und nicht nur ein „Privileg“, das denjenigen gewährt werden sollte, die krank genug sind, um sich zu qualifizieren. Dass Nitschke auch Menschen, die nicht krank sind, beim Suizid Hilfe bieten möchte, hat ihn jedoch vor allem in seinem Heimatland Australien bereits zum Paria gemacht. Als er 2014 einen 45-Jährigen aus Perth, der nicht schwerkrank war, beim Freitod beriet, erzeugte dies einen Aufschrei.
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