Entwaldungsverordnung / Teufelspakt: EVP einig mit Rechtsextremen
Die Europäische Entwaldungsverordnung (EUDR), Teil des European Green Deal, soll verwässert werden. Die Christdemokraten im EU-Parlament wollen sie möglichst abschwächen und stimmen mit den Rechtsextremen. Doch was steckt hinter der neuen Verordnung zum Schutz der Wälder?
Jean-Louis Zeien ist merklich empört, als er über die Europäische Entwaldungsverordnung (EUDR) zu sprechen kommt. Der Präsident von Fairtrade Lëtzebuerg und Co-Koordinator der „Initiative pour un devoir de vigilance“ weiß, dass das, was Ende vergangener Woche im EU-Parlament beschlossen wurde, ein Rückschritt im Kampf gegen die Naturzerstörung ist. Die EUDR wurde nicht nur um ein Jahr verschoben, sondern riskiert in ihrer jetzigen Form auch noch verwässert zu werden. Mit ihr sollte eigentlich verhindert werden, dass ökologisch wertvolle Wälder gerodet und – etwa in Afrika, Asien und Lateinamerika – in Kakaoplantagen, Sojafelder und Rinderweiden umgewandelt werden. Die Europäische Union ist mit derlei Praktiken mit 16 Prozent der mit dem internationalen Handel verbundenen globalen Entwaldung nach China und vor den USA und Indien der größte Waldzerstörer weltweit. Das wollte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und eine Mehrheit eines insgesamt progressiveren vorherigen EU-Parlaments ändern.
Doch vor allem kleinere Unternehmen sahen eine Flut von Bürokratie auf sich zukommen. Die produzierenden Firmen seien noch nicht fit genug, lautete der offizielle Grund für die Verschiebung. Einer der tatsächlichen Gründe sei jedoch gewesen, mutmaßt Jean-Louis Zeien, „dass die EU-Kommission ihre Hausaufgaben bis zum Stichdatum nicht ausreichend gemacht hat“. Er nennt es ein „internes Fiasko“. Von der Leyen zeigte Verständnis für die Anliegen der Unternehmen und bat um eine Verschiebung der Frist von einem Jahr, vom 1. Januar 2025 auf 1. Januar 2026, damit sich die Firmen besser vorbereiten könnten.
Dass es nun aber nicht nur zu einer Verschiebung, sondern zu Veränderungen kommen wird, erklärt sich Zeien damit, dass die Agrarlobby schon seit Monaten Stimmung mache. Berichterstatter der Verordnung war kein Geringerer als ihr designierter Agrarkommissar Christophe Hansen (CSV). Doch nun soll das Paket der Entwaldungsverordnung wieder aufgeknüpft und zu entbürokratisierenden Zwecken verändert werden – und womöglich verwässert. Einer der Kniffe vor allem aus neoliberaler Sicht: Zu den bisher drei Kategorien von Staaten je nach Entwaldungsgrad (wenig Risiko, Standardrisiko, hohes Risiko) in Sachen Waldzerstörung soll es eine vierte geben – risikofreie Staaten. „Ein fahrlässiger Vorschlag, der zu möglichen Schlupflöchern führen könnte“, so der Kommentar von Jean-Louis Zeien. Es bedarf dabei wenig Spürsinn, um zu erahnen, dass sich die Europäer dabei selbst in dieser Kategorie einordnen würden. „Wenn sich dies konkretisiert“, so Zeien, „ist ein neokolonialer Ansatz perfekt.“
„Import von Entwaldung“
In Europa wird die Rangliste im „Import von Entwaldung“ von Deutschland angeführt, gefolgt von Italien und Spanien. Sechs ihrer insgesamt 15 Änderungsvorschläge zur Schwächung der Verordnung, die von der deutschen Europaabgeordneten Christine Schneider (CDU) eingebracht wurden, zog die Europäische Volkspartei (EVP) der Christdemokraten, zu denen auch die CSV gehört, wieder zurück. Die anderen wurden mit Unterstützung der rechten Parteien angenommen. Einer der zurückgenommenen Vorschläge wäre gewesen, die Händler von den Regelungen auszunehmen. Der Vorschlag einer vierten Kategorie der „risikofrei“- Staaten wurde von Sozialdemokraten, Grünen und Liberalen – bis auf die deutsche FDP – abgelehnt.
