Luxemburg / Thema „Hate Speech“ im Parlament: Die Niederungen der digitalen Kommunikation
Hassrede, „discours de haine“ oder griffiger „Hate Speech“ war das Thema einer von den Mehrheitsparteien initiierten Orientierungsdebatte während der Parlamentssitzung vom Donnerstag. Die über drei Stunden lange Debatte brachte zwar einige klare Aussagen hervor, verlief aber teils äußerst undurchsichtig, besonders für Menschen, die einen analogen Weg durchs Leben dem digitalen Zeitverlust auf „sozialen Medien“ vorziehen.
Hintergrund und Auslöser der Debatte, so Stéphanie Empain („déi gréng“), waren die Reaktionen auf einen Post des Abgeordneten Fred Keup (ADR), der auf seinem Facebook-Konto die Aussagen von ASTI-Präsidentin Laura Zuccoli in einer „Carte blanche“ auf RTL kritisierte, während der diese auf die schulische Diskriminierung junger Kapverdier aufmerksam gemacht hatte. Keups Aussagen – u.a. bemerkte er, Zuccoli versprühe Gift – wurden ausführlich kommentiert und dies in einer unappetitlichen Manier, die von rassistischen und frauenverachtenden Aussagen bis hin zu Gewalt und Mordappellen reichte. Keup ließ die Reaktionen unkommentiert und löschte sie nicht.
Die ASTI unterstrich daraufhin, dass „Hate Speech“ keinen Platz in politischen Auseinandersetzung haben dürfe. In eigenem Namen reichte Laura Zuccoli Klage ein.
Dies also der Auslöser der Debatte, während der die ASTI-Präsidentin auf der Zuschauertribüne des Parlaments den Diskussionsbeiträgen folgte und Fred Keup – dessen Name während der drei Stunden nicht ein einziges Mal genannt wurde – sich still verhielt und ADR-Sprecher Fernand Kartheiser die Tribüne überließ.
Während sich die Abgeordneten aller anderen Parteien philosophisch, moralisch, pädagogisch und strafrechtlich mit der Frage beschäftigten, fiel Kartheiser dadurch auf, dass er – ganz allgemein – vor Zensur warnte und sich mit George Orwells Werk 1984 angelehnten Begriffen wie „Gefühlsverbrechen“ und „Gedankenverbrechen“ als Herold der freien Meinungsäußerung – indirekt – vor den hauptbetroffenen Parteikollegen Keup stellte.
„Es begann mit Worten“
Empain hatte eingangs versucht, die Interpellation in geordnete Bahnen zu lenken, indem sie darauf verwies, dass im Internet tausendfach verbreitete Hassrede das Potenzial hat, zu realer Gewalt zu führen, dass die gesellschaftliche Kohärenz gefährdet werde, ja dass auch Völkermord mit Worten beginnt – wie die Holocaust-Überlebenden es in ihrer Kampagne „Es begann mit Worten“ ausdrücken.
Überproportional würden sich Hasstiraden im Internet gegen Frauen und Minoritäten richten. Drei Viertel aller Politikerinnen seien laut einer Umfrage vom Online-Magazin Reporter.lu bereits mit „Hate Speech“ konfrontiert worden. Auch das Spannungsfeld zwischen Meinungsfreiheit und Maßnahmen gegen die beschriebenen Tiraden behandelte sie, wie die meisten Redner nach ihr, und verwies darauf, dass Hass keine Meinung darstelle.
Das, was früher in der prädigitalen Kommunikationsepoche als „dommt Bistrosgespréich“ durchgegangen sei und recht wenig Schaden anrichten konnte, sei jetzt zur Normalität geworden. Was früher ein Frustventil im kleinen Kreis war, verbreite sich heute über die sozialen Medien wie ein Lauffeuer und erreiche eine maximale Reichweite. Hinzu komme die räumliche Distanz, die Sicherheit hinter dem Bildschirm. „Online traut sich jeder“, so Empain, die allerdings später in der Debatte auch zugeben musste, dass sie vielleicht auf besagten Medien nicht immer freundlich mit anderen Politikern umgegangen sei (die von Pirat Sven Clement genannten entsprechenden Beispiele ihrer digitalen Kommentare fielen hierbei wohl nicht direkt unter die Kategorie Hassrede, waren für öffentliche Äußerungen aber recht heftig formuliert) und entschuldigte sich prophylaktisch hierfür.
Die Rednerin ging weiter auf Beispiele dramatischer Auswirkungen von digitalen Hassaufrufen ein und erwähnte den jungen Tankstellenkassierer, der in Deutschland von einem „Querdenker“ erschossen wurde.
