Kommunalpolitik / Syvicol präsentiert 36 Forderungen für mehr Autonomie der Gemeinden
Gemeinden bei Entscheidungen, die sie betreffen, mehr einbeziehen. Die Einnahmen einer Steuer auf leer stehenden Wohnraum oder unbebaute Flächen in die Kassen der Kommunen fließen lassen – statt in die des Staates. Und Bewerberinnen und Bewerbern für Posten bei Gemeinden mehr Zeit geben, wenn sie eine administrative Sprache erst lernen müssen. Das sind nur drei von 36 Anregungen und Vorschlägen, die das Gemeindesyndikat Syvicol ausformuliert und am Montag der Öffentlichkeit präsentiert hat.
Mit den Gemeinde-, aber auch den Parlamentswahlen steht 2023 ein Superwahljahr vor der Tür. Und so arbeiten viele politische Parteien aktuell mit Hochdruck an ihren Wahlprogrammen. In den Augen des Gemeindesyndikats Syvicol also genau der richtige Zeitpunkt, um eine Reihe von Anregungen an die politischen Verantwortlichen zu richten. Insgesamt 36 Forderungen an die Politik wurden am Montag bei einer Pressekonferenz in den Syvicol-Räumlichkeiten in Luxemburg-Stadt präsentiert.
Diese lassen sich den folgenden neun Themenfeldern zuordnen: Zusammenarbeit zwischen Regierung und Gemeinden, kommunale Finanzen, Organisation und Zuständigkeiten, administrative Vereinfachung und Digitalisierung, Gemeindefinanzen, Wohnungswesen, Bürgerbeteiligung, Sozialämter und Bildung. 16 Seiten enthält das Dokument. Das Ziel: mehr Autonomie für die Gemeinden.
„Wir Gemeinden sehen uns eher als Partner des Staats – und nicht nur als Empfänger der staatlichen Entscheidungen“, erklärte der Vizepräsident des Syndikats und Düdelinger Bürgermeister Dan Biancalana (LSAP). Zwar sei der Austausch zwischen Kommunen und Regierung in den vergangenen Jahren intensiver geworden, doch Entscheidungen würden nach wie vor ohne vorherigen Austausch mit den betroffenen Gemeinden getroffen werden. Deshalb der Appell an die Politik, die Kommunen bei Entscheidungen besser einzubeziehen.
Gemeinde- statt Staatskasse
Was die kommunalen Finanzen angeht, fordert das Syvicol, dass die Einnahmen im Falle der Einführung einer nationalen Steuer auf leer stehenden Wohnraum oder unbebaute Flächen an die Kommunen gehen – und nicht, wie geplant, an den Staat. Bei dem Gemeindesyndikat geht man nämlich davon aus, dass auf lokaler Ebene viel Arbeit in das Erstellen des angekündigten nationalen Registers von Gebäuden sowie Unterkünften investiert werden muss und es wahrscheinlich Fälle geben wird, in denen die Gemeinden abwägen müssen, ob Räumlichkeiten leer stehen oder nicht – inklusive Beschwerden der Eigentümerinnen und Eigentümer.
„Wenn die Regierung daran festhält, dass diese Einnahmen dem Staat zustehen, sollten die Gemeinden in keiner Weise in die Erhebung der Steuer einbezogen werden“, heißt es vom Syvicol. Für eine funktionierende Gemeinde werden allerdings nicht nur ausreichend finanzielle Mittel, sondern auch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter benötigt. Aber, so Biancalana bei der Pressekonferenz am Montag: „Wir haben festgestellt, dass es immer schwerer wird, kompetentes Personal zu finden. Ein Problem ist die geringe Anzahl an Bewerbungen.“
Um nun die Anzahl der potenziellen Kandidatinnen und Kandidaten für ausstehende Gemeindeposten zu erhöhen, schlägt das Syndikat vor, dass das Personal zwar nach wie vor die drei administrativen Sprachen des Landes beherrschen, dies allerdings nicht mehr zum Zeitpunkt einer Einstellung der Fall sein muss. Stattdessen könnten die Sprachkenntnisse am Ende des sogenannten „Service provisoire“ – also in der Zeit rund um die definitive Ernennung zur Beamtin oder zum Beamten – getestet werden. Betroffene hätten laut Syvicol dann zwei Jahre Zeit, um die erforderlichen Sprachkurse zu belegen.
Proporz erst ab 6.000
Und nicht nur in puncto Gemeindeposten bemerkt man eine schwindende Anzahl an Kandidatinnen und Kandidaten: Manche an der Lokalpolitik interessierte Menschen schreckt es laut Syvicol ab, wenn das Wahlsystem in einer Kommune nach Erreichen der Schwelle von 3.000 Einwohnerinnen und Einwohnern von der relativen Mehrheitswahl auf Listenwahl wechselt. Sie können sich dann nicht mehr als Einzelperson, sondern nur noch als Mitglied einer Liste zur Wahl stellen. Die Partei haben zudem oft Probleme damit, ihre Listen zu vervollständigen – also ausreichend Menschen zu finden, die sich zur Wahl stellen wollen.
Das Syvicol spricht sich zwar für das weitere Vorhandensein von zwei Wahlsystemen aus, schlägt allerdings vor, die Trennlinie von 3.000 Einwohnerinnen und Einwohner auf 6.000 anzuheben: Gemeinden mit einer Bevölkerung unter 6.000 würden dann nach dem Majorz-System funktionieren, während das Proporz-System erst ab 6.000 greifen würde. Denn laut Syvicol kommen die Vorteile der Listenwahl vor allem in größeren Gemeinden zum Tragen, wo die Entscheidungen der Wählerschaft weniger durch persönliche Bekanntschaften und mehr von den vorgeschlagenen Programmen geleitet werden.
Einem anderen Veränderungsvorschlag in Sachen Wahlen erteilt das Syndikat indes eine klare Absage: Kürzlich hatte die neu gegründete Partei „Fokus“ bei einer Pressekonferenz die Frage aufgeworfen, die kommenden Gemeinde- sowie Parlamentswahlen an einem Tag stattfinden zu lassen. „Das Thema ist längst gegessen“, meint dazu der Syvicol-Präsident und Clerfer Bürgermeister Emile Eicher (CSV). Damit keine der beiden Wahlen zu kurz kommt, sollen diese einzeln stattfinden. Und so wird die kommende Zeit zeigen müssen, ob sich die Vorschläge des Syvicol in den Wahlprogrammen der Parteien für 2023 wiederfinden – und möglicherweise eines Tages in die Praxis umgesetzt werden.
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