Für die Länder des Globalen Südens dürfte die Einführung einer vierten Kategorie ein Affront sein: Einer der größten Bauernverbände Brasiliens etwa, die Confederação da Agricultura e Pecuária do Brasil (CNA), warf dem EU-Parlament vor, eine Sonderregelung für EU-Staaten einzuführen. „Ein Zugeständnis an die europäischen Interessen“ und „eine protektionistische Maßnahme“ nannte es CNA-Koordinator Felipe Spaniol vor dem Hintergrund des Abschlusses des EU-Mercosur-Handelsabkommens. Im Jahr 2018 stammten übrigens 23 Prozent der EU-Einführungen aus dem Cerrado, dem Wald-, Busch- und Grasland im Landesinneren Südostbrasiliens. (Übrigens ist Busch- und Grasland nicht in der EUDR enthalten.)
In einem Trilog aus EU-Kommission, -Ministerrat und -Parlament soll nun verhandelt werden. EU-Parlament und Rat der EU haben bis Mitte Dezember Zeit, um über die Änderungen neu zu verhandeln und eine Einigung zu erzielen. Einigen sie sich nicht, träte die Verordnung wie ursprünglich vorgesehen zum Jahreswechsel in Kraft. Sie ist als Teil des Green Deals, des klimapolitischen Programms von EU-Kommissionschefin von der Leyen, dafür gedacht, dass sowohl Importeure als auch Exporteure künftig lückenlos nachweisen müssen, dass ihre Waren nicht zur Schädigung oder Zerstörung des Waldes beitragen. So sollen alle Produkte, für die nach 2020 Wald gerodet wurde, künftig tabu sein. Die Verordnung umfasst sieben Rohstoffe – Holz, Kaffee, Kakao, Kautschuk, Palmöl, Rindfleisch und Soja – und mehr als 800 aus diesen Rohstoffen hergestellte Produkte von Papier, Reifen und Schokolade. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete, befürchteten auch Verlage die Verordnung. Dabei ist ihre Botschaft einfach: Europa soll nicht mehr zur globalen Entwaldung beitragen. Die EUDR ist zudem mit einer Geolokalisierung verbunden, mit einer Rückverfolgung möglicher Rodungen.
„Die Büchse der Pandora“
Die Entwaldungsverordnung könnte ein Meilenstein für den Umweltschutz sein. Oder ein Papiertiger, wie der World Wide Fund For Nature (WWF) mitteilt. Die Umweltschutzorganisation spricht von einer „Sabotage der EU-Entwaldungsverordnung“ und von einem „großen und traurigen Rückschritt für den Schutz der Wälder und für den Kampf gegen den Klimawandel“. Dabei müsste sie angesichts der Probleme gestärkt anstatt geschwächt werden, so Fairtrade Lëtzebuerg. Die Nichtregierungsorganisation fordert daher die luxemburgische Regierung auf, hart zu bleiben und in den Diskussionen auf Trilog-Ebene zu ihren Verpflichtungen zu stehen. Nach den Worten von Jean-Louis Zeien muss sich die CSV-DP-Regierung dafür einsetzen, dass eine kohärente Agrar-, Umwelt-, Wirtschafts- und Kooperationspolitik sichergestellt wird – auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene. Auch Greenpeace Luxemburg hatte die luxemburgischen EU-Parlamentarier aufgerufen, „alle die Änderungsanträge sowie den ursprünglichen Vorschlag der Kommission, die Anwendung des Gesetzes aufzuschieben, abzulehnen“. Greenpeace-Kampagnen-Leiterin Martina Holbach kritisierte, dass das Gesetzgebungsverfahren „schreckliche Auswirkungen auf die Umwelt, die Gesellschaft und auch die Demokratie hat, da die EU den wirtschaftlichen Interessen derjenigen nachgibt, die die Natur zerstören und unsere Zukunft gefährden“.
Was Jean-Louis Zeien ebenso entsetzt: Die EVP hat gemeinsam mit den Stimmen der „Patrioten für Europa“ und von „Europa der souveränen Nationen“, also den Nationalisten und extremen Rechten von Viktor Orbán bis hin zu Marine Le Pen und der AfD, gestimmt. In der vergangenen Legislaturperiode hatte die EVP-Fraktion die Verordnung noch befürwortet. Doch mit der gemeinsamen Abstimmung, dem Zündeln am Waldschutz, hat sie einen gefährlichen Schritt unternommen. Sie hat, so Zeien, „die Büchse der Pandora geöffnet“.
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