Paul Galles (CSV) versuchte sich an einer Definition von „Hassrede“, und sieht u.a. wachsenden Frust und gestiegenes Empörungspotenzial durch die Pandemie und die Klimakrise, die viele Menschen beunruhigen und Perspektiven verbauen. Auch er betonte „Hass ist keine Meinung“ und „es gibt kein Recht auf Hass“. Aufklärung in den Schulen und eine positive gesellschaftliche Gegenrede zu den oft rassistischen, fremden- und frauenfeindlichen Aussagen sieht er als Maßnahmen gegen das Phänomen.
Die Hemmschwelle falle hinter dem Bildschirm, so auch die Analyse von Carole Hartmann (DP), die unterstrich, es handele sich nicht um ein Kavaliersdelikt. Die Kontrollmethoden der Plattformen wie Facebook funktionierten nur unzureichend, jeder Nutzer trage Verantwortung und dies gelte im Besonderen für Politiker.
Internet ist kein rechtsfreier Raum
Der Missbrauch der Ausdrucksfreiheit, so Dan Biancalana (LSAP), bedrohe die Menschenrechte. Er verwies auf die strafrechtlichen Möglichkeiten der Gegenwehr und unterstrich, dass das Internet kein rechtsfreier Raum sei. Fragwürdige Inhalte, so verlange es die Zivilcourage, sollten gemeldet werden, so der Redner, der eine kollektive Verantwortung im Kampf gegen das Phänomen sieht.
In einer weiteren Intervention ging Stéphanie Empain auf die wirtschaftlichen Zusammenhänge ein, die Plattformen wie Facebook motivieren, Hass- und Skandalbeiträge schneller zu verbreiten als ernsthafte und damit für die meisten Nutzer langweiligere Posts. Je länger die Nutzer mit solchen Methoden online gehalten werden, desto mehr Werbung können die Anbieter verkaufen.
Nach Kartheisers Auftritt (siehe oben) plädierte Nathalie Oberweis („déi Lénk“) für eine klare Reglementierung zum Thema; die Politik müsse klare und gerechte Vorgaben liefern. Auch regte sie einen Grundkurs für Eltern und Pädagogen an, die so den Umgang mit Opfern und Tätern erlernen sollten.
Für Sven Clement (Piraten) ist die Selbstkontrolle der Plattformen der falsche Weg: Zuckerberg dürfe nicht darüber entscheiden, was verbreitet werden dürfe und was nicht: Vielmehr solle ein Schnellrichter Beiträge aussetzen können.
Die Regierungsvertreter Sam Tanson („déi gréng“ – Justiz), Corinne Cahen (DP – Familie) und Claude Meisch (DP – Bildung) verwiesen auf die öffentliche Stelle Bee Secure und auf die Arbeit von Respect.lu, die als Anlaufstellen zur Verfügung stehen und auch mit Tätern Programme zur Entradikalisierung durchführen, sowie auf den Umgang mit der Thematik in den Schulen. Über eine Resolution und zwei Motionen zum Thema wurde am Donnerstag nicht abgestimmt, da sie einige Unklarheiten aufwiesen. Die Texte wurden in die Kommissionen beziehungsweise ins Kammerbüro verwiesen.
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Ech ginn dem Sven Clement rächt, et ass net un der GAFA oder Tageblatt fir de Léit hier Meenung ze ënnerdrécken – dofir ginn et Geriichter déi all Blödsinn als Opruff zu Haass ugesinn.
Mit Interesse verfolge ich schon einige Zeit die Diskussionen über das Thema der Hassreden. Feststellen tue ich , die Meinung jener Bürger die nicht auf der vorgegebenen ,treuen Linie von Politik, Organisationen schwimmen, schnell in den Bereich der Hassreden , Populisten abgedrängt werden. Jeder Bürger der eine anständige Erziehung , Bildung genossen hat, wird die Grenzen zwischen Hassreden und demokratischer Kritik kennen . Allerdings stelle ich immer mehr fest , im Vergleich von 68 bis 90 ziger Jahren,unsere Demokratie immer weniger an Kritik verkraftet, zulässt.Solche Slogans der Ton,Steine und Scherben „ Macht kaputt,was euch kaputt macht“ würden von den Enkeln der damaligen Protestierer an den Pranger gestellt.
Wat e gebraddels.
Hitzigen streit ueber politik hat es schon immer gegeben wo schimpfwoerter und manchmal auch faeuste und im krassesten fall sogar kugeln geflogen sind.
Nun hat auf einmal jemand das wort hate speech erfunden und das problem ist tausend mal dramatischer geworden und die besorgten haben neben covid noch einen grund mehr sich zu sorgen.
Vergleicht mal was leute wie julius caesar oder napoleon der erste (zugegeben schlimme diktatoren) so einstecken mussten.
Dagegen ist eine beleidigung eines unserer politbonzen auf fb aber dann harmlos.
