Grenzgänger / „Télétravail“: Das Arbeitsmodell der ING zeigt die vielen Hürden
Mehr „Télétravail“ in den Berufen, in denen das möglich ist, wäre ein großer Vorteil für Luxemburg. Es würde dem Land mit seinem starken Verkehr – vor allem zu den Stoßzeiten – guttun. Bei der ING Bank gibt es das Angebot für die Mitarbeiter bereits seit 2011. Hürden für einen weiteren Ausbau des Arbeitsmodells kommen von der EU und aus den beteiligten Ländern.
Deutsche Grenzgänger können 19 Tage im Jahr von zu Hause aus arbeiten, belgische 24 und Franzosen 29 Tage. Das besagen die bilateralen Steuerabkommen zwischen Luxemburg und den entsprechenden Ländern. Bei allen weiteren Tagen im Home-Office fallen normalerweise Steuern in den Ländern des jeweiligen Wohnsitzes an. Während des „Confinement“ wurde das ausgesetzt.
Am 24. Juni twitterte Finanzminister Pierre Gramegna (DP), dass nach den belgischen Grenzpendlern jetzt auch Arbeitnehmer aus Frankreich weiterhin von zu Hause aus arbeiten können, ohne steuerliche Nachteile befürchten zu müssen. Tageblatt.lu berichtete darüber.
Wenige Tage zuvor hatten der belgische Finanzminister und sein luxemburgisches Pendant das flexible Steuerregime für Pendler bis zum 31. August verlängert. Für die deutschen Pendler verlängert sich die wegen der Pandemie getroffene Vereinbarung monatlich, sofern sie nicht von einem der beiden Länder gekündigt wird.
EU-Vorschriften schränken ein
„Unser Angebot an die Mitarbeiter ist freiwillig“, sagt derweil Alexandra Guerisse (44), Managerin im Bereich Human Resources Payroll & Operations bei der ING. Die Bank offeriert ihren Mitarbeitern schon seit 2011 Home-Office und wird in diesem Zusammenhang gerne als Beispiel für flexible Arbeitslösungen genannt. Ist sie auch angesichts der Tatsache, dass sie das ihren Mitarbeitern schon so lange anbietet und das Thema nicht erst über die Covid-19-Krise entdeckt hat.
41 Prozent der Mitarbeiter wohnen nach Guerisses Angaben in Luxemburg, die restlichen 59 Prozent sind Grenzgänger aus Frankreich, Belgien und Deutschland. Davon kommt mit 33 Prozent der überwiegende Teil aus Frankreich, 25 Prozent aus Belgien und der Rest aus Deutschland. Sie zahlen in die luxemburgischen Sozialversicherungssysteme ein und sind im Land versichert, womit sich die erste Hürde für ein Mehr an Telearbeit auftut. Die Hürde kommt nicht von der Bank, sondern von europäischen Vorgaben.
„Wer einen wesentlichen Teil seiner Tätigkeit (mindestens 25 Prozent) im Wohnsitzland ausübt, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Wohnsitzlandes, ist also dort sozialversichert“, besagt eine EU-Verordnung zum Thema, die in einschlägigen Ratgebern für Grenzgänger zitiert wird. Das heißt, bei Überschreitung der 25 Prozent Arbeitszeit pro Jahr fällt der in Luxemburg angestellte Arbeitnehmer unter die Sozialversicherungsbestimmungen (Krankenkasse, Renten- und Arbeitslosenversicherung usw.) des Wohnsitzlandes.
Steuerregelungen bleiben Problem
Die zweite Hürde für ein Mehr an „Télétravail“ kommt ebenfalls nicht von der Bank, sondern von Gründungsmitgliedern der Europäischen Union wie Belgien, Deutschland und Frankreich. Es ist und bleibt die steuerliche Seite. Weil es die steuerlichen Hürden und die Begrenzung auf eine gewisse Zahl an Tagen gibt, bietet die Bank Telearbeit „punktuell“ an, wie Guerisse sagt.
„Wenn jemand an einer Präsentation arbeitet und das lieber in Ruhe von zu Hause aus machen will, muss er das beantragen“, sagt die Managerin. Regelungen wie „einen Tag in der Woche mache ich immer Telearbeit“ gebe es intern nicht. Das Angebot, von zu Hause aus zu arbeiten, sei vielmehr eine sehr individuelle Regelung, die von der speziellen Situation des Einzelnen abhänge, sagt Guerisse.
„Wir treten die Steuern, die für diese Tage in Luxemburg anfallen würden, an das entsprechende Wohnsitzland ab“, sagt Guerisse. Das erscheint auf der „Fiche de retenue“ (Lohnsteuerkarte), die jeder am Ende des Jahres erhält. Es ist dann am jeweiligen Arbeitnehmer, das in einer Steuererklärung zu deklarieren – am Wohnsitz.
Wie viele Grenzgänger über die steuerlich vereinbarten Tage hinaus von zu Hause aus arbeiten, kommuniziert das Kreditinstitut nicht. Nur so viel: Es seien eher wenige, sagt Guerisse. Das klingt eher nach Ausnahmen und nicht nach Regel. Gleichzeitig zeigt das, wie wenig Spielraum die Arbeitgeber dabei haben, ihren Mitarbeitern dieses Arbeitsmodell anzubieten.
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