Konzert / „The Orphans of the American Dream“: „den Atelier“ bringt Rise Against in die Rockhal
Am Montag spielte Rise Against ein routiniertes, etwas zu kurzes Set, das den Schwerpunkt auf vergangene Großtaten legte und etwas am blutarmen, drucklosen Sound litt.
Nachdem die Rise-Against-Tour wegen der Pandemie zweigeteilt wurde, zeigte sich Tim McIlrath während unseres Interviews vor ein paar Wochen umso begeisterter, endlich wieder auf europäischem Boden zu spielen – und meinte, man habe sich die neue EP „Nowhere Generation II“ quasi als Bonus für die Europa-Tour aufgehoben. Angesichts der Tatsache, dass die Band keinen einzigen Track dieser EP während ihres relativ kurzen Auftritts in der Rockhal spielte, wirkt diese Aussage irgendwie wie das leere Versprechen eines übermotivierten Autoverkäufers.
Ähnlich wirkte auch McIlraths Kommunikation mit dem Publikum. Was der Sänger von sich gab, war abstrakt genug, um jede Fangruppe zu bedienen und galt irgendwie auch für jede beliebige politische Situation. Gerade in einer von Brandherden geprägten Gegenwart, die konkrete Reaktionen und konkretes Engagement fordert, wirken solche Sprüche vom Fließband seitens einer linkspolitischen Band etwas dreist. Dann waren Brian Molkos karge fünf Wörter am letzten Freitag ehrlicher.
Dies ist umso bedauerlicher, als die Setlist mit „Re-Education (Through Labour)“ mit einem Song begann, dessen quasi postmarxistischer Titel hätte Programm sein können – und der praktischerweise auch einer der stärksten Titel des Bandkatalogs ist.
Dass Rise Against nicht mit neuem Material, sondern mit einem Song des 14 Jahre alten „Appeal to Reason“ begann, ist dann auch symptomatisch für das restliche Konzert. Von der neuen Platte gab es lediglich das titelgebende „Nowhere Generation“, ein Track, der das reguläre Konzert nach nur einer guten Stunde abschloss und während dessen Intermezzo McIlrath der „nowhere generation“ Mut zusprach. Von „Wolves“ und „The Black Market“ gab es auch nur je einen Auszug. Rise Against möchten, wie es McIlrath im Interview bezeugte, zwar relevant und am Puls der Zeit bleiben, wissen aber auch, dass sie ihre Glanzzeit mit den drei Platten „The Sufferer and the Witness“, „Appeal to Reason“ und „Endgame“ bereits hinter sich gelassen haben.
Am besten sind dann auch ganz klar die wütend-melodischen „Prayer of the Refuge“ und „Ready to Fall“ von „The Suffferer and the Witness“, die Antikriegsballade „Hero of War“ und das mitreißende „Savior“ mit seinem Offspring-Chorus von „Appeal to Reason“ sowie das peitschende „Architects“, das immer noch phänomenale „Satellite“ und die Konsenssingle „Make It Stop (September’s Children)“ von „Endgame“ – die Platte, auf der Rise Against das Spagat zwischen Mainstream und authentischem Punkrock perfektionierte.
Während des akustischen Sets gegen Ende des Konzerts konnte McIlrath erneut beweisen, dass er eine der besten Stimmen des Punkrock hat – und dass die Band auch auf ihrer ersten, härteren Platte bereits zartbesaitet sein konnte. Neben dem obligatorischen „Hero of War“ spielte McIlrath auch noch „Swing Life Away“ vom Debüt „The Unraveling“.
Der Auftritt der Band war im guten wie auch im schlechten Sinne routiniert – auch wenn die Performance der Musiker einwandfrei war, fehlte es sowohl der Band als auch dem Sound an Druck und Inspiration, was vielleicht auch an dem etwas unförmigen, unscharfen Mix lag, bei dem die Tiefen bisweilen die Gitarrensoli und McIlraths Gesang verschlangen. So war die Begeisterung über den tollen Klang am Freitag bei Placebo rasch versiegt – die große Halle der Rockhal bleibt klangtechnisch wohl einfach schwierig.
So waren die 80 Minuten Musik dann doch etwas zu wenig für eine Band, die über neun Platten verfügt. Im Endeffekt wünscht man sich fast, Rise Against demnächst auf einer dieser „Anniversary-Tours“ zu sehen, auf denen sie dann eine ihrer drei Kultplatten ganz durchspielen können – so wie die Libertines es am kommenden Sonntag im Atelier tun werden.
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