Schon ironisch, dass die Abgeordneten sich wieder zerfetzten bei diesem Thema und ein Sven Clement schon wieder sein inneres Kind rausliess und wie eine Göre zickte. Kinder gehören nicht in ein Parlament.
@Jeff
„Ech ginn dem Sven Clement rächt, et ass net un der GAFA oder Tageblatt fir de Léit hier Meenung ze ënnerdrécken – dofir ginn et Geriichter déi all Blödsinn als Opruff zu Haass ugesinn. “
Fir Haass ze verbreeden ouni viru Geriicht ze komme brauch ee just 5€ am Mount fir e VPN auszeginn.
Dee gëllt fir bis zu 5 Computer/Handy/Tablets.
Do kann een sech eraus sichen, wat fir eng IP Adress vu wat fir engem Land ee benotzt an all User notzen déiselwecht IP Adress an den Ubidder loggt net wie wat wéini mécht, et ass alles verschlësselt.
Ären ISP gesäit och net wat Der maacht, dat ass e Win-Win fir all Mënsch.
Abonnéiert e VPN wéi all aner Hatespeecher a fäerdeg.
Ich bin gegen eine Reglementierung der Sprache. Man wird heutzutage so oft tätlich provoziert, dass man einfach auch frech antworten muss. Wenn mir jemand einen Platz in der Warteschlange wegnimmt, will ich auch das Recht haben, ihm ein „Kallef“ zuzurufen. Wenn im Internet das eigene Team absichtlich verliert, will ich das Recht haben „Idioten“ in den Chat zu schreiben. Wenn hinter mir ein Drängler fährt, der 1 Meter hinter mir fährt (und sich somit nicht an das Gesetz hält) will ich dem den Stinkefinger zeigen können. Meine Meinung ist: Sprache nur bestrafen wenn auch Provokation bestraft wird. Wieviele Arbeitnehmer wollten eigentlich schon ihrem Arbeitgeber ihre Meinung sagen? Keiner traut sich, es sei denn auf dem Konto ist vorgesorgt.
@klod
„Dagegen ist eine beleidigung eines unserer politbonzen auf fb aber dann harmlos.“
Ganz und gar nicht, die Leute nutzen ja da ihren Echtnamen, da hat die Polizei kein Problem damit die Leute zu finden.
Jede Woche sind welche vor Gericht.
@Sepp
„Man wird heutzutage so oft tätlich provoziert, dass man einfach auch frech antworten muss.“
Nein, man _muss_ nicht, nur Frustrierte tun das.
„Wenn mir jemand einen Platz in der Warteschlange wegnimmt, will ich auch das Recht haben, ihm ein „Kallef“ zuzurufen.“
‚Ans Ende der Schlange, wie wir alle!‘ geht über Ihre Fähigkeiten?
Was ist, wenn’s ein 125kg Bodybuilder ist?
„Wenn im Internet das eigene Team absichtlich verliert, will ich das Recht haben „Idioten“ in den Chat zu schreiben.“
Wenn Sie die gesetzliche Strafe dafür akzeptieren und danach vorbestraft sind, können Sie das ja auch.
„Wenn hinter mir ein Drängler fährt, der 1 Meter hinter mir fährt (und sich somit nicht an das Gesetz hält) will ich dem den Stinkefinger zeigen können. “
Auch ein Vergehen, seit Dekaden.
Sie brauchen eine anständige Erziehung oder eine Therapie.
Man sollte keine Schimpfwörter benutzen und auch keinem die Krätze an den Hintern wünschen, aber wenn einem ein Taschendieb die Geldbörse klaut oder Herr Turmes CO2-Steuern sogar auf Heizungsmazout abkassiert, brauchen weder der Dieb noch Herr Turmes sich zu wundern wenn sie sich ein paar Frechheiten geangelt haben.
@Jemp
„oder Herr Turmes CO2-Steuern sogar auf Heizungsmazout abkassiert, “
Natürlich, kommt ’sogar‘ da die Steuer drauf, wieso denn nicht?
@Tarchamps: Weil die Leute dann ihr Geld für Mazout ausgeben müssen und ihnen danach keines mehr bleibt für eine neue Elektroheizung. Anscheinend denken Sie nicht weiter als Herr Turmes und seine finanziell gut situierten, grünen Kumpanen. Jede weitere finanzielle Belastung der Bürger bedeutet eine Verlangsamung der Umstellung auf erneuerbare Energien.
Freie Meinungsäusserung bedeutet, dass das Recht zur Äusserung einer Meinung geschützt ist jedoch nicht jeder Inhalt. Dieser kann illegal (Hassaufruf, Beleidigung…) sein oder häufig kontrafaktisch, so dass er im Wettstreit um die Qualität u. damit auch die Reichweite u. Überzeugungskraft unterliegt. Simple Geister sehen dann ihre Meinung unterdrückt.