Datenschutz / Tanson stellt „Ju-Cha“-Gesetz vor: Speicherfristen orientieren sich an Schwere des Vergehens
Justizministerin Sam Tanson hat am Mittwoch den Gesetzestext zur „Ju-Cha“-Datenbank vorgestellt. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sollen sowohl die persönlichen Daten in der Datenbank als auch der Zugriff auf die Daten einen rechtlichen Rahmen erhalten. Auch soll die Unschuldsvermutung in Einzelfällen nach Vorbild der französischen Rechtsprechung ausgelegt werden können.
Die Datenbank „justice chaîne pénale“, berühmt-berüchtigt unter dem Akronym „Ju-Cha“, bekommt einen rechtlichen Unterbau. Der entsprechende Gesetzestext wurde am Mittwoch von Justizministerin Sam Tanson („déi gréng“) und in Anwesenheit von Polizeiminister Henri Kox („déi gréng“) und Generalstaatsanwältin Martine Solovieff vorgestellt. Nachdem 2019 der nachlässige Umgang der Strafverfolgungsbehörden mit dem Datenregister bekannt wurde, hatte nicht zuletzt die „Autorité de contrôle judiciaire“ in einem Gutachten einen rechtlichen Rahmen für die Datenbank gefordert. „Welche Daten werden zu welchem Zweck gespeichert? Welcher Beamte hat Zugriff auf welche Dateien?“, stellt Justizministerin Sam Tanson die entscheidenden Punkte der Gesetzgebung vor. „Der vorliegende Gesetzentwurf soll weitere Details liefern.“
Die Datenbank soll künftig in sieben Module unterteilt werden: Vorstrafenregister („casier judiciaire“), Strafregister („dossiers répressifs“), Jugendakten („dossiers jeunesse“), internationale Strafrechtshilfefälle („affaires d’entraide pénale internationale“), Akten zur Strafvollstreckung („dossiers d’exécution des peines“), Akten des zentralen Sozialhilfedienstes („dossiers du service central d’assistance sociale“) und Zugangskontrolle („contrôle d’accès“). Auf die Daten können je nach Modul nur bestimmte Beamte der Strafverfolgungsbehörden zugreifen und die in den einzelnen Modulen gesammelten Dateien unterliegen unterschiedlichen Speicher- und Sperrfristen.
Das Vorstrafenregister soll künftig Daten enthalten, die zur Verwaltung des Registers notwendig sind. Die Daten sollen so lange gespeichert werden, bis der Verurteilte wieder rehabilitiert ist.
Beispiel Strafregister
Zugang zum Strafregister soll alleine den Magistraten und Beamten vorbehalten sein, die mit der jeweiligen Affäre, die noch nicht zu einer Verurteilung geführt hat, befasst sind. Die Speicherdauer wird je nach Schwere des Vergehens festgelegt und kann zwei, fünf oder zehn Jahre betragen. Bei einem Freispruch wird die Frist aus verwaltungstechnischen Gründen sechs Monate betragen. Nach Ablauf dieser Frist wird der Zugang für fünf Jahre auf Name und Vorname, Personalnummer und Geburtsdatum, die Art des Eingriffs und auf die für das Verfahren zuständigen Magistrate und Beamte beschränkt.
Der Zugang zu den Jugendakten wird im neuen Gesetzentwurf nur den Magistraten des Jugendschutzes und spezialisiertem Personal vorbehalten sein. Der Zugang zu den Akten wird drei Jahre nach der Volljährigkeit gesperrt, es sei denn, die verhängte Strafe überschreitet diesen Zeitraum. In dem Fall wird die Akte sechs Monate nach Ablauf der Strafe gesperrt.
Durch das Modul der Zugangskontrolle soll es zukünftig auch möglich sein, nachzuvollziehen, welcher Beamte zu welchem Zeitpunkt auf die Dateien zugegriffen hat. Diese Zugangskontrolle kann rückwirkend für fünf Jahre durchgeführt werden – „danach wäre ein eventuelles Vergehen ohnehin verjährt“, sagt Justizministerin Sam Tanson auf der Pressekonferenz.
Mit dem Gesetzentwurf soll auch eine Rechtsgrundlage für die Übermittlung von Verurteilungen durch die Staatsanwaltschaft an die zuständigen Behörden, juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Berufsverbände geschaffen werden. Damit soll die Vollstreckung einzelner Urteile wie zum Beispiel Fahrverbote, Jagdverbote oder auch Berufsverbote erleichtert werden.
Unschuldsvermutung
Die Regierung sieht zudem vor, eine der französischen Rechtsprechung ähnelnden Aufweichung der Unschuldsvermutung im „Ju-Cha“-Datengesetz festzuschreiben. Der vorliegende Text bietet der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, Personen des öffentlichen oder privaten Rechts zu warnen, wenn einer ihrer Angestellten im Verdacht steht, ein Verbrechen oder eine Straftat begangen zu haben. „Diese Ausnahmeregelung soll nur in bestimmten Fällen zur Anwendung kommen, wenn die körperliche Unversehrtheit weiterer Personen in Gefahr ist“, sagt Justizministerin Sam Tanson und nennt das Beispiel der Pädophilie. „Wenn gegen eine Person, die Kinder beaufsichtigt, eine Untersuchung wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen durchgeführt wird, wird die Staatsanwaltschaft den Arbeitgeber entsprechend informieren können“, sagt Tanson.
Die Entscheidung dafür liege bei der Staatsanwaltschaft, die der Aussage von Generalstaatsanwältin Martine Solovieff nach keine systematische Anwendung dieser Regelung vorsehe, sondern von „Fall zu Fall“ analysieren und entscheiden werde.
Ein weiterer Beschwerdepunkt der „Autorité de contrôle judiciaire“ war, dass der externe Dienstleister Zugriff auf die Datenbank hatte. Auf Tageblatt-Nachfrage erklärte ein Vertreter der Staatsanwaltschaft, dass eine externe Firma mit der Entwicklung und Wartung der Datenbank beauftragt worden sei. Diese arbeite aber lediglich mit „Test-Dateien“ und nicht mit den eigentlichen Dateien innerhalb der Datenbank.
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